Guatemala

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Menschenrechte

Material zu Grundkurs 5 (Menschenrechtsverletzungen)

Die Materialien, zu denen Sie über die Links auf der linken Seite gelangen, über Guatemala - ein Land, das besonders stark unter schweren Menschenrechtsverletzungen leiden musste - sind auf englisch, um auch im Fremdsprachenunterricht eingesetzt werden zu können.

Der folgende Text porträtiert Rigoberta Menchu, eine Indianerin aus Guatemala, die 1992 mit dem Friedennobelpreis ausgezeichnet wurde.

[Im Themenkomplex Vorbilder finden Sie einen eigenen Abschnitt mit ausführlichen Informationen zu Rigoberta Menchu]

Weiter unter finden Sie zwei Presseartikel zum Thema, einen Text über Straßenkinder in diesem Land sowie eine kurze Zeitungsnotiz über Massengräber.

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"Ich bin eine Indianerin und eine Frau, und ich bin stolz darauf"

Die Indiofrau Rigoberta Menchu hat den Friedensnobelpreis erhalten: für ihren Kampf für die Menschenrechte in Guatemala, wo das Militär bis heute 120.000 Indianer ermordet hat.

Es fällt schwer, aus der Lebensgeschichte von Rigoberta Menchu jenes Ereignis herauszufinden, das aus der armen Analphabetin vom Volk der Quiché-Indianer die Friedensnobelpreisträgerin 1992 machte. Aber der Sturm des Militärs auf die spanische Botschaft in Guatemala City Anfang 1980 und die Ermordung ihres Vaters und 37 anderer Männer gehören wohl zu den entscheidenden Momenten ihres an grausamen Erfahrungen reichen Lebens. Rigoberta Menchu war knapp 21 Jahre alt (ihr genaues Geburtsdatum kennt sie nicht), als ihr Vater Vicente und seine indianischen Mitstreiter am Morgen des 31. Januar das Gebäude friedlich besetzten. Sie wollten die Welt auf die Vertreibung und die von der Militärregierung inszenierte Verfolgung der Indianer des Hochlands aufmerksam machen. (...) Militär umstellte das Gebäude und der spanische Botschafter Maximo Cajal forderte die Truppen zum Abzug auf. Doch Lucas Garcia, Guatemalas damaliger Diktator, befahl den sofortigen Abzug. Kurz nach zwölf drangen Soldaten mit Äxten und Maschinenpistolen durch Fenster und Türen ein. Brandbomben flogen. (...)

37 Männer, darunter außer Vicente Menchu, zwei Besucher und zwei Angehörige der Botschaft, starben durch Schüsse oder in den Flammen. Ein Indio, der dem Chaos verletzt entflohen war, wurde tags drauf aus einer Klinik entführt. Seine verstümmelte Leiche warfen Soldaten auf den Platz vor der Universität.

Als Vicente Menchu starb, war seine Tochter Rigoberta bereits eine Aktivistin im "Komitee für die Einheit der Bauern" wie ihr Vater. Sie organisierte Versammlungen und machte sich keine Illusionen über die Gefahren ihrer Tätigkeit. Nun wusste sie endgültig, wozu die Regierung des Landes fähig war. Zehn bis 15 Menschen verschwanden damals pro Tag spurlos allein in ihrer Region im Norden Guatemalas. Angeblich, weil sie Guerilleros waren oder mit ihnen zusammenarbeiteten. Tatsächlich hatten die Indianer sich zum Widerstand zusammengeschlossen, weil sie von dem Land, das sie urbar gemacht hatten, vertrieben werden sollten. (...)

Etwa 60.000 Indios wurden Anfang der achtziger Jahre von Regierungstruppen ermordet. 40.000 Menschen verschwanden spurlos. (...) "Wenn sie uns ergriffen, wollten wir sofort sterben. Wir fürchteten am meisten, was sie uns antaten, bevor sie uns umbrachten." So wie Petrocinio Menchu, den jüngsten Bruder Rigobertas Er war 16, als Soldaten ihn zu einem Militärstützpunkt verschleppten. Zwei Wochen lang folterten sie ihn. Sie rissen ihm die Fingernägel aus, verbrannten Teile seines Körpers und zogen ihm die Kopfhaut ab (...) Nach zwei Wochen verteilte das Militär Zettel und kündigte die Bestrafung der angeblichen Terroristen — darunter Petrocinio — an. Zugleich drohten sie, dass jeder, der nicht zur Hinrichtung kam, fortan selbst als Revoluzzer gelte. (...)

Auch jetzt verließ Rigoberta Menchu das Land noch nicht. Während zwei ihrer Schwestern sich der Guerilla im Hochland anschlossen, fand sie Unterschlupf bei Gesinnungsgenossen und organisierte den meist gewaltlosen Widerstand in den Dörfern und Städten. Erst als ihre Mutter von den Militärs gefangengenommen und gefoltert wurde, nach tagelangen Prügeln und nach Vergewaltigungen starb und der Leichnam von Tieren gefressen worden war, bereitete Rigoberta ihre Flucht ins Exil vor. Bis heute lebt sie in Mexiko City. (...)

Fast trotzig beharrt die knapp 1.50 Meter große Frau auf ihrem Eingeborenen-Sein, als ob ihr keine andere Wahl bliebe, eben weil "Indio" zu den schlimmsten Schimpfwörtern Mittelamerikas gehört. (...) "Ich bin eine Indigena und eine Frau", ist deshalb nicht nur der stolze Standard-Ausruf ihrer Reden. Er ist zugleich ihr Programm. Denn seit Rigoberta Menchu 1981 ins Exil nach Mexiko gegangen ist, arbeitet sie für die Rückkehr von einer Million Landsleute in ihre Dörfer, die entweder im Hochland Guatemalas oder in Nachbarstaaten wie Mexiko Zuflucht vor den Häschern der Militärdiktatur gefunden haben. (...)

Selbst wenn die Massaker der Militärs an den Bewohnern ganzer Siedlungen inzwischen der Vergangenheit angehören, haben die Generäle die ständig wechselnden Zivilregierungen noch immer fest im Griff. Sie blockieren jede demokratische Veränderung des Landes Und an die Stelle der Soldaten, die ganze Dörfer umbringen, sind nach den Informationen von amnesty international zivile Todesschwadronen getreten, die gezielt einzeln ermorden. Nach Angaben des amerikanischen "Centers for Human Rights" wurden im vorigen Jahr mindestens 858 Menschen hingerichtet oder verschleppt. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres gab es 175 außergerichtliche Exekutionen und 80 Mordversuche.

Rigoberte Menchu ist die zentrale Figur des Widerstandes gegen solche Menschenrechtsverletzungen. "Musste ich vor acht, neun Jahren noch die Hintertür benutzen, wenn ich bei den UN etwas erreichen wollte, finde ich heute Gehör", sagte sie. "Und ich möchte den Preis nutzen, dass mehr für die Menschen in Guatemala und mehr für die Indianer Amerikas insgesamt passiert."

[Hans-Hermann Klare, in: Stern vom 10.12.1992] - Ein ausführliches Porträt von Rigoberta Menchu finden Sie im Themenkomplex Vorbilder]

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Gefoltert, geprügelt, vergewaltigt — Guatemalas Diktatur ignoriert die Not der Straßenkinder

Die Soldaten kamen mitten in der Nacht. Die Eliteeinheit der guatemaltekischen Armee riegelte ein ganzes Viertel in der Hauptstadt Guatemala-Stadt ab und durchkämmte es. Die Suche der mit Maschinenpistolen und Schnellfeuergewehren schwerbewaffneten Soldaten galt nicht Guatemalas linksextremer Guerilla URNG, sondern Kindern, die aus Not Tag und Nacht in den Straßen der Hauptstadt leben.

Diese Straßenkinder sind nach Ansicht der Regierung von Präsident Sereano eine ernste Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und maßgeblich für den Anstieg von Gewaltkriminalität in Guatemala verantwortlich. Eine Theorie, die von Menschenrechtsorganisationen bezweifelt wird.

Die Militär-Aktion war ein offensichtlicher Bruch des guatemaltekischen Rechts, nach dem aufgegriffene Kinder höchstens in Heimen, nicht aber auf Polizeiwachen oder in Armeekasernen vernommen oder festgehalten werden dürfen. "Doch das Gesetz zahlt hier nichts", meint Eugenia de Monterroso, Leiterin von Casa Alianza, einer Organisation, die sich um die rund 5000 Straßenkinder allein in Guatemala-Stadt kümmert. (...)

Ärgerlich für die Regierung von Präsident Sereano ist, dass sich immer häufiger Protest im Ausland gegen die Misshandlung von Straßenkindern erhebt. Menschenrechtsorganisationen wie Casa Alianza oder Amnesty International empfehlen, Protestkarten an Guatemalas Präsident zu schicken.

[Bernd Hilber, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 09.04.1992]

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Stuttgarter Zeitung vom 17.06.1999

Massengrab in Kloster entdeckt

In einem nordguatemaltekischen Frauenkonvent ist ein Massengrab mit zwölf gefolterten Bürgerkriegsopfern entdeckt worden. Die meisten Kirchen und Klöster in der Region waren 1980 aufgegeben worden, nachdem drei spanische Priester während einer Bodenoffensive der Armee gegen linksgerichtete Rebellen ihr Leben verloren hatten. Nach dem Krieg waren wieder Ordensfrauen in den betroffenen Konvent eingezogen.

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