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Apartheid in Südafrika - Der Hintergrund für das Wirken Tutus

[ausführliche Hintergrundinformationen zur Entstehung, Entwicklung und Überwindung des Apartheidregimes in Südafrika finden Sie im Vertiefungsthema Apartheid des Themenkomplexes Menschenrechte]

Desmond Mpilo Tutu wurde im Jahre 1931 in eine Welt großer Ungerechtigkeit hineingeboren. Seine Familie hatte, wie die meisten Schwarzen in Südafrika, sehr wenig Geld. Sie lebten in einer kleinen Hütte ohne Strom und fließendes Wasser. Alle Schwarzen mussten einen Pass mit detaillierten Informationen mit sich tragen, sogar sein Vater, der ein respektierter Lehrer war. Die weiße Polizei hielt manchmal Schwarze an, um sie nach ihrem Pass zu fragen. Dies waren nur eine der Konsequenzen der Politik der Weißen in Südafrika, die sich schon seit etwa 1910 Gedanken machten, wie sie durch Unterdrückung der farbigen Mehrheit die Vorherrschaft der weißen Minderheit aufrechterhalten konnten.

1948 verschlechterte sich die Lage für die Farbigen in Südafrika dann dramatisch: Es wurden Wahlen abgehalten, bei denen nur weiße Südafrikaner wählen durften. Als Sieger ging die Nationale Partei hervor, deren ausdrückliches Ziel die Apartheid, also Rassentrennung war und die versprach, Gesetze gegen Farbige einzuführen, um die Macht der weißen Minderheit zu sichern. Die neue Regierungspartei machte Rassentrennung, Diskriminierung und Unterdrückung zu ihren obersten Zielen.

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Die ersten Gesetze der neuen Regierung zielten auf eine systematische Trennung der verschiedenen Rassen im alltäglichen Leben und in der Politik ab. Alle Bürger Südafrikas wurden nach ihrer Hautfarbe eingeteilt: Man unterschied zwischen Weißen, Farbigen (Mischlinge), Asiaten und Einheimischen (also Schwarzen). Diese Angelegenheit wurde sehr kompliziert, da es bei den Farbigen sieben Untergruppen und bei den Schwarzen je nach Sprache acht Untergruppen gab.

Beziehungen und Ehen zwischen Weißen und Nicht-Weißen wurden verboten und unter Strafe gestellt. Politisch wurden Nicht-Weiße unterdrückt, indem ihnen jegliche Versammlung verboten wurde. Eine politische Opposition konnte dadurch erst gar nicht zustande kommen. Dass Farbige wirtschaftlich unterdrückt wurden, scheint in diesem Zusammenhang fast selbstverständlich. Sie wurden lediglich als Arbeitskraft ausgebeutet, waren schlechter bezahlt, konnten sich nicht gewerkschaftlich organisieren und hatten auch kein Streikrecht. Eines der schlimmsten Gesetze aber, das Tutu – damals noch Lehrer - auch selbst unmittelbar betraf und sein politisches Bewusstsein weckte, war der sogenannte Bantu Education Act. Demnach sollten schwarze Schüler eine schlechtere Schulausbildung bekommen als weiße Schüler. Der damalige Premierminister Südafrikas Verwoerd glaubte nämlich, dass Südafrika keine klugen, gut ausgebildeten Schwarzen bräuchte. Stattdessen sollten sie zu Sklaven der Weißen erzogen werden.

Als die Trennung der Bevölkerungsgruppen aus Sicht der weißen Regierung vollzogen war, strebte man nach einem reichen weißen Südafrika, in dem Schwarze nur noch als Arbeitskraft ausgebeutet würden. Dazu schuf man künstliche Staaten, sogenannte Homelands, und fast jeder Schwarze verlor die südafrikanische Staatsbürgerschaft und wurde Staatsbürger eines dieser Homelands. 75% der Bevölkerung sollten so auf 13% der Fläche Südafrikas zusammengepfercht werden (siehe Karte links).

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Doch die weiße Regierung in Pretoria sollte kein leichtes Spiel haben. Schon früh formierte sich Widerstand in Südafrika, der zunächst vom African National Congress (ANC), der Partei Nelson Mandelas und heute unter Thabo Mbeki regierende Partei, angeführt wurde. Der ANC rief die schwarze Bevölkerung zu zivilem Ungehorsam auf, der aber mit Polizeigewalt niedergeschlagen wurde und in einem Verbot des ANC 1960 und der Festnahme Nelson Mandelas und seiner Freunde 1964 endete. Eine neue führende Widerstandsbewegung wurde 1968 unter Führung des Studenten Steve Biko als Black Consciousness Movement gegründet. Ihr Ziel war die Stärkung des Selbstbewusstseins der Schwarzen. Zur Erreichung dieses Ziels war die Bewegung der Anwendung von Gewalt nicht abgeneigt.

Als Tutu nach langjährigen Aufenthalten im Ausland 1975 als Dekan der Anglikanischen Kirche nach Johannesburg zurückkehrte, musste er mit Erschrecken feststellen, dass die Situation in Südafrika sich in seiner Abwesenheit drastisch verändert hatte: Bürgerkriegsähnliche Zustände waren charakteristisch für das Südafrika der 70er und 80er Jahre geworden. Läden und Autos standen in Flammen, Hunderte von Menschen wurden umgebracht, Kinder standen in den ersten Reihen, statt zur Schule zu gehen, sogar schwarze "Informanten" wurden gelyncht. Südafrika war zu einem Polizeistaat geworden und die schwarze Jugend war radikalisiert. Ein schneller Wandel musste herbeigeführt werden, um die Katastrophe abzuwenden.

Auch die Regierung in Pretoria bekam es mit der Angst zu tun. Der schwarze Widerstand war nicht mehr nur eine kleine Gruppe, die man einfach eliminieren konnte, sondern war zu einer großen Macht geworden, der man nur durch Zugeständnisse beikommen konnte. Auch international war der Druck auf Südafrika nicht zuletzt dank den Bemühungen Desmond Tutus angewachsen. Die Verleihung des Friedensnobelpreises 1984 an ihn kann als ein Zeichen der internationalen Gemeinschaft, als politisches Statement, angesehen werden, dass die Apartheid in Südafrika eine Bedrohung des Friedens darstellte und ungerecht war.

Erste kleine Zugeständnisse in Form von Lockerungen der Gesetze wurden seitens der Regierung gemacht. Als dies aber bei der schwarzen Bevölkerung, die Reformen und ein neues Südafrika wollte, auf Ablehnung stieß, und die Situation 1986 dermaßen eskalierte, dass der Ausnahmezustand ausgerufen werden musste, war der Weg für die Überwindung der Apartheid geebnet. 1990 erklärte der damalige Premierminister de Klerk die Apartheid für gescheitert. Nelson Mandela wurde nach über 25 Jahren Haft freigelassen, alle Verbote politischer Organisationen aufgehoben und Verhandlungen über ein allgemeines Wahlrecht geführt. 1994 ging Nelson Mandela als erster schwarzer Präsident Südafrikas aus allgemeinen freien Wahlen hervor.

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