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Die scheinbar einfache Frage "Was ist Demokratie?" lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Einen ersten Eindruck verschaffen Definitionen (siehe Lexikon). Das liegt zum einen daran, dass man bereits auf einer sehr grundlegenden Ebene zwei Herangehensweisen unterscheiden kann, nämlich Identitäts- und Konkurrenztheorie der Demokratie (siehe Theorie). Zum anderen haben sich im Lauf der Geschichte verschiedene Demokratietypen herausgebildet, um die es in diesem Abschnitt gehen soll. Auf einer weiteren Seite wird der Versuch unternommen, demokratische Systeme von totalitären und autoritären abzugrenzen (Abgrenzung). Neben den folgenden Texten steht das Glossar zur Verfügung, in dem die wichtigsten Typen kurz erläutert werden. Zwei Schaubilder veranschaulichen die Einteilung der verschiedenen Typen:
In Repräsentativdemokratien wie dem parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystem übt das Volk die Herrschaft nicht direkt aus, sondern es überträgt sie auf Organe, die im Namen des Volkes die Regierungsgeschäfte wahrnehmen. Großbritannien gilt als das Ursprungsland des parlamentarischen Regierungssystems, dem häufigsten Typus der konstitutionellen Systeme. Die meisten westeuropäischen Staaten gehören ebenfalls einer solchen politischen Ordnungsform an, während die Vereinigten Staaten von Amerika dem Modell eines Präsidialsystems entsprechen. Stellt man das präsidentielle und das parlamentarische Regierungssystem einander gegenüber, so ergeben sich folgende formale Unterschiede:
[Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] "Mischformen" Es gibt jedoch eine Anzahl von westlichen Demokratien, die unter diese beiden Regierungssysteme nur schwer unterzuordnen sind. Zwei weitere Typen sind deshalb nötig:
[Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Trotz der Unterschiede dieser verschiedenen Systeme, die im wesentlichen die Beziehungen zwischen Parlament und Regierung betreffen, haben die Parlamente mit einer Ausnahme ähnliche Funktionen, nämlich:
[Emil Hübner; entnommen aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Parlamentarische Demokratie 1, Informationen zur politischen Bildung Nr. 227, 1993] [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht]
Demokratische politische Ordnungen der Gegenwart Zu unterscheiden sind (...) die repräsentative (parlamentarische und präsidiale) Demokratie, und solche demokratischen Ordnungen, die einzelne Elemente der repräsentativen und der direkten Demokratie miteinander verbinden. Repräsentative Demokratie Die Bundesrepublik Deutschland ist wie Großbritannien eine repräsentative parlamentarische Demokratie. Ihre Verfassung enthält (...) keinerlei plebiszitäre Elemente (...). Präsidialdemokratie: USA Als Beispiel einer Präsidialdemokratie sollen die USA dienen. Ihr Kennzeichen ist die strikte Trennung von Parlament und Regierung. Der Präsident als Chef der Exekutive geht aus einem Wahlgang hervor, der mit den Parlamentswahlen nichts zu tun hat. Gleichzeitige Zugehörigkeit zu Regierung und Parlament ist nicht möglich. So wie das Parlament keine Möglichkeit hat, dem Präsidenten das Misstrauen auszusprechen und ihn zu stürzen, hat umgekehrt der Präsident kein Auflösungsrecht. Nur über eine Präsidentenanklage im Falle von Rechtsverletzungen wäre es möglich; ihn vorzeitig aus dem Amt zu entfernen. Das ist in der Geschichte der Vereinigten Staaten erst einmal im 19. Jahrhundert geschehen. Richard Nixon trat 1978 vor Erhebung einer solchen Anklage zurück. Die strikte Trennung zwischen Parlament und Regierung führt dazu, dass der Präsident nicht auf eine ständige Mehrheit rechnen kann. Um Gesetzesvorhaben durchzubringen; bedarf es wechselnder Mehrheiten, die durch Einflussnahme und Verhandlungen zusammengebracht werden müssen. Kompromissbereitschaft und Fähigkeit zum Ausgleich auf beiden Seiten sind die Voraussetzung für das Funktionieren dieses Systems (...). [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Formen direkter Demokratie: Schweiz Als Beispiel für eine direkte Demokratie wird häufig die Schweiz genannt. Bei näherer Betrachtung ist diese Behauptung nicht haltbar, wenn auch die direkte Demokratie besonders in Form von kantonalen Volksabstimmungen eine große Rolle spielt. Die Verfassung der Schweizer Eidgenossenschaft von 1848 (revidiert 1874) kennt als oberstes Organ die Bundesversammlung, die aus dem Nationalrat (Unterhaus) und dem Ständerat (Vertretung der Kantone) besteht. Der Bundesrat — die Regierung — wird auf vier Jahre von der Bundesversammlung gewählt und hat ihr gegenüber eine nicht sehr starke Stellung. Die schweizerische Verfassung weist dem Parlament eindeutig die wichtigste Rolle zu. In der Verfassungswirklichkeit hat sich die Regierung, genauso wie in anderen Demokratien, zur bedeutendsten der drei Gewalten entwickelt. Da der Bundesrat die Bundesversammlung nicht auflösen, und diese den Bundesrat nicht stürzen kann, ergibt sich in der Verfassungswirklichkeit eine starke Stellung des Bundesrates, dessen Mitglieder über lange Zeit hinweg im Amte bleiben. Die Kontrolle sowohl über das Parlament als auch über die Regierung wird von den Wahlberechtigten ausgeübt. Aktivbürger stimmen in Volksentscheiden nicht nur über Verfassungsänderungen ab, sondern haben auch das Recht, verschiedene Gesetze durch Volksentscheid aufzuheben und durch Volksbegehren die gesetzliche Regelung bestimmter Fragen zu verlangen. Wenngleich die repräsentativen Elemente in der schweizerischen Verfassung stark sind, so sind die plebiszitären Elemente kaum schwächer (...). [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Ganz im Gegensatz zu den Erfahrungen der Weimarer Republik haben sich die Elemente der direkten Demokratie in der Schweiz bewährt. Sie haben nicht zur Revolution oder zum Chaos geführt, sondern eher einen bewahrenden Charakter gehabt. Die Auffassung, dass in der Demokratie die Staatsgewalt vom Volke ausgehe — das Volk als "pouvoir constituant" — ist in der Schweiz am stärksten verwirklicht. Die Wahlbevölkerung besitzt die meisten direkten politischen Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten von allen Demokratien, aber zur Funktion des Regierungssystems sind Repräsentativorgane unerlässlich (...). Der historische Rückblick und die Betrachtung der verschiedenen demokratischen Ordnungen der Gegenwart lehren, dass "Demokratie" zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern durchaus unterschiedlich verstanden und praktiziert wird. Wichtig ist die Erkenntnis, dass Demokratie weder als Idee noch als staatlich verfasste Ordnung statisch ist, sondern Veränderungen unterliegt. [Hans-Helmuth Knütter, entnommen aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Demokratie, Informationen zur politischen Bildung Nr. 165, Neudruck 1992]
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