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Die Entwicklung der Demokratie in der NeuzeitDie Entwicklung der Demokratie in der Neuzeit ist entscheidend für das Verständnis der heutigen Demokratieformen und -probleme. In diesem Abschnitt wird die Entstehung der modernen Demokratie aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet:
Entscheidend für die politische Philosophie der Neuzeit war der Gedanke des Naturrechts und der daraus resultierenden Menschen- und Bürgerrechte. Diese Thematik kommt ausführlich im Themenkomplex Menschenrechte zur Sprache.
Die Emanzipation des Menschen von gesellschaftlichen und religiösen Bindungen begann im 17. Jahrhundert. Im "Zeitalter der Vernunft" beschäftigte sich die Philosophie mit der Existenz des Menschen als vernunftbegabtem Wesen (René Descartes [1596 bis 1650]: cogito ergo sum, ich denke, also bin ich). Das neue Menschenbild führte zwangsläufig zu der Frage, wie eine politische Ordnung aussehen solle, die Freiheit des einzelnen und öffentliche Ordnung so miteinander verbindet, dass obrigkeitsstaatliche und gesellschaftliche Unterdrückung vermieden wird. Besonders in den Werken von John Locke (1632 bis 1704), Charles de Secondat Montesquieu (1689 bis 1755) und Jean-Jacques Rousseau (1712 bis 1778) finden wir dem gleichen Ziel verpflichtete, jedoch unterschiedliche Antworten auf die Frage nach einer vernunftgemäßen politischen Ordnung. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Locke wendet sich in seiner Schrift "Two Treatises of Government" (Zwei Abhandlungen über die Regierung, 1690) gegen die Rechtfertigung der absoluten Monarchie. Die politische Ordnung beruht für ihn auf dem Zustand völliger Gleichheit und Freiheit, die durch Rücksicht auf andere und die Notwendigkeit friedlichen Zusammenlebens begrenzt wird. Zum Staate schließen sich Menschen zusammen, um ihr Eigentum zu sichern.
Die Wirkung John Lockes auf die politischen Ideen der folgenden Jahrhunderte kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die von ihm entwickelten Vorstellungen über Machtbegrenzung und -kontrolle, Verantwortlichkeit der Machtträger dem Volke gegenüber, die Bedeutung des Privateigentums machen Locke zu einem Vorläufer der liberalen Demokratie, auch wenn ihm und seiner Zeit diese Begriffe noch nicht geläufig waren. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Montesquieu betrachtete England als Vorbild, wenn er schreibt, es sei die "Nation..., die als unmittelbaren Zweck ihrer Verfassung die politische Freiheit hat". In seinem Hauptwerk "De l'Esprit des Lois" (Vom Geist der Gesetze, 1748) bezeichnet er die Despotie als die schlechteste aller Staatsformen. Die beste sei jene freiheitliche, in der die Bürger das Recht haben, alles zu tun, was die Gesetze erlauben. Er sieht durchaus die Gefahr, dass auch in einer Demokratie diese Freiheit gefährdet sein kann. Der menschlichen Neigung zum Machtmissbrauch — ähnlich wie bei John Locke — soll durch Machtverteilung und -kontrolle Schranken gesetzt werden.
Während Locke und Montesquieu zu den geistigen Vätern der repräsentativen Demokratie zählen, hat Rousseau die direkte Demokratie theoretisch begründet. Er ist einer der umstrittensten Denker, dessen unmittelbare Wirkung bis in die Gegenwart reicht. Noch in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts haben sich Kritiker der parlamentarischen Demokratie auf ihn berufen, wenn sie eine direkte Demokratie forderten und Gruppeninteressen bekämpften. Andere haben in Rousseau einen Vorläufer des modernen Totalitarismus gesehen, der die Menschen zu ihrem Glück zwingen will. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Rousseau: Gesellschaftsvertrag Seine politische Theorie beruht auf der Annahme, dass der Mensch von Natur aus gut sei und in öffentlichen Angelegenheiten tugendhaft handeln müsse. Die menschliche Gesellschaft hindere den Menschen, sich seinen Anlagen entsprechend zu verhalten, der Mensch ist durch die Gesellschaft, ihre Institutionen und Konventionen sich selbst "entfremdet". Zwar benutzt Rousseau den von Hegel geprägten und vom Marxismus popularisierten Begriff der Entfremdung noch nicht, die Vorstellung stammt jedoch von ihm. Mit seinen politischen und pädagogischen Schriften will Rousseau eine Ordnung der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit schaffen.
Parteien, Gewerkschaften und sonstige Verbände wären mit Rousseaus Lehre unvereinbar. Die Menschen müssen notfalls gezwungen werden, das Gute und Richtige zu wollen, da sie es nicht immer selbst erkennen. Sie müssen ihr Urteil der Vernunft anpassen, damit aus der allgemeinen Einsicht ein Zusammenwirken aller entsteht. Rousseaus Idealvorstellung ist die direkte Demokratie ohne Gewaltenteilung und Repräsentation, die er für unfreiheitlich hält. Es liegt nahe, dass diese Konzeption in der Gegenwart sehr umstritten ist. Einerseits wird der freie Mensch gefordert, der nur dem Gesetz gehorcht, das er sich selbst gegeben hat, andererseits kann aus Rousseaus Vorstellungen eine politische Ordnung abgeleitet werden, in der die Bürger vom Staate total beansprucht werden und in der sogar die "richtige" Gesinnung kontrolliert wird. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Die Staats- und Gesellschaftstheorien des 17. und 18. Jahrhunderts haben — so widersprüchlich sie sind — die demokratischen Bewegungen gefördert und theoretisch fundiert. Zuerst fanden sie in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 ihren Niederschlag. Thomas Jefferson (1743 bis 1826), später Präsident der USA, formulierte die Unabhängigkeitserklärung in enger Anlehnung an die Ideen John Lockes. Der Gedanke, dass es keine Regierung ohne die Billigung der Regierten geben dürfe, wurde zur Grundlage der Verfassung der USA von 1787/91. Der Grundrechtsgedanke erwuchs aus der naturrechtlichen Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts. Seit John Locke führte die Auffassung von der sittlich begründeten Autonomie und dem Eigenwert des Menschen zur Forderung nach einer der Staatsgewalt entzogenen Rechts- und Freiheitssphäre für den einzelnen. Bereits 1679 hatte das britische Parlament mit der Habeas-Corpus-Akte den Schutz der persönlichen Freiheit gegen staatliche Willkür durchgesetzt. Die weiteren Stationen auf dem Wege der Durchsetzung waren die britische "Declaration of Rights" (1689), die amerikanische Unabhängigkeitserklärung (1776), die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika (1787/91) und die "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" durch die Franzosische Nationalversammlung (1789) [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Die Menschen- und Bürgerrechte Die Erklärung der Menschenrechte erfolgte auf Antrag Lafayettes (1757 bis 1834), des Kommandanten der Nationalgarde, der als Teilnehmer am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg populär war. Die Erklärung bildet eine der wichtigsten Grundlagen für die liberalen und demokratischen Vorstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts.
Will man eine inhaltliche Unterscheidung treffen, so kann man die Grundrechte drei Hauptgruppen zurechnen:
Grundrechte sind heute in vielen nationalen und internationalen Dokumenten als positives Recht verbürgt. (...) International gelten die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen von 1948 sowie die (Europäische) "Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" von 1950. Die Garantie der Grundrechte in diesen Dokumenten sagt nichts über ihre tatsächliche Verwirklichung im internationalen Rahmen aus. Immer wieder hat sich erwiesen, dass das Völkerrecht keine wirksamen Sanktionen gegen Menschenrechtsverletzungen kennt. [Hans-Helmuth Knütter, entnommen aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Demokratie, Informationen zur politischen Bildung Nr. 165, Neudruck 1992] [genauere Ausführungen zu den Menschen-. Bürger- und Naturrechten finden Sie im Rahmen des Themenkomplexes Menschenrechte auf D@dalos; dort steht auch eine Sammlung von Dokumenten zur Verfügung, u.a. die genannte "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen von 1948]
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