Frauen in Schwarz
In Kriegen, Bürgerkriegen und Diktaturen sind
Frauen die besonders Leidtragenden. Seit dem 20. Jahrhundert fordern Kriege mehr
und mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung, unter Frauen und Kindern. Frauen
sind für die Versorgung und den Familienzusammenhalt unter Kriegsbedingungen
verantwortlich, als Schwestern, Töchter, Ehefrauen und vor allem als Mütter
müssen sie den Verlust von in den Krieg gezogenen Angehörigen verkraften.
Durch diese besondere Situation sind
Frauengruppen und -organisationen, die während bewaffneter Auseinandersetzungen
für Frieden eintreten, von besonderer Bedeutung. Sie scheuen auch schwerste
Bedingungen nicht, um ihren Ruf nach Frieden und Verständigung laut werden zu
lassen. Dadurch besitzen sie Signalwirkung für andere Frauen, sich aktiv
einzusetzen, und sind meist das Rückgrat der Friedensbewegung in
konfliktreichen Regionen. Die "Frauen in Schwarz" sind eine solche
Frauenorganisation.
Das Jahr 1991 markiert mit den
Unabhängigkeitserklärungen von Slowenien und Kroatien den Beginn der Spaltung
Jugoslawiens und der darauffolgenden blutigen Kriege. Im Juni 1991 intervenierte
die Bundesarmee in Slowenien. Im Juli begann der Krieg zwischen Kroaten und
Serben in Kroatien.
["Frauen in Schwarz" in Israel] |
Die Belgrader
Gruppe der "Frauen in Schwarz" gründete sich nach dem Vorbild
der gleichnamigen Organisation in Israel, die seit 1988 Mahnwachen zur
Beendigung des Konflikts zwischen Palästinensern und Israeli abhält.
Fünf Jahre lang protestierten die "Frauen in Schwarz" gegen die
Kriegspolitik des serbischen Regimes. Ihr Protest richtete sich aber nicht
nur an die Regierung im eigenen Land. Gleichermaßen verurteilten sie 1999
die NATO-Bombardements und forderten sofortige Rückkehr zu Verhandlungen
(siehe unten).
Die Frauen bildeten zusätzlich eine Anlaufstelle für Deserteure,
Kriegsdienstverweigerer und deren Angehörigen, sie halfen Flüchtlingen
und Kriegsopfern.
"Frauen in Schwarz" sind eine
autonome Frauengruppe, in der Frauen aller Generationen,
Religionen,Nationalitäten und Weltanschauungen willkommen sind.
Gleichzeitig treten sie für Emanzipation und Frauenrechte ein.
Frauenbewegung und Friedensbewegung sind miteinander verbunden, da der
Kampf gegen Nationalismus und Krieg auch ein Kampf gegen die propagierten
Geschlechtsrollen ist. Dem Männlichkeitsideal der Nationalisten stellen
sie konsequenten Pazifismus entgegen:
"Hört mal, Jungs, das ist doch
überholt, dermaßen veraltet, heutzutage den bewaffneten Kampf
propagieren zu wollen. [...] Ihr, die Ihr so jung seid, hängt einer
antiquierten Idee an, deren Prinzip selbst überholt ist. Ich, eine Frau
mit Erfahrung im bewaffneten Kampf, wähle heute die Gewaltlosigkeit.
Gewaltlosigkeit ist keine Feigheit. Sie ist einfach der heutigen Zeit am
besten angepasst. Daran solltet Ihr Euch mit aller Entschiedenheit
halten."
[Neda Bozinovic, 84, ehemal.
Partisanin und Widerstandskämpferin, heute bei "Frauen in
Schwarz"]
Seit 1998 reisen die "Frauen in
Schwarz" mit einer Friedensschule durch viele Städte der Region. Sie
veranstalten Workshops zu den Themen Gewaltfreiheit, Frauen- und Menschenrechte,
Frauen und Politik, Interkulturelle Solidarität und anderes mehr. Jährlich
wird ein internationales Sommercamp des Frauensolidaritätsnetzwerks gegen den
Krieg organisiert. Darüber hinaus veröffentlichen "Frauen in Schwarz"
zahlreiche Schriften, wie z.B. ein vierteljährlich erscheinender Bulletin zum
Thema Frauen und Pazifismus mit einer Auflage von 7000 Exemplaren. Sie halten
engen Kontakt zu anderen "Frauen in Schwarz"-Gruppen wie auch zu
pazifistischen und Frauenorganisationen im In- und Ausland. Damit ist die
Initiative "Frauen in Schwarz" nicht nur ein wichtiger Teil der
Friedensbewegung auf dem Balkan, sondern auch des Frauen-Friedensnetzwerkes in
der ganzen Welt. |
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http://wib.matriz.net/index.html
Weitere wichtige Friedensorganisationen
von Frauen:
"Soldatenmütter",
Russland - "Organisation der Mütter Srebrenicas", BiH
- "Bat Shalom", Israel |
[Autorin: Dorette Wesemann,
Redaktion: Ragnar Müller]
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Aufruf der "Frauen
in Schwarz gegen Krieg" an die Regierungen der NATO-Mitgliedstaaten
Die Werte, die wir unterstützen, heißen Leben, Solidarität, Respektierung
von Unterschieden. Schon seit acht Jahren entwickeln wir ein Netzwerk des
Austausches und der Solidarität gegen Krieg, an dem Frauen von allen
Kontinenten beteiligt sind, darunter natürlich auch Frauen aus NATO-Ländern.
Als Frauenorganisation, die sich immer gegen Militarismus gewandt hat - das
heißt, gegen alle Formen militärischer Intervention -, wenden wir uns jetzt
gegen die militärische Intervention der NATO gegen die Bundesrepublik
Jugoslawien. Bis heute hatten wir immer Unterstützung und Solidarität von
Frauen- und Friedensbewegungen aus Europa und den USA. Unglücklicherweise haben
die Regierungen dieser Länder die Arbeit der Friedensbewegung in ihren Ländern
nicht beachtet, gar nicht zu reden von der Aktivität der Friedensbewegung in
der Bundesrepublik Jugoslawien. Wir, die Frauen in Schwarz gegen Krieg aus
Belgrad, fordern von den Regierungen der NATO-Mitglieder:
- die Bombardierungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien sofort zu
beenden
- Friedensverhandlungen einzuleiten und eine internationale Friedenskonferenz
zum Balkan einzuberufen
- den Flüchtlingen, der vertriebenen und heimatlosen Bevölkerung aus dem
Kosovo, sofern sie es wünschen, die Rückkehr zu ermöglichen oder die
Weiterreise in dritte Länder.
Wir fordern von Frauen in Schwarz und von allen Frauenfriedensorganisationen,
diesen Aufruf an ihre Regierungen zu richten. Menschenrechte und Demokratie
können nicht durch Bomben und Waffen aufgezwungen werden, sondern können nur
durch Verhandlungen und die Unterstützung aller Kräfte, die beharrlich für
Menschenrechte und Demokratie eintreten, initiiert werden.
Frauen in Schwarz gegen Krieg, Belgrad, 20. April 1999
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