Verdrossenheit

 

Demokratie

Politik? — nein danke!...

Familie beim Fernsehen

In den bisherigen Grundkursen hat in unserer "Fernsehfamilie" immer alles reibungslos funktioniert. Vielleicht hat den einen oder die andere dieses Bild schon lange gestört, weil sie oder er das Gefühl hat, dass es von der Realität abweicht. Für solche Abweichungen gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder entsprechen die Regeln in der Familie nicht unserem Idealbild oder die Familienmitglieder halten sich nicht an die Regeln.

Ein Beispiel für die erste Möglichkeit wäre es, wenn ein Familienmitglied mit den Batterien für die Fernbedienung so viel Macht erhält, dass es sich von den restlichen Familienmitgliedern distanziert und deren Programmwünsche nicht mehr ernst nimmt. Ein weiteres Beispiel wäre die Vergabe der Fernbedienung an ein Familienmitglied auf unbegrenzte Zeit. In beiden Fällen wird das grundlegende demokratische Prinzip der Gewaltenteilung verletzt, das wir aus Grundkurs 3 kennen, und den Familienmitgliedern fehlen die Kontrollmöglichkeiten über den Besitzer der Fernbedienung.

Kuchen Auch für die zweite Möglichkeit gibt es genügend Beispiele. So wäre es ein Verstoß gegen die ungeschriebenen Regeln, wenn sich der Besitzer der Fernbedienung, z.B. die Tochter, nach ihrer Wahl nicht an das abgemachte Fernsehprogramm hält, sondern gegen den Willen der Mehrheit der Familie ihr Lieblingsprogramm einschaltet oder das Lieblingsprogramm des Vaters wählt, weil dieser sie mit einem Stück Kuchen bestochen hat.

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Um diese Probleme, mit denen sich jede Demokratie auseinandersetzen muss, geht es in diesem Abschnitt. Ähnlich wie in unserer Familie ist es auch im demokratischen Staat. Das Idealbild geht von einer gut funktionierenden Beziehung zwischen Wählern und Gewählten aus. Eine Beziehung, die auf Wechselwirkungen basiert, so dass beide Gruppen aufeinander angewiesen sind. Aber hier gibt es ebenso Abweichungen vom Idealbild. Gelegentlich tritt der Fall ein, dass sich die Gewählten nicht an die Gesetze oder die Abmachungen halten. Dadurch werden die Erwartungen der Wähler an die Gewählten enttäuscht. Bei den Wählern entsteht dann das Gefühl, dass sie keinen Einfluss auf die Gewählten und dadurch keinen Einfluss auf die Politik haben.

Ebenso erwecken die Politiker, die sich nicht an die Regeln halten, die sich bestechen lassen, die nur zu ihrem eigenen Vorteil und nicht im Sinne der Wähler handeln, das Misstrauen der Bevölkerung (manche Menschen halten sogar alle Politiker für Verbrecher). So kann es passieren, dass Teile der Bevölkerung sich nicht mehr für Politik interessieren, nicht mehr wählen gehen und sich auch sonst nicht politisch engagieren. In solchen Fällen ist von Politikverdrossenheit die Rede. Demokratie ist aber auf die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger angewiesen, wenn sie befriedigend funktionieren soll.

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In unserer Familie würde das bedeuten, dass ein oder mehrere Familienmitglieder sich nicht an der Wahl des Fernsehprogramms und der Vergabe der Batterien für die Fernbedienung beteiligen. Ist der Anteil der Politikverdrossenen und der Nichtwähler in der Bevölkerung sehr hoch, stellt das ein Problem für den Besitzer der Fernbedienung bzw. den gewählten Politiker dar, da dieser Teil der Bevölkerung die Herrschaft bzw. die Politik des Gewählten nicht mitträgt und seine Legitimation dadurch sinkt. Wenn zu wenige Batterien im Umlauf sind, funktioniert gewissermaßen die Fernbedienung nicht ordentlich.

Es ergeben sich aber nicht nur Probleme für die Gewählten, sondern auch für die, die sich nicht beteiligen. Sie können nicht mitbestimmen. Sie verzichten auf ihr Recht, über das Programm mitzuentscheiden. Das führt sicherlich nicht dazu, dass sie zufriedener werden. Kurz gesagt: Die Institutionen und Regeln in einer Demokratie müssen so beschaffen sein, dass die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger dauerhaft nicht nur ermöglicht sondern erleichtert wird. Und die Bürgerinnen und Bürger selbst müssen diese Möglichkeiten nutzen. Das kann ihnen keine noch so raffinierte Konstruktion der Demokratie abnehmen.

...Politik? — aber nicht ohne mich!

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