Hat die Fairness eine Chance?
Sind Sie fair? Oder bluffen Sie gern? Gehört Fairness in Lebensbereiche, in
denen gekämpft wird, wie Politik oder Wirtschaft? Bezeichnet Fairness eine
bestimmte Form des Umgangs mit dem Gegner? Haben Sie Gegner? Achten Sie sie als
Partner? Hat das Prinzip Fairness überhaupt eine Chance, sich in unserer
Gesellschaft, in der taktische Vorteilnahme und Verletzung der Normen zum
Vorsatz gehören, durchzusetzen?
Was ist Fairness? Das englische Wort reicht von Inhalten wie schön, geziemend,
höflich, aufrichtig, direkt, ehrlich, ruhig und gemessen bis sanft,
gleichberechtigt und unparteilich. Wer fair ist, beachtet die geschriebenen und
ungeschriebenen Gesetze, hält sich an die Prinzipien des Anstandes, des Taktes,
der Gepflogenheiten. Wo Fairness herrscht, sind Zivilcourage und
Gewaltlosigkeit, Aufrichtigkeit und Liebe zur Gerechtigkeit nicht fern. Es
erfordert Toleranz und Ausgeglichenheit, einen Gegner fair zu behandeln.
Aber auch die Fairness selbst hat Gegner: die List und die Finte, den Trick und
den Betrug. Wo mit harten Bandagen gekämpft wird, wo nur zählt, die Nummer eins
zu sein, ist die Verführung groß, fünfe gerade sein zu lassen, die Spielregeln
schon mal zu verletzen und zum eigenen Vorteil auszunutzen. Gewinnsucht und
Erfolgsdruck lassen dem Geist der Fairness keinen Raum. Fairplay wird zum Luxus,
Fairness zur Utopie.
Fairness meint anständiges Verhalten im täglichen Leben, doch der Begriff wurde
mehr und mehr auf den Bereich des Spiels eingeengt. Zahlreich sind die
Fair-play-Kampagnen des Sports. (...). "Fairness", definiert das Lexikon der
Ethik im Sport, "zeigt sich im Rahmen sportlicher Wettkampfhandlungen im Bemühen
der Sportler, die Regeln konsequent und bewusst auch unter erschwerten
Bedingungen einzuhalten."
Fair geht vor. Geht fair vor? Der englische Schriftsteller George Orwell schrieb
schon 1948: "Ernsthafter Sport hat nichts mit Fairplay zu tun. Er ist verknüpft
mit Hass, Neid, Angebertum und der Missachtung aller Regeln." Der Beweis lässt
sich leicht führen. Da ist der Bundesligaspieler, der am Tor vorbeizielt, doch
der Schiedsrichter erkennt auf Treffer. Es wäre leicht, den Irrtum aufzuklären.
Was der Kicker unterlässt. Da ist der Bundestrainer, der seinen Verteidiger mit
den Worten anstachelt: "Deinen Gegner will ich heute Abend nicht beim Bankett
sehen." Eine kaum verhohlene Aufforderung, ihn umzuknüppeln. Da ist der
Weltklassemann, der den Ball regelwidrig mit der Hand ins Tor bugsiert und
später auch noch prahlt, die Hand Gottes sei mit im Spiel gewesen. Da sind auf
so vielen Feldern des Sports die Versuche, den Körper mit Medikamenten
vollzustopfen und sich so einen unerlaubten Nutzen zu verschaffen.
Unfairness hat vor allem diesen Namen: Doping. Die widersinnige Wortschöpfung
vom fairen Foul gehört zur Alltagssprache des Fußballs. Und eine Vokabel wie
Killerinstinkt ist verräterisch genug. Sie zerstört den Witz des Spiels und
macht den Gegner zum Feind.
Was aber tun? Vor Jahren schon haben der Philosoph Hans Lenk und der
Sportsoziologe Gunter A. Pilz darauf hingewiesen, dass eine Erziehung zum
Fairnessgedanken unverzichtbar, förderungswürdig, ja dringlich geboten ist in
einer Gesellschaft, die vielfach zu einer rüden Erfolgsgesellschaft zu verkommen
droht. Und sie ermutigt dazu, mehr Gelassenheit und Lockerheit zu lernen und auf
diese Weise automatisch faires Verhalten einzuüben. (...) So ließe sich der böse
Satz widerlegen: "Der erste Mythos über sportliche Fairness besteht in der
Behauptung, es gäbe sie." Im Sport wie im sonstigen Leben.
Was ist fair? Der Maler Vincent van Gogh hat es so gesagt: "Man müsste sich ein
bisschen Sonne suchen, ohne einen anderen in den Schatten zu drängen."
[Hans-Albrecht Pflasterer, in: Olympisches
Feuer 6/2000, S. 30-31]
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