Modell 1

Nach oben Modell 1 Modell 2 Modell 3 Modell 4 öffentl. Meinung

 

Parteien

Parteien und Medien - Modell 1:

Das top-down-Modell

Das top-down-Modell geht von einer Hierarchie oder einer Kaskade des politischen Kommunikationsprozesses aus.

Die Parteipolitiker auf der obersten Stufe fällen politische Entscheidungen und geben damit Impulse an die »reale Welt«. Sie verabschieden Haushalte, machen Gesetze, geben Subventionen, regeln und steuern in den gegebenen (engen) Spielräumen. Sie erzielen damit Wirkungen, die sie als Rückkoppelung zurückempfangen. Sie bilden somit eine politische Agenda, die sie an die Medien nach unten weiter vermitteln, die ganz von dieser Informationszufuhr abhängig sind. Die Medien vermitteln diese Agenda weiter nach unten an das allgemeine Publikum.

Dieses Modell ist scheinbar recht schlicht und entspricht dem Bild der Medien als Magd der Politik, wie eingangs in der Geschichte erzählt. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von empirischen Beobachtungen über den Charakter des Kommunikationsprozesses und von Argumenten aus der Literatur, die dieses Modell stützen.

Der wichtigste Grund für eine herausragende Rolle der Parteien und der Politik im Kommunikationsprozess liegt darin, dass sie die handelnden Personen sind. Sie veranstalten Parteitage; sie geben Interviews; sie entscheiden im Parlament und in der Regierung. Das Interesse aller Parteien liegt darin, Themen von hervorragender Relevanz und Brisanz zu finden, um öffentliche Aufmerksamkeit und umfassende Akzeptanz zu erzielen. Dazu beschäftigen sie eigene Stäbe, beauftragen Demoskopen und beobachten die öffentliche Meinung.

[Seitenanfang]

Dabei sind Regierungs- und Oppositionsparteien nicht gleichgestellt. Denn bei der Regierungspartei liegen die größeren materiellen Ressourcen (...). Gleichzeitig verfügen die Regierungsparteien über die größeren personellen Ressourcen, da die Regierungsstäbe zu den Parteistäben hinzugerechnet werden können. Insbesondere aber verfügen sie über den größeren Aktivitätsvorsprung und haben damit eine Überlegenheit bei der Themenwahl. »Wer die Themen beherrscht, über die politisch gesprochen wird, der ist den politischen Konkurrenten einen Schritt voraus; der hat eine größere Chance, seine Bewertung des debattierten Themas zur Meinung der Mehrheit zu machen«, so Wolfgang Bergsdorf (...).

Oppositionsparteien haben offensichtlich strategische Nachteile bei der Bestimmung der politischen Agenda, weil sie nur verbale Alternativen formulieren, aber keine Fakten setzen können. Sie weichen deshalb eher in programmatische Polarisierungen aus (mehr Solidarität, Gerechtigkeit und Frieden oder mehr Markt und Freiheit). Eine solche Polarisierung nutzt aber eher kleinen Parteien mit klarerem weltanschaulichem Profil und Impetus (...). »Große Parteien (...), die einerseits gezwungen sind, sich als Mehrheitspartei zu profilieren und Regierungskompetenz zu demonstrieren, andererseits aber eine Oppositionsrolle ausfüllen sollen, bringt dies in eine prekäre Situation.«

Der strukturelle Vorsprung der Regierung für das »Kommunikations-Management« ist aber für die Opposition nicht uneinholbar. Sonst hätte es nie einen Regierungswechsel gegeben. Die Regierungspartei (bzw. der Regierungschef) würde sich einfach als der große Kommunikator etablieren, der die öffentliche Meinung beherrscht — durch Themenbesetzung, Sprachregelung, Ereignissteuerung und informelle Journalistenkontakte. Der Regierungsvorsprung wird nicht nur durch schlichte Fehler der Regierung, sondern auch durch die Unabhängigkeit der Presse konterkariert — darauf werden wir im nächsten Modell zu sprechen kommen (...).

Ein zentrales neues Thema war die »symbolische Politik«, die Inszenierung von politischer (Schein- )Wirklichkeit durch Parteien und Politiker. Es wachse die Tendenz, Politik als public relations (PR) zu vermarkten. Nicht die konkreten Politiken (policies), sondern ihre Aufmachung und Verkaufe bestimmten die Mehrheiten. Dem Bürger würden kommunikative Kunstprodukte durch die Parteien präsentiert. Keiner habe mehr Interesse, die politischen Entscheidungen transparent zu machen, es solle vielmehr die Oberflächenstruktur und der demonstrative Schein des Politischen vermittelt werden. Je komplexer die Politik, desto anfälliger seien die Akteure für Rituale und symbolische Verdichtungen. Symbolische Politik führe zu Personalisierungsstrategien, Gefühlskampagnen und ideologischen Scheinfokussierungen. »Die zentrale These ist, dass die politische Wirklichkeit durch den kommunikativen Schleier symbolischer Politik oft mehr verhüllt als erhellt wird.«

[Seitenanfang]

In der Wahlkampfkommunikation erreicht die symbolische Politik und die damit zusammenhängende professionelle PR-Arbeit der Parteien ihren Höhepunkt (...). Was schon für das Alltagsgeschäft politischer Kommunikation gilt, nimmt im Wahlkampf extreme Züge an: »Personalisierung, Inszenierung, symbolisches Handeln und der Austausch von Verlautbarungen mit Hilfe politischer Rhetorik über die Medien kennzeichnen das politische Marketing.« (...) Insgesamt sind die Ergebnisse der Wahlkampfkommunikationsforschung sehr widersprüchlich: Die einen sehen alle Macht bei den PR-Profis der Parteien, die anderen warnen vor den übermächtigen Medien und politisierenden Journalisten.

(...) Das ist auch ein Grundproblem bei der so plausiblen und populären Unterscheidung zwischen »nur« symbolischer Politik und eigentlich »realer« Politik. Wenn die meisten Bürger Politik fast ausschließlich aus den Medien wahrnehmen, wo bleibt dann die »reale« Politik? Gibt es sie überhaupt? Sind die Grenzen nicht fließend? Wird damit die Fassade zur Realität gemäß dem sogenannten Potemkin-Prinzip: »Nur was gesehen wird, ist real; nur was real ist, ist wirksam.« Ist die symbolische Politik schlecht, weil manipulativ, und die reale gut, weil zum Anfassen? Wurden aber nicht ebenso Ideen und Visionen der Parteien eingeklagt, die doch auch gute Symbole sind? Und ist harte Armut oder krasse Korruption nicht eine sehr schlechte politische Realität? Das führt uns nicht nur zur Streitfrage einer konstruktivistischen Medientheorie, sondern auch zu noch grundsätzlicheren erkenntnistheoretischen und epistemologischen Problemen. Es gibt noch viel mehr Fragen, die das top-down-Modell der zentralen Lenkung von Medien und Öffentlichkeit durch die Politik erschüttern. Werfen wir also einen Blick auf das nächste Modell.

[aus: Ulrich von Alemann, Parteien und Medien, in: O. Gabriel u.a. (Hg.), Parteiendemokratie in Deutschland, Bonn BpB 1997]

[Seitenanfang]

 

horizontal rule

News    II    Produkte    II    Unterrichtsmaterial

Themen: Web 2.0  I  Menschenrechte  I  Vorbilder  I  Update: Demokratie  I  Parteien  I  Europa  I  Globalisierung  I  Vereinte Nationen  I  Nachhaltigkeit

Methoden:    Politikdidaktik    II    Friedenspädagogik    II    Methoden
 

     


Dieses Onlineangebot zur politischen Bildung wurde von agora-wissen entwickelt, der Stuttgarter Gesellschaft für Wissensvermittlung über neue Medien und politische Bildung (GbR). Bei Fragen oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an uns. Trägerorganisation des Bildungsprogramms D@dalos ist der Verein Pharos Stuttgart/Sarajevo.