Hexagon
Nach oben Strategien Begriff Genese Forschung Hexagon

 

Friedenspädagogik

Der folgende Textauszug von Michael Zürn stellt mit dem zivilisatorischen Hexagon ein Kernelement des Ansatzes des bedeutenden Friedensforschers Dieter Senghaas vor. Der Aspekt der Zivilisierung spielt auch in dem Krieg-Frieden-Kontinuum eine zentrale Rolle, das im Rahmen dieses Grundkurses immer wieder Verwendung findet:

Was bedeutet Zivilisierung genau? Senghaas hat darauf eine Antwort zu geben versucht. Seine Friedenstheorie, die Frieden als Zivilisierungsprojekt versteht, fasst der folgende Textauszug zusammen:

"In diesem konfigurativen Denken wird erfolgreiches Regieren im Sinne der Erreichung bzw. der Annäherung an grundlegende und gesellschaftlich anerkannte Wertvorstellungen und das friedliche Zusammenleben der Menschen eins. Die Ziele des Regierens (...) sind gleichzeitig die Bedingungen des Friedens. Die verschiedenen Staatszwecke und Ziele des Regierens werden mittels des „zivilisatorischen Hexagons“, das nach innen eine gute Ordnung markiert und sich nach außen friedensfähig zeigt, zur Senghaasschen Friedenstheorie zusammengeführt. (...)

Das System organisierter Friedlosigkeit kann nur im Zuge eines Zivilisierungsprojektes überwunden werden. Dabei erschließen sich die entscheidenden Dimensionen des Zivilisierungsprojektes Frieden durch eine Betrachtung derjenigen Bedingungen, die in modernen Industriegesellschaften westlichen Typs inneren Frieden ermöglichen. Das Ziel (...), einen breiten Friedensbegriff zu entwickeln, ohne aber in die begrifflichen und gedanklichen Fallen zu geraten, die mit dem Begriffspaar „negativer Frieden“ (= Abwesenheit von Krieg) und „positiver Frieden“ (= Abwesenheit von struktureller Gewalt) mitgeliefert worden sind, führt bei Senghaas zum zivilisatorischen Hexagon. In dieser Perspektive herrscht Frieden dann vor, wenn eine Konstellation von sich gegenseitig stützenden Bedingungen vorhanden ist (...).

Die sechs Eckpunkte eines solchen zivilisatorischen Hexagons können wie folgt beschrieben werden:

1) Wesentlich für das Zivilisierungsprojekt sind die Entprivatisierung von Gewalt und die Herausbildung eines legitimen Gewaltmonopols. Ohne die „Entwaffnung der Bürger“ könne es keinen (...) dauerhaften Frieden geben.

2) Die Kontrolle des Gewaltmonopols und die Herausbildung von Rechtsstaatlichkeit sind wiederum Voraussetzung dafür, dass das öffentliche Gewaltmonopol nicht despotisch missbraucht wird.

3) Durch wachsende Interdependenzen und durch die Entprivatisierung von Gewalt bildet sich eine zunehmende Affektkontrolle im gegenseitigen Umgang miteinander heraus, die von Norbert Elias als „Prozess der Zivilisation“ eindrucksvoll beschrieben ist. In der Folge mag dies auch zu „Gefühlsräumen“ führen, die die lokalen Grenzen überschreiten und in einer „nationalen Identität" münden.

4) Damit ist auch die Grundlage für die demokratische Beteiligung bei öffentlichen Entscheidungsfindungen gelegt.

5) Ein weiteres Element ist die soziale Gerechtigkeit. Die materielle Anreicherung von Rechtsstaatlichkeit ist eine konstitutive Bedingung der Lebensfähigkeit von rechtsstaatlichen Ordnungen und damit des inneren Friedens.

6) Schließlich bildet eine konstruktive Konfliktkultur, Bereitschaft zur produktiven Auseinandersetzung mit Konflikten und kompromissorientierte Konfliktfähigkeit, den letzten Eckpunkt des Hexagons.

Frieden als Zivilisierungsprojekt wird somit zum Streben nach einer legitimen und gerechten Ordnung. In diesem Sinne sind gelungene Zivilisierung und Frieden „identische Tatbestände“. Ein so verstandener Frieden ist kein Naturzustand. „Er muss also gestiftet werden.“ Oder anders formuliert: „Wenn man Frieden im Sinne der Zivilisierung von Politik will (...), muss man den Frieden vorbereiten: Si vis pacem, para pacem.“"

[aus: Michael Zürn: Vom Nationalstaat lernen, Das zivilisatorische Hexagon in der Weltinnenpolitik, in: Ulrich Menzel (Hrsg.): Vom Ewigen Frieden und vom Wohlstand der Nationen, Frankfurt am Main 2000, S. 21-25]

[Seitenanfang]

 

horizontal rule

Themen: neu: Web 2.0  I  Menschenrechte  I  Vorbilder  I  Demokratie  I  Parteien  I  Update: Europa  I  Globalisierung  I  Vereinte Nationen  I  Nachhaltigkeit

Methoden:    Politikdidaktik    II    Friedenspädagogik    II    Methoden

     



 

Dieses Onlineangebot zur politischen Bildung wurde von agora-wissen entwickelt, der Stuttgarter Gesellschaft für Wissensvermittlung über neue Medien und politische Bildung (GbR). Bei Fragen oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an uns. Träger des Projekts ist Pharos e.V.