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Rede
bei der Verleihung des Friedensnobelpreises (Auszüge)
[10.12.1979
Oslo, Norwegen]
[Die gesamte
Rede im englischen Original finden Sie auf der Seite Nobel
Prize] |
Lasst uns alle zusammen Gott danken für die
wundervolle Gelegenheit, gemeinsam die Freude ausdrücken zu können, dass wir
Frieden verbreiten, die Freude, dass wir einander lieben und dass wir Ihn
lieben, dass die Ärmsten der Armen unsere Brüder und Schwestern sind.
Wir haben uns hier versammelt, um Gott für dieses Geschenk des Friedens zu
danken. Ich habe Ihnen allen das Friedensgebet gegeben, das Franz von Assisi vor
vielen Jahren betete, und ich überlege, ob er nicht die gleiche Notwendigkeit,
um den Frieden zu beten, fühlte, wie wir sie jetzt empfinden.
So beten Sie mit mir:
"Mach uns würdig, Herr, unseren Mitmenschen in der ganzen Welt zu dienen,
die in Armut und Hunger leben und sterben. Gib Ihnen durch unsere Hände heute
ihr tägliches Brot, durch unsere verstehende Liebe Frieden und Freude. Herr,
mach mich zu einem Boten Deines Friedens, dass ich dort, wo Hass ist, Liebe
bringe; wo Unrecht herrscht, den Geist des Verzeihens; wo Uneinigkeit ist,
Einigkeit; wo Verzweiflung ist, Hoffnung; wo Schatten sind, Licht; wo
Traurigkeit ist, Freude. Herr, gewähre, dass ich suche, eher zu trösten als
getröstet zu werden; zu verstehen als verstanden zu werden; zu lieben als
geliebt zu werden; denn durch Selbstvergessen findet man; durch Verzeihen
erlangt man Verzeihung; durch Sterben erwacht man zum ewigen Leben. Amen."
Gott liebte die Welt so sehr, dass er ihr seinen Sohn schenkte; er gab ihn einer
Jungfrau, der seligen Jungfrau Maria, und sie ging - in dem Augenblick, in dem
er in ihr Leben kam - in Eile, um ihn andern zu bringen. Und was machte sie
dort? Sie verrichtete die Arbeit der Dienerin. Sie diente. Sie verbreitete die
Freude, andere zu lieben. Und Jesus Christus liebt dich und mich, und er gab
sein Leben für uns. Und als ob das für ihn noch nicht genug war, sagte er
immer wieder: "Liebt, wie ich Euch geliebt habe, wie ich Euch jetzt
liebe." Und wie müssen wir lieben? Lieben, indem wir geben, denn er gab
uns seinen Sohn. Er gab sein Leben für uns, und er fährt fort zu geben; er
gibt hier, überall, in unserem eigenen Leben und im Leben anderer.
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Es war für ihn nicht genug, für uns zu sterben, er wollte, dass wir einander
lieben, dass wir ihn im andern sehen.
Und um sicher zu sein, dass wir verstehen, was wir brauchen, sagte er, in der
Stunde des Todes werden wir danach gerichtet werden, was wir für die Armen, die
Hungrigen, Nackten, Heimatlosen gewesen sind. Er machte sich selbst zum
Hungrigen, Nackten, Heimatlosen, hungrig nicht nur nach Brot, sondern nach
Liebe, nackt nicht nur ohne ein Stück Stoff, sondern nackt ohne menschliche
Würde; heimatlos nicht nur, weil er kein Heim hat, sondern heimatlos, weil er
vergessen ist, ungeliebt, nicht umsorgt, für niemanden liebenswert. Und er
sagte: "Was Ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt Ihr mir
getan."
Es ist so wundervoll für uns, durch diese Liebe heilig zu werden. Heiligkeit
ist nämlich nicht ein Luxus für wenige, sondern eine einfache Pflicht für
jeden von uns. Und durch diese Liebe, durch diese Liebe zueinander erreichen wir
sie.
Heute, da ich diesen großen Preis erhalte - ich persönlich bin äußerst
unwürdig - bin ich glücklich wegen unserer Armen, glücklich, dass ich die
Armen verstehen kann, genau gesagt die Armut unserer Leute. Ich bin dankbar und
sehr glücklich, ihn im Namen der Hungrigen, der Nackten, der Heimatlosen, der
Krüppel, der Blinden, der Leprakranken zu erhalten. Im Namen all derer, die
sich unerwünscht, ungeliebt, nicht umsorgt fühlen, die aus unserer
Gesellschaft ausgestoßen sind. Ich nehme den Preis in ihrem Namen an und bin
sicher, dieser Preis wird eine neue verstehende Liebe zwischen den Reichen und
den Armen bringen. Hierauf bestand Jesus, darum kam er auf die Welt, diese frohe
Botschaft den Armen zu bringen.
Vor einigen Wochen kamen einige Arme zusammen. Wir wollten den Armen die frohe
Botschaft verkünden: "Gott liebt uns, wir lieben ihn, sie sind jemand für
uns, auch sie sind durch die gleiche liebende Hand Gottes erschaffen, um zu
lieben und geliebt zu werden."
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Unsere Armen sind großartige Leute, sie sind liebenswerte Menschen. Sie
brauchen nicht unser Mitleid und unsere Sympathie, sie brauchen unsere
verstehende Liebe. Sie brauchen unseren Respekt, sie wollen, dass wir sie mit
Liebe und Achtung behandeln. Und ich fühle, dass es die größte Armut ist,
dass wir dies erfahren, dass wir es erst verstehen lernen müssen, wie der Tod
unserer Leute ist.
Ich vergesse es nie, wie ich einst einen Mann von der Straße auflas. Er war mit
Maden bedeckt. Sein Gesicht war die einzige Stelle, die sauber war. Ich brachte
den Mann ins Heim für Sterbende und er sagte nur einen Satz: "Ich habe wie
ein Tier auf der Straße gelebt, aber nun werde ich wie ein Engel sterben,
geliebt und umsorgt." Und er starb wunderschön. Er ging heim zu Gott. Der
Tod ist nichts anderes als ein Heimgang zu Gott. Ich spürte, er erfreute sich
an dieser Liebe, dass er erwünscht war, geliebt, dass er für jemanden jemand
war.
Ich habe eine Überzeugung, die ich Ihnen allen mitteilen möchte: Der größte
Zerstörer des Friedens ist heute der Schrei des unschuldigen, ungeborenen
Kindes. Wenn eine Mutter ihr eigenes Kind in ihrem eigenen Schoß ermorden kann,
was für ein schlimmeres Verbrechen gibt es dann noch, als wenn wir uns
gegenseitig umbringen? Sogar in der Heiligen Schrift steht: "Selbst wenn
die Mutter ihr Kind vergessen könnte, ich vergesse es nicht." Aber heute
werden Millionen ungeborener Kinder getötet, und wir sagen nichts. In den
Zeitungen lesen wir dieses und jenes, aber niemand spricht von den Millionen von
Kleinen, die empfangen wurden mit der gleichen Liebe wie Sie und ich, mit dem
Leben Gottes. Und wir sagen nichts, wir sind stumm.
Für mich sind die Nationen, die Abtreibung legalisiert haben, die ärmsten
Länder. Sie fürchten die Kleinen, sie fürchten das ungeborene Kind. Und das
Kind muss sterben, weil sie dies eine Kind nicht mehr haben wollen - nicht ein
Kind mehr - und das Kind muss sterben.
Und ich bitte Sie hier im Namen der Kleinen: Rettet das ungeborene Kind, erkennt
die Gegenwart Jesu in ihm!
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Als Maria Elisabeth besuchte, hüpfte das Kind vor Freude im Schoß der Mutter
in dem Augenblick, als Maria ins Haus kam. Das Ungeborene brachte Freude. Daher
versprechen wir hier, jedes ungeborene Kind zu retten. Gebt jedem Kind die
Gelegenheit, zu lieben und geliebt zu werden. Wir bekämpfen Abtreibung mit
Adoption. Mit Gottes Gnade werden wir es schaffen. Gott segnete unsere Arbeit.
Wir haben Tausende von Kindern gerettet, sie haben ein Heim gefunden, in dem sie
geliebt werden, wo sie erwünscht sind, wohin sie Freude gebracht haben.
Deshalb fordere ich Sie heute auf, Majestäten, Exzellenzen, meine Damen und
Herren, Sie alle, die aus vielen Ländern der Erde gekommen sind: Beten Sie,
dass wir den Mut haben mögen, das ungeborene Leben zu schützen. Hier in
Norwegen haben wir nun die Gelegenheit, dafür einzutreten.
Gott segnete Sie mit Wohlstand, aber in vielen Familien hier haben wir
vielleicht jemanden, der nicht hungrig ist nach einem Stück Brot, der sich
jedoch vergessen oder ungeliebt fühlt, der Liebe braucht. Liebe beginnt zu
Hause, dort zuerst.
Ich vergesse nie ein kleines Kind, einen Hindujungen von vier Jahren. Er hatte
irgendwie gehört: "Mutter Teresa hat keinen Zucker für ihre Kinder."
Er ging nach Hause zu seinen Eltern und sagte: "Ich will drei Tage lang
keinen Zucker essen, ich schenke ihn Mutter Teresa." Nach drei Tagen
mussten seine Eltern ihn zu mir bringen, und er schenkte mir ein kleines
Gläschen Zucker. Wie sehr liebte das kleine Kind! Es liebte, bis es weh tat.
Vergessen Sie nicht, dass es viele Kinder, viele Frauen, viele Männer auf
dieser Welt gibt, die das nicht haben, was Sie haben, und denken Sie daran, dass
Sie auch jene lieben, bis es weh tut.
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Vor einiger Zeit las ich ein Kind von der Straße auf, in dessen Gesicht ich
sehen konnte, dass es hungrig war. Ich weiß nicht, wie viele Tage es nichts zu
essen hatte. Ich gab ihm ein Stück Brot, und das Kleine aß Krume um Krume. Ich
sagte dem Kind: "Nun iss doch das Brot!" Da sah das Kind mich groß an
und sagte: "Ich habe Angst, das Brot zu essen, ich fürchte, wenn es zu
Ende ist, werde ich wieder hungrig sein!"
Die Größe der Armen ist eine Realität. Eines Tages kam ein Herr zu mir und
sagte: "Dort lebt eine Hindufamilie mit acht Kindern, die schon lange Zeit
hungern." Ich nahm Reis und brachte ihn dort hin. Ihre Augen glänzten vor
Hunger. Während ich noch dort war, teilte die Mutter den Reis und ging mit
einer Hälfte hinaus. Als sie zurückkam, fragte ich sie, was sie getan habe.
Sie antwortete: "Sie sind auch hungrig." Sie wusste, dass ihre
Nachbarn, eine Moslemfamilie, auch hungrig waren. Was mich am meisten erstaunte,
war nicht, dass sie den Nachbarn etwas mitgab, sondern dass sie in ihrem Leiden,
in ihrem Hunger wusste, dass noch jemand hungrig war. Sie hatte den Mut zu
teilen und die Liebe zu teilen.
Dies ist es, was ich von Ihnen wünsche: Lieben Sie die Armen, und wenden Sie
ihnen nicht den Rücken zu, denn wenn Sie den Armen den Rücken zuwenden, so
wenden Sie ihn Christus zu. Er hat sich selbst zum Hungrigen gemacht, zum
Nackten, zum Heimatlosen, so dass Sie und ich Gelegenheit haben, ihn zu lieben.
Wo ist Gott? Wie können wir ihn lieben? Es genügt nicht, zu sagen: "Mein
Gott, ich liebe Dich!" Wir lieben Gott in dieser Welt, indem wir etwas
aufgeben, etwas weggeben. Natürlich kann ich den Zucker selbst essen, ich kann
ihn aber auch weggeben. Ich kann den Erwachsenen geben, ich kann den Kindern
geben. Wenn wir den ganzen Tag gäben, das ganze Leben lang, so würden wir
überrascht sein an jenem schönen Tag, an dem die Menschen teilen und sich
darüber freuen.
So bete ich für Sie, dass Sie das Gebet in Ihre Familien bringen. Die Frucht
des Gebetes wird sein, dass wir glauben, dass wir es für Christus tun. Wenn wir
wirklich glauben, werden wir anfangen zu lieben, und wir werden dann natürlich
einander lieben, zuerst in unserem eigenen Heim, dann unseren nächsten
Nachbarn, dann die Menschen in dem Land, in dem wir leben. Lassen Sie uns alle
in das Gebet einstimmen: "Gott, gib uns den Mut, jedes ungeborene Kind zu
schützen." Denn das Kind ist das größte Geschenk Gottes für die
Familie, für ein Volk und für die Welt.
Gott segne Sie!
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