Bälle aus
Pakistan
Anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2004 in Portugal und der
Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland rücken die fair gehandelten Bälle
wieder in den Blick des öffentlichen Interesses. Unter dem bewährten Motto
„Fair Pay – Fair Play” werden die Weltläden und Aktionsgruppen auch in der
Zeit zwischen der EM 2004 und der WM 2006 viele Aktionen starten. Denn die
fairen Bälle sind ideal, um auf die Chancen des Fairen Handels aufmerksam zu
machen.
Zwar haben sich die großen Markenhersteller mit der Unterzeichnung des
sogenannten Atlanta Agreements verpflichtet, Kinderarbeit beim Nähen von
Fußbällen zu verbieten. Für alle Spielzeug- und Werbebälle gilt die Atlanta-Vereinbarung
jedoch nicht, sondern nur für Bälle, mit denen Sport betrieben wird. Damit
wird eine große Produktgruppe nicht berücksichtigt.
Der Faire Handel bietet neben den Sportbällen auch eine sozial akzeptable
Alternative zu Spiel- und Werbebällen, die immer häufiger aus der
Volksrepublik China kommen, einem Land, in dem die Konventionen der
Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO) nicht anerkannt werden. Zu diesen Konventionen
gehört beispielsweise auch das Verbot von Kinderarbeit.
Fair gehandelte Bälle
Die gepa-Bälle produziert das pakistanische mittelständische Unternehmen
Talon Sports nach den Kriterien des Fairen Handels. Die gepa zahlt einen
Mehrpreis, der im Durchschnitt 1,15 Euro höher liegt als der reguläre Preis
für Exportbälle. Die Erlöse aus dem Mehrpreis verwaltet die Stiftung Talon
Fair Trade Society.
In der Stiftung haben Vertreter von Talon, von einheimischen
Nicht-Regierungsorganisationen, sowie von Näherinnen und Nähern einen Sitz.
Näherinnen und Näher erhalten je nach Qualität der Bälle einen Lohnaufschlag
von 20 bis 60 Prozent. Er ist so kalkuliert, dass zwei Erwachsene bei einem
achtstündigen Arbeitstag unter Fair-Handels-Bedingungen ein angemessenes
Mindesteinkommen erzielen würden.
Auf Bitten der gepa werden die Aufträge zum Nähen der fair gehandelten Bälle
überproportional häufig an Frauen vergeben. Die Stiftung kümmert sich zudem
um vielfältige Programme zugunsten der Näherinnen und Näher. Mit Mitteln der
Stiftung richtete Talon beispielsweise in zwei seiner Nähzentren, in denen
auch Frauen arbeiten, Vorschulen ein. So müssen sich die Arbeiterinnen nicht
um die Betreuung ihrer Kinder sorgen, darüber hinaus können sich die Kinder
auf die Schule vorbereiten und ihre Erfolgschancen erhöhen.
Die Stiftung vergibt auch Kredite für Existenzgründer (z.B. für den Aufbau
von Gemischtwarenläden). 280 Beschäftige haben seit 1998 Kredite aufgenommen
und auch zurückgezahlt. Von großer Bedeutung ist nicht zuletzt das
Gesundheitszentrum, das von den Beschäftigten und ihren Familienangehörigen
intensiv genutzt wird. Zu den Leistungen gehören kostenlose Behandlung im
Zentrum, kostenlose Medikamente und Kostenübernahme bei Überweisung in
andere Krankenhäuser.
(Erfolgs-) Geschichte der fairen Bälle
Die Fußballkampagne begann 1998. Seitdem hat die gepa etwa 239.000 Bälle bei
Talon bezogen. Mehr als 91.000 Bälle davon gingen an europäische Faire
Handelsorganisationen und andere Kooperationspartner (z.B. „Brot für die
Welt”).
Auch wenn schon viel mit dem Mehrpreis aufgebaut werden konnte, ist der
Anteil fair gehandelter Bälle an der Produktion Talons mit einem Prozent
immer noch sehr gering. Je höher der Absatz der Bälle, umso mehr kann für
die Näherinnen und Näher vor Ort erreicht werden.
Um ein vielfältiges Sortiment zu bieten, hat die gepa deshalb auch Bälle mit
dem IMS-Siegel (International Matchball Standards) und dem FIFA-Siegel im
Programm. Beide Bälle sind so hochwertig, dass sie die Voraussetzungen für
nationale und internationale Fußballspiele erfüllen.
[Barbara Schimmelpfennig / Brigitte
Frommeyer, gepa Fair
Handelshaus] |
Fairer Handel
bedeutet:
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Dialog über
Entwicklungsziele |
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Partnerschaftsvereinbarungen bei gemeinsamen Projekten |
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Zahlung fairer
Preise, die Produktions- und Lebenshaltungskosten decken, darüber hinaus
noch Spielraum für Entwicklungsaufgaben lassen |
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Vorfinanzierung
auf Anfrage |
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Langfristige
Handelsbeziehungen |
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Beratung bei der
Produktentwicklung und der Exportabwicklung |
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Förderung von
biologischer Landwirtschaft |
Mehr
Informationen:
http://www.fairtradefederation.com/
Und ohne Fair
Trade?
„Im Schneidersitz kauern pakistanische Frauen und Männer in kahlen
Räumen auf dem Boden und nähen mühsam von Hand ein rundes Leder nach
dem anderen – rund um den Globus wird mit Millionen von billigen, weil
zu minimalen Gehältern produzierten Fußbällen aus dem asiatischen Land
gekickt.
In chinesischen und nicaraguanischen Fabriken stellen junge Frauen
Trikots und Sportschuhe für einen Stundenlohn von 20 Cent her,
manchmal dauert die tägliche Arbeit zehn, zwölf oder noch mehr Stunden.
In einer indonesischen Firma für Sportartikel werden Beschäftigte
massiv unter Druck gesetzt, die sich gewerkschaftlich organisieren
wollen.
Die Chefs eines Unternehmens in Honduras schreiben den Arbeitern genau
vor, wie viele Minuten ein Toilettenbesuch dauern darf. In einem
salvadorianischen Betrieb wird alles auf die Spitze getrieben: Nicht
nur, dass es eine Näherin auch mit vielen Überstunden lediglich auf
180 Euro im Monat bringt – nein, die Beschäftigten werden am
Arbeitsplatz sogar mit Überwachungskameras kontrolliert, selbst vor
und in den Toiletten wird gefilmt.
Szenen dieser Art sind in Fußballstadien und Leichtathletikarenen
gemeinhin unbekannt. Und doch gehört das zusammen: Fußbälle,
Sprintschuhe und Trikots stammen oft aus Entwicklungsstaaten mit
miserablen Produktionsbedingungen.“
[Karl-Otto Sander, in: Das
Parlament 52/2003, S. 14] |
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