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Südafrika nach der ApartheidAls am 10. Mai 1994 Präsident Nelson Mandela und seine beiden Vizepräsidenten Thabo Mbeki und F.W. de Klerk vor dem Regierungsgebäude in Pretoria vereidigt wurden, sagte Mandela:
Talks over talks Bei den "Gesprächen über die Gespräche" zwischen dem ANC und der Nationalen Partei (NP) im Mai und August 1990 saßen sich Regierende und Befreiungsbewegung zum ersten Mal gleichberechtigt gegenüber. Man einigte sich darauf, dass politische Gefangene freigelassen würden, die Exilanten zurückkehren dürften und die klassischen Apartheidgesetze aufgehoben würden, im Gegenzug musste der ANC den Gewaltverzicht erklären. Diese Zugeständnisse ebneten den Weg für Mehrparteien-Verhandlungen, denen außer der NP und dem ANC auch die Inkatha, die Demokratische Partei (DP) und die zehn Homelandvertreter beiwohnten. Bekannt geworden sind diese Gespräche unter dem Namen CODESA I und II (Convention for a Democratic South Africa). Im Dezember 1991 einigte man sich bereits auf das klassische Prinzip der Gewaltenteilung, also auf die Einteilung in Legislative, Judikative und Exekutive. Im Mai 1992 fasste CODESA Beschlüsse hinsichtlich Fragen der Landes-, Provinz- und lokalen Administration. Man konnte sich außerdem auf ein föderatives Modell mit neun Provinzen einigen, und der ANC erklärte seinen Verzicht auf die Verstaatlichung der Industrie. Ende 1993 trat eine Interimsverfassung in Kraft, die während der Zeit der Ausarbeitung einer endgültigen Verfassung gültig war. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Erste allgemeine Wahlen Das Apartheiderbe, das während der ganzen Jahren nicht abgelegt werden konnte, war die Gewaltbereitschaft. Immer wieder kam es zu Demonstrationen und Gegendemonstrationen, Gewalt und Gegengewalt, Schwarz gegen Weiß, aber auch Schwarz gegen Schwarz. Im April 1993 wurde Chris Hani, Generalsekretär der kommunistischen Partei Südafrikas und nach Mandela zweitbeliebtester Politiker, vor seinem Haus von Rechtsextremisten ermordet. Gleichzeitig wuchs die Enttäuschung der schwarzen Bevölkerung über das Ausbleiben politischer und sozialer Reformen. Um einer weiteren Zuspitzung der Situation vorzubeugen, entschloss man sich, die Wahlen so schnell wie möglich abzuhalten: am 27. April 1994. Man gründete zwei neue Behörden: den Transitional Executive Council (TEC), in dem nichts ohne den ANC beschlossen werden durfte, und die Independent Electoral Commission (IEC), die den Auftrag erhielt, in nur vier Monaten den kompletten Wahlprozess zu organisieren: Von der Überwachung der Registrierung der Parteien über die Durchführung der Wahlen bis hin zur Auszählung und der Entscheidung, ob ein freier und fairer Verlauf vorlag. Die Wahlen verliefen problemloser, als man befürchtet hatte. Es kam zu keinen größeren Zwischenfällen und wie erwartet ging der ANC aus ihnen mit 62,7 Prozent der abgegebenen Stimmen als Sieger hervor, gefolgt von der NP mit knapp 20 Prozent und der Inkatha mit knapp 10 Prozent der Stimmen. Nelson Mandela wurde am 10. Mai 1994 als erster schwarzer Präsident Südafrikas und als erster Präsident aus allgemeinen Wahlen vereidigt. Die endgültige Verfassung war innerhalb der nächsten zwei Jahre auszuarbeiten. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Die neue Verfassung (http://www.polity.org.za/govdocs/constitution/saconst.html) Südafrika erhielt ein Parlament mit 350 Abgeordneten, die nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden. Der bisherige Senat wurde durch einen Nationalrat der Provinzen ersetzt, der dem deutschen Bundesrat nachgebildet wurde. Die Mehrheitspartei stellt die Regierung und wählt den Präsidenten. Die Befugnisse der Provinzen wurden zugunsten der Zentralregierung beschnitten. Die Provinzen genießen keine Finanzhoheit, sondern sind von Pretoria abhängig. Uneinigkeiten gab es bis zum Schluss lediglich in drei Punkten:
Die neue Verfassung wurde am 10. Dezember 1996, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, von Mandela unter freiem Himmel in Sharpeville unterzeichnet, wo 36 Jahre zuvor der Protestmarsch gegen die Passgesetze brutal niedergeschlagen worden und der Befreiungskampf in seine entscheidende Phase getreten war. Sie trat am 4. Februar 1997 in Kraft. Im ganzen Land wurden Millionen von Exemplaren der neuen Verfassung verteilt, unter anderem als Comic, um auch die zahlreichen Analphabeten zu informieren. Die Präambel der Verfassung steht als Dokument zur Verfügung. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Der Umgang mit der Vergangenheit
Unter dem Motto "Vergeben, aber nicht Vergessen" sollte die Kommission innerhalb von zwei Jahren (1996-98) Opfer und Täter von groben Menschenrechtsverletzungen hören und aus ihren Aussagen ein möglichst umfassendes Bild der Jahre 1960-94 erstellen: über die Ursachen der Gewalt, ihr Ausmaß und die Umstände, die dazu führten. Geständige Täter sollten begnadigt, Opfer rehabilitiert werden. Es sollten Vorschläge zur Vermeidung solcher Verletzungen und eines besseren Schutzes der Menschenrechte gemacht werden. Zwei Jahre lang standen Tag für Tag Opfer- und Täter-Hearings auf der Tagesordnung, in denen nicht nur "kleine Leute" angehört wurden, sondern auch Prominente wie die Ex-Frau Mandelas, Madikizela Mandela, oder de Klerk. Man erfuhr von Gräueltaten, von Vergabe von Waffen durch die Regierung an die Inkatha, um die "black-on-black-violence", also die Gewalt Schwarzer gegen Schwarze noch mehr anzuheizen. Viele Fragen sind unbeantwortet geblieben. Die Wahrheitskommission ist nicht zu einer dauerhaften Einrichtung geworden. Ihr Sinn war es, einen Anfang zu machen. Versöhnung kann kein Desmond Tutu einleiten, sondern muss von jedem einzelnen mit sich selbst und mit seinem Gegenüber vollzogen werden. [Die Kommission unterhält eine eigene Internetseite, die in unserer Linkliste vorgestellt wird. Ein Interview mit Desmond Tutu finden Sie auf den Dokumentenseiten.] [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] "Ich habe mir für einen Augenblick Rast gegönnt, um die herrliche Aussicht zu genießen, um zurückzuschauen auf die Strecke, die ich zurückgelegt habe. Aber ich kann nur kurz ausruhen, denn mit der Freiheit kommt Verantwortung, und ich wage nicht zu verweilen, denn mein langer Weg ist noch nicht zu Ende gegangen." Mit diesen Worten endet die Autobiographie Mandelas. Fünf Jahre nach dieser Aussage hat sich Mandela die Rast gegönnt. Den weiteren Weg müssen nun seine Erben gehen.
Er hat ein Südafrika übernommen, in dem es noch viel zu tun gibt: Es herrscht Mangel an Häusern; viele Häuser haben kein fließendes Wasser oder keine Elektrizität; die Arbeitslosenquote beträgt mehr als 50 Prozent und die Kriminalitätsrate steigt bedenklich. Ein wirtschaftlicher Aufschwung könnte Abhilfe schaffen. Dazu werden aber Investoren gebraucht. Als zukunftsträchtigste Industrie scheint sich dabei der Tourismus zu entwickeln. [Eine Rede Mbekis befindet sich auf den Dokumentenseiten zu diesem Abschnitt.] [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht]
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