Klassenrat
Nach oben Putzdienst Mitarbeit Klassenrat

 

Methoden

Praxisbeispiele

Mitwirken:
Schüler lösen ihre Probleme im Klassenrat

In diesem Abschnitt stellen wir leicht umzusetzende Beispiele für "Demokratie in der Schule" vor. Sie stammen aus dem Bestseller der ehemaligen Schulleiterin der vorbildlichen Helene-Lange-Schule, Enja Riegel, mit dem bezeichnenden Titel "Schule kann gelingen!".

"Demokratie in der Schule" beginnt bei alltäglichen Dingen. So gibt es etwa einen "Putzdienst" an dieser Schule (siehe Seite Putzdienst). Außerdem müssen die Schülerinnen Ämter übernehmen (siehe Seite Mitarbeit). Der Grundgedanke ist, den Schülern Verantwortung - zunächst im Kleinen - zuzumuten.

Diese Verantwortung erstreckt sich aber auch auf weitere und schwierigere Bereiche - und hier handelt es sich um Demokratie-Lernen im engeren Sinn. Ziel ist, dass die Schülerinnen mitplanen, mitentscheiden und ihre Konflikte selbständig lösen. Hierzu wurde - einer Anregung des französischen Pädagogen Célestin Freinet folgend - ein Klassenrat eingerichtet.
 

Wandzeitung und Klassenrat

"An der Helene-Lange-Schule ist der Klassenrat ein festes Ritual am Ende einer Woche. Vorbereitet wird er durch eine Wandzeitung, die jedem Schüler im Laufe der Woche die Möglichkeit bietet, seine Wünsche, positiven Anmerkungen, aber auch Kritik und Konflikte einzutragen. Jeder weiß, dass alles, was in der Wandzeitung steht, im Klassenrat zur Sprache kommen wird. Wenn ein Konflikt von den Schülern nicht vorher beigelegt und die Eintragung gestrichen wurde, wird die ganze Klasse darüber beraten" (S. 64-65).
 

Ein langer Weg ...

Das klappt natürlich nicht auf Anhieb. Es erfordert viel Geduld, bis Schüler (und Lehrer) zur konstruktiven Konfliktlösung fähig sind. "In der fünften Klasse gibt es Kinder, die noch gar nicht sprachmächtig genug sind, um Argumente vorzutragen und anzuhören. Fast alle können weder einer Diskussion leiten noch irgendetwas zusammenfassen. (...) 'Kindern das Wort geben', wie es Freinet formuliert und gefordert hat, erfordert Hilfestellungen bis in die kleinsten Formulierungen hinein" (S. 65-66).
 

Ablauf des Klassenrats

Neben überzeugenden Beispielen gelungener Problemlösungen im Klassenrat schildert Enja Riegel, wie dieser Prozess im Einzelnen aussieht: "Der Schüler, der Klassenratsleiter ist (...), sagt: 'Hiermit eröffne ich den heutigen Klassenrat mit den Themen unserer Wandzeitung.' Der Lehrer sitzt daneben und zeigt auf den ersten Punkt. 'Tobias hat mir dreimal gegen das Schienbein getreten.' Zuerst sagt derjenige etwas dazu, der die Kritik aufgeschrieben hat, dann Tobias, um sich zu rechtfertigen, und dann können Beiträge aus der Klasse kommen.

Spätestens wenn sich die Argumente wiederholen, fragt der Klassenratsleiter, wie nun eine Lösung aussehen könnte. Am Ende beendet er den Klassenrat und hält die Themen fest, die nicht mehr besprochen werden konnten und deshalb erst am nächsten Freitag drankommen werden. Anfangs sind oft einige Schüler enttäuscht oder wütend, weil ihr Thema nicht drankam. Aber nach einiger Zeit lernen alle, mit der knappen Stunde ökonomischer umzugehen.

Manchmal endet ein Klassenrat auch im Chaos oder mit Missstimmung. Aber das gehört dazu. Ohne die mühsamen, ersten kleinen Schritte Richtung Selbständigkeit wird es eine Schule nicht schaffen, dass je ein Mädchen und ein Junge im Wechsel etwa ein Vierteljahr lang den Klassenrat leiten, die Rednerliste führen, das Wort erteilen, die Diskussion strukturieren und auf eine Lösung hinsteuern" (S. 66).
 

Schwierige Rolle des Lehrers

Es ist offensichtlich, dass ein Instrument wie der Klassenrat nicht einfach eingeführt werden kann und dann funktioniert. Viel Geduld und der Mut zum Scheitern in der Anfangsphase sind ebenso erforderlich wie ein behutsames Begleiten dieses Prozesses durch den Lehrer.

"Gerade die ersten Schritte bei diesem Lernen und geduldigen Einüben demokratischer Umgangsformen sind zu wichtig, um übersprungen zu werden. Die Lehrer halten dabei eine schwierige Balance. Einerseits sind sie insbesondere in den ersten Wochen und Monaten (...) mit ihrer Autorität die Garanten der 'guten' Ordnung (...). Andererseits müssen sie darauf achten, dass eine Klasse tatsächlich lernt, ihre internen Probleme und Konflikte selbst zu lösen" (S. 66-67).

 

Abstimmen reicht nicht aus

Häufig beschränkt sich das Praktizieren von "Demokratie" in der Schule darauf, dass gelegentlich über eine Frage abgestimmt wird. Dass dies viel zu kurz greift, dürfte unmittelbar einleuchten und wird von Enja Riegel betont:

"Es ist ein Irrtum, dass Kinder Selbständigkeit und rücksichtsvolles Verhalten dadurch lernen, dass ständig über alles Mögliche abgestimmt wird, auch wenn das demokratisch scheint. Entscheiden bedeutet schließlich immer, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Das schließt bestimmte Grundregeln mit ein, die selbst durch Mehrheitsentscheidungen nicht aufgehoben werden können. Etwa die, dass die Starken die Schwachen unter gar keinen Umständen demütigen oder gar unterdrücken dürfen, oder dass Gewalt an dieser Schule nicht geduldet wird" (S. 67).
 

Klare Regeln

Ziel der Bemühungen an der Helene-Lange-Schule ist, dass die Schüler möglichst selbständig in ihrer Schule leben und lernen. Sie sollen Verantwortung übernehmen. Das bildet die Voraussetzung dafür, dass sie mitentscheiden. Bilanzierend macht Enja Riegel aber auch die Grenzen deutlich:

"Demokratie an einer Schule bedeutet vor allem, das gemeinsame Lernen und Zusammenleben zunehmend selbständig und eigenverantwortlich zu organisieren. Manchmal sind dabei auch Abstimmungen hilfreich, wenn man vorher gelernt hat, ernsthaft miteinander zu reden.

Die Freiheit der Schüler, bestimmte Entscheidungen selbst zu treffen, hat Grenzen, die jeder kennen muss. Schüler, die sich im Ton vergreifen, Wände beschmieren oder ihren Mitschülern wehtun, müssen unmissverständlich erfahren, dass ihr Verhalten unerwünscht ist und dass die Schule über die Einhaltung bestimmter Regeln wachen wird, wenn es eine Klasse nicht alleine schafft" (S. 69).

[alle Zitate aus: Enja Riegel, Schule kann gelingen! Wie unsere Kinder wirklich fürs Leben lernen. Die Helene-Lange-Schule Wiesbaden, Bundeszentrale für politische Bildung Schriftenreihe Band 446, Bonn 2004]

[Autor: Ragnar Müller]

[Seitenanfang]

 

horizontal rule

Themen: neu: Web 2.0  I  Menschenrechte  I  Vorbilder  I  Demokratie  I  Parteien  I  Update: Europa  I  Globalisierung  I  Vereinte Nationen  I  Nachhaltigkeit

Methoden:    Politikdidaktik    II    Friedenspädagogik    II    Methoden

     



 

Dieses Onlineangebot zur politischen Bildung wurde von agora-wissen entwickelt, der Stuttgarter Gesellschaft für Wissensvermittlung über neue Medien und politische Bildung (GbR). Bei Fragen oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an uns. Trägerorganisation des Bildungsprogramms D@dalos ist der Verein Pharos Stuttgart/Sarajevo.