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Parteien in der Kritik (I)
Die Zahl der Parteieintritte [in der BRD] ist in den siebziger Jahren stark angestiegen und bewegt sich bei längerfristiger Betrachtung nach wie vor auf hohem Niveau. Die meisten Mitglieder ziehen keinerlei Vorteile aus ihrer Mitgliedschaft. Viele opfern ihre Zeit, manchmal auch ihre Arbeitskraft und Geld, um die von ihnen als richtig erkannten politischen Ziele durchzusetzen. In nicht wenigen Fällen geschieht der Parteieintritt jedoch aus Berechnung. In einem Staat wie der Bundesrepublik Deutschland vergeben die mächtigen Parteien nun einmal viele Positionen an ihre Mitglieder. Dabei besteht immer die Gefahr, dass öffentliche Einrichtungen Stellen nicht vorrangig nach Fähigkeiten, sondern nach dem "richtigen" Parteibuch vergeben (Ämterpatronage ). Pointiert urteilt der Freiburger Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis: "Dass man als qualifizierter Pädagoge sein Avancement zum Schuldirektor fördert, wenn man ein Parteibuch in der Tasche hat, finde ich eigentlich nicht viel würdiger als eine Qualifikation durch Reserveoffizierswürden und Mensurschläge. Eine freie Gesellschaft beruht nicht zuletzt auf ihren Trennungen, Abzäunungen, Unterscheidungen. Der demokratische Parteienstaat läuft Gefahr, dass er als Allianz und System von Karrieren sich in das Bewusstsein seiner Bürger einprägt. Die demokratischen Parteien, unentbehrliche Vehikel des Willens der Bürger, werden davon auf die Dauer den geringsten Nutzen haben." Ämterpatronage und politisches "Pfründenwesen" können für die Parteiendemokratie von Nachteil sein. Nimmt man den Artikel 33, Abs. 2 des Grundgesetzes ernst, der bestimmt, jeder Deutsche habe nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte, so sollten die Parteien (auch in ihrem eigenen Interesse) nicht die Augen vor offenkundigen Missständen verschließen. Es gibt auch selbstkritische Stimmen, die die mit Antiparteiengesinnung keineswegs identische Parteienverdrossenheit nicht leichtfertig abtun und bereit sind zuzugeben, dass die Protektion von Parteimitgliedern überhandgenommen hat. Dies darf natürlich umgekehrt nicht heißen, dass ein Parteimitglied, das sich für ein öffentliches Amt bewirbt, von vornherein als "Postenjäger" abgetan wird. Insbesondere "politische Beamte" (zum Beispiel Staatssekretäre und andere hohe Ministerialbeamte) gehören notwendigerweise politischen Parteien an, da sich ihre politischen Anschauungen aufgrund des Einflusses, den sie ausüben, weitgehend mit denen der Regierung decken müssen. Deshalb können sie auch jederzeit in den Wartestand geschickt werden. [Uwe Backes/Eckhard Jesse, aus: Informationen zur politischen Bildung 207, Parteiendemokratie, Bonn BpB 1997]
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