Planspiel
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Methoden

Aktivierende Methoden des Politikunterrichts

Unterscheidung: Planspiel und Rollenspiel

Rollen- und Planspiel

Nach einer gängigen Typologie zählen Rollenspiele ebenso wie Planspiele zur Gruppe der Simulationsspiele, was bereits auf ein wesentliches Merkmal der Methoden hinweist: Realität wird im Unterricht oder Seminar simuliert. Dabei wird die Komplexität der Realität reduziert, gleichzeitig muss das Modell aber repräsentativ bleiben, also im Kern mit der Realität übereinstimmen. Dieses grundlegende Spannungsverhältnis eignet allen Simulationsspielen.

Während es beim Planspiel in der Regel darum geht, eine Institution oder eine bestimmte Position zu einem politischen Problem zu vertreten (eher abstrakt), schlüpfen die Teilnehmer eines Rollenspiels in die Rolle eines bestimmten Menschen (eher konkret). Natürlich sind beide Methoden eng verwandt und überschneiden sich, weswegen sie hier gemeinsam vorgestellt werden.
 






Planspiel ist voraussetzungs-
reicher

Man kann das Planspiel auch als eine besondere Unterform des Rollenspiels auffassen: Demnach sind Planspiele "komplex gemachte Rollenspiele mit klaren Interessengegensätzen und hohem Entscheidungsdruck".

[aus: Hilbert Meyer, Unterrichtsmethoden II: Praxisband, Frankfurt/Main 1987, S. 366]

Während also ein Rollenspiel alles mögliche simulieren kann (eine Talkshow, Konflikt in der Klasse etc.), sind Planspiele voraussetzungsreicher: Man benötigt ein umstrittenes politisches Problem, mehrere Akteure mit unterschiedlichen Interessen und vor allem eine Entscheidungssituation, die mit dem Planspiel simuliert werden kann (Konferenz, Gemeinderatssitzung, UN-Generalversammlung etc.). Der Konflikt ist im Spiel zu lösen, so dass man von einem Probehandeln mit Ernstcharakter sprechen kann.

 

Ziel des Planspiels

"Ziel von Planspielen ist es, die komplexe politische und/oder gesellschaftliche Wirklichkeit, schwer zugängliche Zusammenhänge und Prozesse überschaubar und damit transparent zu machen".

[aus: Peter Massing, Planspiele und Entscheidungsspiele; in: Methodentraining für den Politikunterricht. Themen und Materialien, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004, S. 165]

Planspiele werden in der Regel nicht am Anfang, sondern gegen Ende einer Unterrichtseinheit eingesetzt, wenn bereits fundierte Informationen über ein Thema vorhanden sind. Der Ablauf von Rollenspielen und Planspielen stellt sich ähnlich dar und umfasst in der Regel folgende Phasen:
 

Ablauf eines Planspiels



4 Phasen

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Phase 1: Vermittlung der Ausgangslage

Um die im Planspiel dargestellte Konfliktsituation bearbeitbar zu machen, werden zunächst allgemeine Informationen über die Ausgangslage des Konflikts gegeben. Der Konflikt wird geschildert und die zum Konflikt gehörigen Gruppen werden in ihren spezifischen Positionen, Funktionen und ihren Rollen grob skizziert.
 

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Phase 2: Einarbeiten in die Rollen

Hier geht es darum, sich mit der im Konflikt vertretenen Rolle vertraut zu machen. Was ist die Ausgangslage, welche Funktion und Position wird eingenommen, welche Kompetenzen sind vorhanden und was ist die Aufgabe in dem spezifischen Konflikt. Dann geht es um die Identifikation mit der eigenen Rolle, um die Entwicklung eines Standpunktes und schließlich darum, Strategien für das Vorgehen zu entwickeln (Verbündete, Maßnahmen etc.).
 

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Phase 3: Durchführung des Spiels

Das ist das Herzstück des Planspiels. Hier treffen die verschiedenen Gruppen und Interessen aufeinander, setzen sich über den Konflikt auseinander und fällen die Entscheidung zur Konfliktlösung. Je nach Design des Spiels gibt es vor der simulierten Entscheidungssitzung eine Phase, in der die Gruppen interagieren, Koalitionen schmieden etc., um so die Entscheidung im Vorfeld optimal im jeweiligen Sinne zu beeinflussen.
 

bulletPhase 4: Auswertung

Das Spiel wird zunächst im Hinblick auf die unmittelbaren Erlebnisse, Erfahrungen und Erkenntnisse ausgewertet. Die inhaltliche Auswertung bildet einen entscheidenden Aspekt der Methode. Je nach Thematik kann und sollte dann die Übertragbarkeit auf die Realität diskutiert werden.
 





Materialien für ein Planspiel

Der Erfolg eines Planspiels steht und fällt mit der Qualität der Spielmaterialien. Zur Durchführung eines Planspiels benötigt man mindestens folgende Unterlagen:
 
bulletFallstudie: Hierbei handelt es sich um eine kurze, verständlich geschriebene und übersichtliche Einführung in die Problematik, die gleichzeitig auch in einer ersten Übersicht die wichtigsten Akteure und ihre Interessen benennt und beschreibt.
 
bulletArbeitskarte: Sie gibt allgemeine Hinweise zum Spielverlauf und enthält die Planungs- und Entscheidungsfragen, die im Spielverlauf zu verhandeln sind. Auch sie sollte kurz und verständlich gehalten werden.
 
bulletRollenkarten: Während alle Teilnehmer des Planspiels dieselbe Fallstudie und Arbeitskarte erhalten, sind die Rollenkarten natürlich für jede Gruppe verschieden. Hier wird die Rolle beschrieben, die die Gruppe übernehmen soll. Außerdem kann sie Hinweise auf mögliche Aktivitäten enthalten, mit deren Hilfe der entsprechende Akteur seine Interessen im Verlauf des Planspiels verfolgen könnte. Sie kann auch noch Zusatzinformationen oder Denkanstösse zu diesen Vorgaben umfassen.
 
bulletInformationsmaterialien: Als viertes Element sind häufig ergänzende Materialien erforderlich, die notwendige Hintergrundinformationen enthalten, um dem Planspiel auf der sachlich-inhaltlichen Ebene eine ausreichende Grundlage zu geben. Dabei kann es sich um ganz unterschiedliche Quellen handeln: Ausschnitte aus Primärquellen, wie Verwaltungs- oder Gesetzesvorschriften; echte oder für das Planspiel erstellte Briefe von Behörden; Grafiken und Karikaturen; echte oder gestellte Leserbriefe und Zeitungsberichte; Ausschnitte aus Lexika, echte Stellungnahmen von Regierung, Interessengruppen etc. Diese Unterlagen stehen allen Gruppen zur Verfügung. In den Rollenkarten können einzelne Gruppen gezielt auf für sie wichtige und interessante Hintergrundmaterialien hingewiesen werden.

Neben diesen Spielunterlagen kann es sinnvoll sein, Ereigniskarten bereitzuhalten, mit deren Hilfe die Spielleitung während des Spiels Einfluss auf den Ablauf nehmen kann. Ein weiteres, häufig vorhandenes Element sind Arbeitsformulare, eine technische Hilfe für die Interaktionsphase. Das können zum Beispiel Protokollbögen für Besprechungen sein, auf denen die Gruppen Verhandlungsergebnisse festhalten können etc.
 

Einsatz-
möglichkeiten

"Handeln im Planspiel heißt vor allem Analyse von Problemen, Abwägen von Alternativen, Entwicklung von Strategien und Taktiken sowie Treffen von Entscheidungen zur Realisierung der aufgestellten Ziele. Planspiele sind daher im Allgemeinen dort einsetzbar, wo formale politische Prozesse sowie Systemmechanismen deutlich gemacht, wo Abhängigkeiten einzelner und Gruppen von vorgegebenen Strukturen und Systemen veranschaulicht und Einsichten in Interessenlagen, Machtstrukturen und Entscheidungszwänge verdeutlicht werden sollen. Planspiele sind daher immer problem- und nicht wissensorientiert."

[aus: Peter Massing, Planspiele und Entscheidungsspiele; in: Methodentraining für den Politikunterricht. Themen und Materialien, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004, S. 165-166]
 

Vorteile des Planspiels

Wenn man selbst etwas tut, ist der Lernerfolg besonders nachhaltig. Diese Erkenntnis spricht für handlungsorientierte Methoden wie das Planspiel. Außerdem lässt sich häufig eine höhere Lernmotivation beobachten. Schülerinnen oder Seminarteilnehmer machen im Planspiel Erfahrungen, die sonst nicht gemacht werden könnten. Sie üben im Verlauf des Planspiels eine Fülle von Schlüsselqualifikationen ein, die ihre Demokratiekompetenz wesentlich erweitern (Konflikte austragen, Interessen erkennen, Probleme definieren, Ziele formulieren, Entscheidungen treffen, Verhandeln, Diskutieren, Analysieren, Recherchieren etc.).
 

Nachteile bzw. Gefahren

Diesen Vorzügen stehen eine Reihe von Gefahren gegenüber, die sich mit dem Einsatz von Planspielen verbinden: "So besteht immer die Tendenz, dass das Planspiel unkritisch auf die Wirklichkeit übertragen und so ein falsches Bild der politischen Realität vermittelt wird, in die eine Reihe von Faktoren einfließen, die im Spiel unberücksichtigt bleiben müssen."

[aus: Peter Massing, Planspiele und Entscheidungsspiele; in: Methodentraining für den Politikunterricht. Themen und Materialien, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004, S. 166]


Planspiele können unter- und überkomplex sein. Im ersten Fall wird die Realität nicht angemessen widergespiegelt, im zweiten Fall scheitert der Einsatz am zu hohen Aufwand. Planspiele stellen ohne Zweifel hohe Anforderungen (inhaltlich, methodisch, sozial) an Lehrende und Lernende, häufig trauen Lehrende ihren Schülern den Einsatz einer solch voraussetzungsreichen Methode deshalb nicht zu.

Das kann zu einem Teufelskreis führen, der unbedingt durchbrochen werden muss: "Schülerinnen und Schüler haben keine Methoden-, Sozial- und Gesprächskompetenz, deshalb schrecken Lehrerinnen und Lehrer davor zurück, entsprechende Methoden einzusetzen; mit der fatalen Folge, dass die Schülerinnen und Schüler sie auch nicht erwerben können. Dieser Kreislauf ist nur durch den Einsatz von handlungsorientierten Methoden zu durchbrechen."

[aus: Peter Massing, Planspiele und Entscheidungsspiele; in: Methodentraining für den Politikunterricht. Themen und Materialien, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004, S. 168]

Außerdem ist natürlich in Rechnung zu stellen, dass Planspiele sich nur schwierig in den organisatorischen Alltag einbinden lassen (Zeitaufwand, mehrere Räume, lebhaftes Treiben etc.). Viele Erfahrungen sprechen jedoch dafür, dass sich der - zugegebenermaßen große - Aufwand lohnt. "Die TeilnehmerInnen erleben in der Auseinandersetzung mit anderen Spielgruppen, wie soziale und politische Interaktionen ablaufen können, welche Informationen sie für ihr Handeln benötigen und welche Gegebenheiten und Strukturen Lösungen fördern oder behindern. (...) Planspiele fördern ganzheitliches Lernen und selbstbestimmtes Handeln. Sie wollen zu kreativen Problemlösungen, Konfliktlösungsstrategien oder Entscheidungsalternativen Impulse geben."

[aus: Günther Gugel, Praxis politischer Bildungsarbeit. Methoden und Arbeitshilfen, Institut für Friedenspädagogik Tübingen, 4. Auflage 1996, S. 245, 247]

[Autoren: Ragnar Müller/Prof. Dr. Wolfgang Schumann]

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