Mittelalter

 

Demokratie

Die zwei folgenden Texte befassen sich mit der Epoche und der in ihr stattfindenden Entwicklung der Demokratie, die in aller Regel als "Mittelalter" bezeichnet wird. Der erste kurze Text stellt heraus, dass es Ansätze von Demokratie im wesentlichen in den mittelalterlichen Städten gegeben hat, während der zweite Text sich mit der Problematik des Begriffs "Mittelalter auseinandersetzt.

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Vertiefungsthema Brügge In einem Vertiefungsthema betrachten wir eine mittelalterliche Stadt genauer, nämlich Brügge, das "Venedig des Nordens". Wie war eine Stadt im Mittelalter organisiert, welche demokratischen Elemente können wir finden? (zum Vertiefungsthema).

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Demokratie im Mittelalter: "Stadtluft macht frei"

Im europäischen Mittelalter zeigt sich in allen politischen Gebilden ein Nebeneinander von monarchischen, aristokratischen und demokratischen Prinzipien. Demokratische Mitbestimmung gab es hauptsächlich in den Städten, die in der Regel eine aristokratische Verfassung hatten. In heftigen Kämpfen versuchten Handwerker und ihre Verbindungen (Zünfte) den Patriziern, die meist Kaufleute waren, die Stadtherrschaft streitig zu machen. Die besitzlosen Schichten blieben aber politisch einflusslos.

Durch den Grundsatz, dass es in der Stadt keine Unfreiheit gebe ("Stadtluft macht frei") und dass die Stadtverwaltung das Wohl der Gesamtheit vertrete, entstand das Bewusstsein eines Stadtbürgertums, das sich in seinem Selbstverständnis und in seiner Rechtsstellung deutlich vom abhängigen "Untertanen" der absoluten Monarchien unterschied.

[Hans-Helmuth Knütter, entnommen aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Demokratie, Informationen zur politischen Bildung Nr. 165, Neudruck 1992]

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Die Problematik des Begriffs "Mittelalter"

Der Gymnasialrektor Christoph Cellarius (1634-1707) hat sein Kompendium der alten Geschichte zweimal herausgebracht; das erste Mal (1675) führte er es bis Christi Geburt, das zweite Mal (1685) bis zu Konstantin. Zuerst folgte Cellarius der heilsgeschichtlichen Periodisierung der Weltgeschichte, die in der Patristik entwickelt und im "Mittelalter" maßgeblich wurde und unsere Zeitrechnung "nach Christi Geburt", so wie sie Dionysius Exiguus um 525 errechnete, noch heute bestimmt. 1685 verwendete Cellarius jedoch die Periodeneinteilung der humanistisch verstandenen Bildungsgeschichte in Antike, Mittelalter und Neuzeit und projizierte sie — erstmals universalhistorisch verallgemeinert — auf die Staatengeschichte. Die von Konstantin bis zur Eroberung Konstantinopels reichende Zeit beschrieb Cellarius sodann (1688) als die "barbarischen Jahrhunderte" des medium aevum. Daran schloss er (1693) die Darstellung der historia nova an. Mit dieser nunmehr profanen Epocheneinteilung der Weltgeschichte hat Cellarius in der Geschichte der Geschichtsschreibung selber Epoche gemacht. Seine Trias hat sich durchgesetzt, wenngleich mit mehr Erfolg als Recht. Denn sie wird allein schon den drei Herrschafts- und Kulturbereichen, welche die antike Mittelmeerwelt ablösten, also dem griechisch-byzantinischen, dem islamisch-arabischen und dem lateinisch-fränkischen, nicht gerecht. Sie gilt nur für den letzten; der erste kennt nicht die "neue" und der zweite nicht die "antike" Epoche, so dass die "mittlere" auch nicht ihr Mittel-Alter ist. Der Begriff des Mittelalters erfüllt darum nicht das Erfordernis, klar und deutlich zu sein, sondern bezeichnet nur vage ein ganz grob gerechnetes und mit je verschiedenen Grenzen und Gründen zu umfassendes Jahrtausend in der Geschichte der Nachfolger des Römerreiches.

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In diesem profanhistorisch bestimmten Mittelalter hat jede der drei Nachfolgekulturen ihrerseits in sakralen Ären die Jahre der Heilsgeschichte im Hinblick auf ihr Ende gezählt: Byzanz die Jahre des Bestehens der Welt und der Regierung des jeweiligen Kaisers, der Weltherrschaft Gottes also und seines Stellvertreters; der Westen die Dauer des neuen Bundes als der mittleren Zeit zwischen der Menschwerdung und der Wiederkunft Christi; der Islam die Jahre des Bestehens der religiös-politischen Gemeinschaft der Muslime, die mit der Emigration (hedschra) des Propheten nach Medina begann. Die heilsgeschichtliche Deutung bestimmt hier wie dort die geschichtliche Existenz und ist darum der verbindliche Rahmen des politischen Tuns und Denkens. So ist Politik als Praxis und als Theorie "letzten Endes" auf die Religion bezogen. Die Religion stellt der Politik ihre vornehmsten heilsgeschichtlichen Aufgaben: den Schutz und die Ausbreitung des wahren Glaubens. Politische Gemeinschaften formieren sich darum zugleich als Glaubensgemeinschaften, die Andersgläubige bei sich allenfalls dulden, sie aber nicht herrschen lassen können. Und umgekehrt folgt die Politik dem weltweiten Missionsauftrag der monotheistischen Religion (vgl. Matth. 28,19f.; Koran 34,27) durch die Idee monarchischer Weltherrschaft als Anspruch oder als Fiktion. Aus diesen theologischen Prämissen der Politik wurden jedoch im byzantinischen, islamischen und lateinischen Kulturbereich nicht dieselben Folgerungen abgeleitet.

[Dieter Mertens; entnommen aus: Hans Fenske u.a., Geschichte der politischen Ideen. Von Homer bis zur Gegenwart, Frankfurt/Main 1987]

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