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Praxisbeispiele
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Verantwortung übernehmen:
Schüler gestalten und putzen ihre Schule selber
Dieses Beispiel zeigt, dass "Demokratie in der Schule" bei den
alltäglichsten Dingen beginnt. Es geht darum, dass Schüler wie Lehrerinnen
die Schule zu "ihrer" Schule machen, es geht um eine andere Wahrnehmung weg
von der Lehranstalt, die zu besuchen man verpflichtet ist, die einem aber
als äußerer Raum fremd bleibt.
Die Schulleiterin Enja Riegel, die wesentlich für die erfolgreichen Reformen
verantwortlich ist, die an der Helene-Lange-Schule seit 1982 durchgeführt
wurden, beklagt in ihrem Bestseller "Schule kann gelingen!" die einseitige
Ausrichtung des Schullebens auf Wissen und Lernen und beschreibt den
Ausgangspunkt ihrer Überlegungen folgendermaßen:
"... Schulen werden noch zu mehr gebraucht. Wo sonst können Schüler lernen,
mit anderen Menschen, deren Gesellschaft sie sich nicht ausgesucht haben,
respektvoll umzugehen, gemeinsam zu arbeiten und zusammenzuleben? Wo sonst
wird die Demokratiefähigkeit von Kindern und Jugendlichen geübt?" (S. 61).
Enja Riegel sieht die Schule notwendigerweise auch als "Bürgerschule". Das
bedeutet vor allem das Einüben von Demokratiekompetenz und praktische
Partizipation, es beginnt aber damit, Verantwortung zu übernehmen:
"[In der Schule] muss erfahrbar sein, wie man in einem Gemeinwesen
Verantwortung übernehmen kann, wie man seine Kräfte und Fähigkeiten nicht
nur zum eigenen Nutzen einsetzt, sondern für das Gemeinwohl. Schlimmer als
das durchschnittlich zu geringe Leistungsniveau der Schüler scheint mir,
dass an zu wenigen Schulen den Schülern ernsthafte Verantwortung zugemutet
wird" (S. 61).
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Verantwortung übernehmen ... |
Verantwortung
beginnt im Kleinen, beim Putzen und mit kleinen Ämtern, die die Schülerinnen
im Schulalltag übernehmen (siehe
Seite Mitarbeit), führt dann aber weiter bis zur gemeinsamen,
konstruktiven Konfliktlösung im Klassenrat (siehe
Seite Klassenrat). Enja Riegel kritisiert, dass den Schülern nicht
einmal im Kleinen Verantwortung übertragen wird:
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... selber putzen |
"Das fängt beim
Dreck an. Beseitigt wird er von Putzfrauen, die keiner der Schüler kennt und
die dem Schulträger erhebliche Kosten verursachen, die er bei der
Renovierung oder Lehrmitteln wieder einsparen muss. Warum putzen Schüler
ihre Schule nicht selbst?" (S. 62).
Der Putzdienst an der Helene-Lange-Schule
Der folgende Textauszug deutet an, dass es beim "Putzdienst" um mehr geht
als um Sauberkeit:
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Atmosphäre schaffen |
"Die Klassenräume,
die Schülertreffs, die Flure, die zu den Jahrgangsbereichen gehören - bei
uns hat jeder Jahrgang sein 'Revier', für das die hundert Schüler und ihre
etwa acht Lehrer verantwortlich sind, dafür, dass es dort sauber und 'schön'
ist und dass eine Atmosphäre herrscht, die das Lernen fördert.
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Dazu gehören
Pflanzen, die von den Schülern großgezogen werden - alle fünften Klassen
fahren in den Palmengarten oder in Gärtnereien der Umgebung und besorgen
sich kleine Ableger, die dann in der Schule gepflanzt werden und mit den
Kindern durch die Schulzeit hindurch wachsen. Sie müssen von den Schülern
und Lehrern gepflegt werden, auch in den Ferien.
Zu einer solchen Atmosphäre gehören Plakate und Fotos, die von den Schülern
hergestellt werden, Bilder aus dem Kunstunterricht ebenso wie
Projektberichte aus Mathematik oder Versuchsergebnisse aus dem
Physikunterricht.
Und dazu gehört das Putzen: Tische wischen, Fensterbänke reinigen, Tafel
sauber machen, Staub saugen. Jeden Tag nach Ende des Unterrichts haben über
hundert Schüler ihren wöchentlichen 'Putzdienst', der mal eine Viertelstunde,
manchmal auch eine halbe Stunde dauert.
Die Wirkung auf die Schüler ist überzeugend. Wenn alle wissen, dass heute
mein Nachbar oder ich selbst für Ordnung sorgen muss, achten alle mehr auf
ihre Umgebung. (...) Unsere Schüler sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten
Verantwortung für ihre Umwelt übernehmen, was auch Arbeit bedeutet. Reale
Arbeit, bei der sofort deutlich wird, was es bedeutet, wenn sie nicht
erledigt wird" (S. 62, 63).
[alle Zitate aus: Enja Riegel, Schule kann gelingen! Wie unsere Kinder
wirklich fürs Leben lernen. Die Helene-Lange-Schule Wiesbaden,
Bundeszentrale für politische Bildung Schriftenreihe Band 446, Bonn 2004] |
[Autor: Ragnar Müller]
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