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Vorbilder

Der Hintergrund für Bonhoeffers Wirken: Die nationalsozialistische Diktatur

Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, hatte er sein seit Mitte der zwanziger Jahre verfolgtes Ziel erreicht. Die nationalkonservativen Partner in der Reichsregierung glaubten, ihn mit dem Konzept der "Zähmung" und der "Einrahmung" kontrollieren zu können. Hitler belehrte sie eines Besseren. Er stieg auf zum Diktator und Führer. Die nationalsozialistische Diktatur entfaltete sich und sollte für zwölf lange Jahre die Geschicke Deutschlands und schließlich der Welt bestimmen. Wie war das möglich? Um eine Antwort zu finden, muss der Fragende seinen Blick zunächst auf die Jahre vor der nationalsozialistischen Machtergreifung richten. Das Scheitern der Weimarer Republik ist ein Teil der Geschichte des Nationalsozialismus.

Das Scheitern Weimars

Deutschland hatte den Ersten Weltkrieg verloren. Mit der Niederlage fiel das Deutsche Kaiserreich. Die Revolution 1918/19 gebar die Weimarer Republik, das erste demokratische Staatswesen auf deutschem Boden. Welche Chancen, Gefahren und Grenzen umgaben den jungen Staat, der nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt war?

Die neue demokratische Verfassung garantierte allen Bürgern gleiche Rechte und soziale Sicherheit. Gleichwohl stieß sie von Beginn an auf entschiedenen Widerstand von links und rechts. Die innenpolitische Polarisierung und die Folgen des Krieges belasteten die Republik schwer. Der Versailler Friedensvertrag vom Sommer 1919 wies Deutschland die Alleinschuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu. Umfangreiche Gebietsverluste und die Zahlung von Reparationen waren die Folge. Deutschnationale, Konservative und später auch die Nationalsozialisten nutzten die Annahme des "Friedensdiktates" zur Agitation gegen die Republik. Die Inflation zu Beginn der zwanziger Jahre verunsicherte die Menschen noch tiefer. Der "Deutsche", der nie gelernt hatte, dass Demokratie auch die Fähigkeit zu politischen und sozialen Kompromissen bedeutet, entwickelte kein Verantwortungsbewusstsein für Staat und Verfassung. Er blieb Untertan, nicht mündiger Bürger, bar jeglicher Zivilcourage.

Nach einer kurzen Phase der Stabilisierung Mitte der Zwanziger Jahre zeigte sich die Republik den Herausforderungen der Weltwirtschaftskrise zu Ende des Jahrzehntes nicht gewachsen. Arbeitslosigkeit und soziale Not waren allgegenwärtig. Die ungeliebte Republik wurde an ihrer sozialen Kompetenz gemessen. Die Probleme angesichts der sozialen Herausforderungen gefährdeten die politische Stabilität aufs Äußerste. Die innenpolitische Polarisierung verschärfte sich.

In dieser Krisensituation versagten die demokratischen Parteien. Ein Schulterschluss gegen die Feinde der Republik gelang nicht. Die Nationalsozialisten feierten Wahlerfolge. Bürgerliche und linke Parteien scheuten die politische Verantwortung. Sie erwiesen sich als unfähig zu stabilen Koalitionen. Ohne parlamentarische Mehrheiten, gestützt auf Notverordnungen des Reichspräsidenten, wurde Deutschland seit 1930 von "Präsidialkabinetten" regiert. Bereits vor dem Machtantritt Hitlers war die Grenze zu einem autoritären System überschritten. Das Demokratiedefizit zeigt sich hier in der Unfähigkeit der gewählten Volksvertreter, Verantwortung zu übernehmen und Kompromisse zu schließen.

Die Demokratie scheiterte schließlich in den Köpfen. Zu wenige waren bereit oder fanden den Mut, sich für ihre Institutionen zu engagieren. Die Mehrheit der Deutschen orientierte sich mit ihren politischen Ordnungsvorstellungen an einem autoritären Wertesystem. Rassische und antisemitische Überzeugungen waren weit verbreitet.

Der Nationalsozialismus

Das Wesen der menschenverachtenden nationalsozialistischen Ideologie kann auf die drei zentralen Begriffe Rasse, Raum und Führerprinzip reduziert werden. Die gesellschaftliche Form menschlicher Existenz pervertiert zum Kampf der Rassen gegeneinander. Das Ziel jeder Rasse und ihres sozialdarwinistischen Kampfes ist demnach die Weltherrschaft. Diesen Kampf zu führen, sei die arische Rasse unter deutscher Führung berufen. Als Voraussetzung für einen siegreichen Kampf galt die Verfügungsgewalt über ausreichend Lebensraum. "Weltjudentum" und "Bolschewismus" verschmolzen aus dieser Sicht im "jüdischen Bolschewismus". Diesen Hauptgegner gelte es, in seiner physischen Existenz zu vernichten. Dazu müsse die eigene Rasse – die Volksgemeinschaft - rein gehalten und höher gezüchtet werden. Der Vernichtungsgedanke verkehrt sich nach innen. Politische Gegner und "lebensunwerte" Kranke oder Schwache werden "ausgemerzt". Dieser Vernichtungswille gegen die inneren und äußeren Feinde der Volksgemeinschaft ist die Seele des Nationalsozialismus. An der Spitze der Bewegung steht unbestritten der Führer, Adolf Hitler. Er ist die letzte Instanz. Sein Wille ist allgegenwärtig. Untergeordnete Akteure buhlen um die Gunst des Führers und übertreffen sich gegenseitig im vorauseilenden Gehorsam.

Volksgemeinschaft meint die mythisch überhöhte Gemeinschaft der Deutschen, geboren aus älteren völkischen Gemeinschaftsvorstellungen und der Frontgemeinschaft der Schützengräben des Ersten Weltkrieges. Mit ihrer Hilfe sollten die politischen und sozialen Gegensätze der Weimarer Republik überwunden werden. Leitbild war die idealisierte, solidarische und rassisch fundierte Lebenswelt der alten Germanen. Die organische Gemeinschaftsideologie als Gegenmodell zum mechanischen, zweckrationalen Pluralismus erfüllte eine wichtige Funktion bei der Etablierung der totalitären nationalsozialistischen Herrschaft. Politische und "rassenbiologische" (Juden, Sinti und Roma, Slawen) Feinde sowie "Volksschädlinge" (physisch oder psychisch Kranke – später auch unter den eigenen Soldaten, Arier mit fehlender Bereitschaft zu blinden Gehorsam und mangelnder Opferbereitschaft) wurden aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen, verfolgt und schließlich vernichtet.

Bereits im Sommer 1934 hatte sich die NS-Herrschaft etabliert. Unter dem Anschein verfassungsmäßiger Legalität waren die politischen Gegner ausgeschaltet und alle staatlichen Machtinstrumente unter Kontrolle gebracht worden. Es herrschte ein permanenter Ausnahmezustand. Die verfassungsmäßigen Grundrechte der persönlichen Freiheit (Meinungs-, Vereins- und Versammlungsfreiheit) waren außer Kraft - Demokratie und Pluralismus zerstört. Ziel der nationalsozialistischen Revolution war die totale ideologische Durchdringung von Staat und Gesellschaft bis hinein in die intime Privatsphäre.

Gewalt und Propaganda aber auch außenpolitische "Erfolge" und eine sich erholende Weltwirtschaft sicherten die "nationale Revolution" ab. Hitler wollte den Krieg und bereitete ihn durch Aufrüstung und den Kampf gegen die inneren Feinde der Volksgemeinschaft vor. Zunächst erfolgte ihre Ausschaltung aus dem sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Leben der Volksgemeinschaft, schließlich ihre Vernichtung. Diskriminierung, Trennung, Aussonderung und Ausmerze sollten die Reinheit der eigenen Rasse sichern. Betroffen waren zunächst Kranke, nicht-arische Deutsche, deutsche Juden und politische Gegner. Eheverbote, Zwangssterilisationen, Boykotte, Berufsverbote, Stigmatisierung, schrittweise Einschränkung der bürgerlichen Rechte, Gewalt in der Form von Misshandlungen bis hin zu "Schutzhaft" und Mord in den bereits 1933 errichteten Konzentrationslagern sind Stichworte, die einen Teil der verwendeten Mittel beschreiben. Der nationalsozialistische Antisemitismus fügte zwischen Ausgrenzung und Vernichtung noch die Etappe der Gettoisierung ein. Im Krieg traf der Vernichtungswille die nicht-deutschen Juden, Slawen und "Bolschewisten". Möglich war dies alles, weil die große Mehrheit der Bevölkerung einer Gemeinschaftsideologie folgte, der Toleranz, Pluralismus, Menschlichkeit und Gewaltlosigkeit fremd waren. Die gesellschaftliche Sozialisation brachte nur in wenigen Fällen die nötige Zivilcourage hervor zu widerstehen. Zu widerstehen, wie es Dietrich Bonhoeffer getan hat.

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