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Nachhaltigkeit




Probleme auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung:

Globalisierung und The Tragedy of the Commons

Globalisierung bedeutet - zumindest bislang - im wesentlichen die tendenziell weltweite Ausbreitung von Kapitalismus und Freihandel. Die Weltwirtschaft hat die Grenzen der Nationalstaaten und deren politischer Regulierungsmacht hinter sich gelassen. Dadurch ist ein grundlegendes Missverhältnis zwischen politischen und wirtschaftlichen Räumen entstanden. Die Politik hinkt der Wirtschaft hinterher ...

(... mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie im Rahmen des Themenkomplexes Globalisierung).

Umweltschutz als Standortrisiko

Was bedeutet das für den Weg in Richtung Nachhaltigkeit? Wenn immer mehr Staaten und Regionen dem Markt als (wichtigstem) Steuerungsinstrument vertrauen, droht die Gefahr, dass im Wettbewerb der Standorte Umweltschutz zu einem Standortproblem wird, weil entsprechende Auflagen die Produktion verteuern. Eine Region oder ein Land mit einem hohen Umweltschutzniveau würde dann von Investoren gemieden. Daraus folgt, dass der Markt alleine nicht in der Lage ist, eine Wende hin zur Nachhaltigkeit einzuleiten, Umweltschutz steht sogar in einem grundlegenden Spannungsverhältnis zur freien Marktwirtschaft.



[Adam Smith, 1723-1790]

Defizite der "unsichtbaren Hand"

Adam Smith hat im 18. Jahrhundert die Grundgedanken der freien Marktwirtschaft formuliert und damit die Disziplin der Nationalökonomie begründet. Sein Hauptwerk "An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations" (1776) bildet bis heute einen zentralen Referenzpunkt der Debatte. Neben anderen interessanten Gedanken formuliert er dort die Hypothese von der "unsichtbaren Hand":

Der Mensch verfolgt als Nutzenmaximierer seine individuellen Ziele und werde dabei "von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat". Dieser Zweck ist das Gemeinwohl. Das heißt, dass das egoistische Gewinnstreben jedes Marktteilnehmers in der Summe zur Steigerung des Wohlstands aller führt. Das ist bis heute der (legitimierende) Grundgedanke der freien Marktwirtschaft.

Leider ist diese "unsichtbare Hand" nicht allmächtig, wie die umfängliche Diskussion um die Probleme des Marktversagens zeigt. So sorgt die "unsichtbare Hand" - was den hier in Frage stehenden Zusammenhang betrifft - beispielsweise nicht dafür, dass nachhaltig gewirtschaftet wird. Auch hierfür gibt es eine klassische Argumentationsfigur, The Tragedy of the Commons.

The Tragedy of the Commons (Die Tragödie des Gemeindelandes)

"Die kollektive Nutzung freier Güter wie Weide oder Wald garantierte im Mittelalter für die unterbäuerliche Bevölkerung als Ergänzung zur eigentlichen Landwirtschaft die Existenzsicherung, aber nur so lange, wie diese freien Güter nicht im Übermaß, z.B. durch Überweidung, genutzt wurden und so am Ende für niemand mehr eine Existenzgrundlage boten. Das theoretische Argument, explizit gegen die Annahme gerichtet, dass die 'unsichtbare Hand' das beste Regulativ zur Nutzung freier Güter bilde, lautet folgendermaßen:

Der Grund für die Überweidung des Gemeindelandes liegt darin, dass jeder Hirte seine Herde immer weiter zu vergrößern sucht, um sein Einkommen zu steigern. Er tut dies auch über den Punkt hinaus, an dem die Überweidung einsetzt, da ja der Ertrag aus einem zusätzlichen Stück Vieh nur ihm zugute kommt, die ertragsmindernden Folgen der Überweidung sich aber auf alle Hirten verteilen.

Er verhält sich also zunächst durchaus rational, da der eigene Einkommenszuwachs lediglich durch einen Bruchteil des kollektiven Einkommensrückgangs geschmälert wird. Also wird er aus dieser Logik heraus seine Herde immer noch um ein weiteres Stück Vieh zu vermehren suchen. Da aber alle Hirten sich gleichermaßen verhalten, besteht am Ende die Tragödie darin, dass die Summe des individuell rationalen Verhaltens den Ruin aller bedeutet. Die unsichtbare Hand führt in diesem Fall, anders als Adam Smith unterstellt, nicht zum Wohlstand, sondern zum 'Elend der Nationen'."

[aus: Ulrich Menzel, Die postwestfälische Konstellation, das Elend der Nationen und das Kreuz von Globalisierung und Fragmentierung; in: ders. (Hg.), Vom Ewigen Frieden und vom Wohlstand der Nationen, Frankfurt/Main 2000, S. 170]

Einhegung des Gemeindelandes als Lösung?

Diese klassische Argumentationsfigur lässt sich ohne weiteres auf die heute "übernutzten" freien Güter wie Luft oder Wasser übertragen, die damals gewählte Lösung allerdings nicht. Das Gemeindeland wurde eingehegt, jeder Hirte erhielt einen umzäunten Abschnitt des ehemals freien Gutes. Da er die Folgen der Überweidung nun gänzlich selbst zu tragen gehabt hätte, lag es in seinem Eigeninteresse, bei der Größe der Herde auf eine nachhaltige Nutzung seines Weidelandes zu achten.

Es versteht sich von selbst, dass man die heute gefährdeten freien Güter - wie etwa die Erdatmosphäre - nicht einhegen kann. Zusätzliche Probleme bereitet die Tatsache, dass es sich vielfach um globale freie Güter handelt. Um den globalen Problemen beizukommen, bedarf es Lösungen auf globaler Ebene. Wie eingangs erwähnt, wurde aber die Politik im Globalisierungsprozess abgehängt. Politik wird immer noch im wesentlichen auf der Ebene der Nationalstaaten gemacht.

"Notwendig ist die Bereitstellung internationaler öffnetlicher Güter, also von Weltgeld, von globaler Rechtssicherheit, einer weltweiten Regulierung der Finanzmärkte, einer Weltsozialordnung, einer Weltmigrationsordnung, einer Weltkommunikationsordnung, einer Weltumweltordnung etc. Dieses lässt sich aber nicht vereinbaren mit den Grundprinzipien des westfälischen Staatensystems, das ja gerade auf territorialer Abgrenzung, auf Behauptung von Souveränität, auf dem Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten beruht.

Der Kern des Problems besteht also im Auseinanderfallen der Ebenen. Die Märkte, die Medien, die Werbung, die Umweltproblematik, selbst die sozialen Räume haben sich globalisiert, während die staatlichen Regelungskapazitäten ... wenig oder gar nicht diesen Prozess mitvollzogen haben."

[aus: Ulrich Menzel, Die postwestfälische Konstellation, das Elend der Nationen und das Kreuz von Globalisierung und Fragmentierung; in: ders. (Hg.), Vom Ewigen Frieden und vom Wohlstand der Nationen, Frankfurt/Main 2000, S. 172]

[Autor: Ragnar Müller]

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