Grundkurs 3

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Schaubild
Kinderrechte
Frauenrechte

Menschenrechte

Welche Menschenrechte gibt es?

In den vorhergehenden Grundkursen haben wir gesehen, wie sich die Idee von den Menschenrechten entwickelt hat und warum die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" formuliert wurde. Wie sehen diese Menschenrechte, von denen wir gesprochen haben, aber nun konkret aus?

Menschenrechte sind angeborene Rechte, die für alle Menschen auf der ganzen Welt gleich sind. Jeder Mensch hat ein Anrecht auf sie nur aufgrund seines "Menschseins", unabhängig von seiner jeweiligen Volkszugehörigkeit, von dem, woran er glaubt und unabhängig von seinem Geschlecht. Die Menschenrechte sind aus diesem Grund auch nicht verwirkbar, das heißt, sie gelten immer und können niemandem wieder genommen werden. Ihre wichtigste Funktion ist, dass sie den Bürger vor Übergriffen des Staates schützen.

Die Menschenrechte umfassen viele unterschiedliche Bereiche des menschlichen Zusammenlebens. Darum ist es sinnvoll, sie in mehrere Gruppen zu unterteilen:

Gruppe 1

Persönlichkeitsrechte

Gruppe 2

politische und zivile Rechte

Gruppe 3

soziale und ökonomische Rechte

Gruppe 4

Rechte der dritten Generation

Diese verschiedenen Gruppen wollen wir uns nun nacheinander ansehen, um einen Überblick über das zu gewinnen, was heute alles zu der besonderen Kategorie der Menschenrechte zählt. Ergänzend wäre es sinnvoll, einen Blick auf die wichtigsten Dokumente zu werfen, die wir auf den Materialseiten zusammengestellt haben, insbesondere natürlich die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte".

Zwei besonders wichtigen Themen, den Kinderrechten und den Frauenrechten, haben wir je einen eigenen Abschnitt gewidmet. Wenn Sie wissen wollen, was Kinderrechte sind, wozu sie dienen und wie sie umgesetzt werden, sollten Sie sich unser Vertiefungsthema Kinderrechte ansehen. Das Vertiefungsthema Frauenrechte beschäftigt sich mit den Inhalten und der Entwicklung der Frauenrechte im Zuge der Frauenbewegung [...zum Vertiefungsthema Frauenrechte]

Im Anschluss an die Erläuterung der vier Gruppen von Menschenrechten wenden wir uns zwei interessanten Fragen zu:

Frage 1: Was ist der Unterschied zwischen Menschen- und Grundrechten?
Frage 2: Hängen Menschenrechte und Demokratie zusammen?

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Zeigefinger Gruppe 1: Persönlichkeitsrechte

Die erste Gruppe bilden die sogenannten Persönlichkeitsrechte. Zu ihnen gehören Rechte, die dafür sorgen sollen, dass der Mensch als solcher vor Übergriffen geschützt wird und in seiner Menschenwürde unangetastet bleibt. Ein Beispiel dafür ist das Recht auf Leben, das die Grundlage für alle anderen Rechte bildet, und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Welche Auswirkungen Persönlichkeitsrechte auf unser Leben haben, können wir zum Beispiel daran sehen, dass es noch in diesem Jahrhundert auch in demokratischen Ländern erlaubt war, jemanden für ein Vergehen körperlich zu bestrafen. Vor wenigen Jahrzehnten war es sogar noch normal, dass ein Lehrer schlechtes Benehmen seiner Schüler mit Schlägen bestraft hat! Die Persönlichkeitsrechte bilden den Kern der Menschenrechte, sie finden wir in allen Menschenrechtsdokumenten und -katalogen.

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Zeigefinger Gruppe 2: politische und zivile Rechte

Neben den Persönlichkeitsrechten bilden die politischen Rechte und die zivilen oder Bürgerrechte eine zweite Gruppe. Sie sollen garantieren, dass jeder Mensch ungehindert am politischen Leben innerhalb seiner Gemeinschaft teilnehmen kann, ohne Angst vor ungerechtfertigter Bestrafung haben zu müssen. Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit spielt hier zum Beispiel eine wichtige Rolle, denn hier spiegeln sich die Einstellungen der Menschen zu ihrer Regierung und ihre Zufriedenheit mit ihr wider. Wenn diese Einstellungen aber nicht mehr unzensiert dargestellt werden können, verliert die Regierung den Anspruch, die Interessen ihrer Bürger demokratisch zu vertreten.

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Zeigefinger Gruppe 3: soziale und ökonomische Rechte

Eine weitere Gruppe bilden die sozialen und ökonomischen Rechte. Sie sollen zum einen sicherstellen, dass jeder Mensch wenigstens mit den grundlegenden Dingen versorgt wird, damit er zumindest sein Überleben sichern kann. Dazu gehört aber auch, dass jeder Mensch ein Recht auf Bildung hat. Wenn wir davon ausgehen, dass zum menschenwürdigen Leben mehr gehört als nicht zu hungern, dann ist es notwendig, für jeden eine Ausgangsbasis zu schaffen, um etwas zu erreichen.

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Zeigefinger Gruppe 4: Rechte der dritten Generation

Die sogenannten Rechte der dritten Generation sind erst vor relativ kurzer Zeit zu den Menschenrechten dazu gekommen. Sie tragen zum einen der Tatsache Rechnung, dass die Menschenrechte keine starre Einrichtung sind, sondern sich entwickeln und verändern, und sie spiegeln zum anderen wider, dass es neue Probleme gibt, die das Recht auf Leben aller Menschen gefährden und die insofern auch Eingang in den Katalog der Menschenrechte finden sollten.

Neben den Entwicklungsrechten, die helfen sollen, die weltweite Kluft zwischen Arm und Reich zu verkleinern, zählen vor allem auch die Umweltrechte zu den Rechten der dritten Generation. Sie haben die Aufgabe sicherzustellen, dass die natürlichen Lebensräume des Menschen nicht zu stark beschädigt oder sogar ganz zerstört werden. Seit dem Weltumweltgipfel von Rio de Janeiro 1992 gewinnen Rechte wie das Menschenrecht auf eine intakte Umwelt – insbesondere auch für die kommenden Generationen – immer mehr an Bedeutung. Wir sehen also, dass die Menschenrechte nicht ein für allemal festgelegt sind, sondern dass sie flexibel genug sind, um auf neue Herausforderungen wie die globalen Umweltprobleme reagieren zu können.

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Allerdings sind die Rechte der beiden letzten Gruppen - oft "Solidarrechte" genannt - nicht unumstritten. Sie unterscheiden sich qualitativ von den Rechten der ersten beiden Gruppen, die immer und überall einzulösen sind, worauf der folgende Text hinweist:

Solidarrechte

"Seit dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime und der Diskreditierung der Ordnungsideen, die sie getragen haben, sind die ideologisch überspitzten Menschenrechtskontroversen zurückgegangen. In den Vordergrund haben sich im weltweiten Zusammenhang zwei Kontroversen geschoben: Die eine betrifft die Frage neuer, kollektiver Kategorien von Menschenrechten, die andere berührt die Problematik einer universellen Verbindlichkeit der Menschenrechtsidee im Angesicht der Vielfalt der Weltkulturen. Im Bereich der ersten Diskussion versuchen Vertreter der südlichen Hemisphäre, aber auch "progressive" Menschenrechtsverfechter des Nordens, sogenannte Solidarrechte in den universellen Menschenrechtsbegriff aufzunehmen. Dazu gehören in erster Linie das Recht auf Frieden, das Recht auf Entwicklung und das Recht auf eine saubere Umwelt. Wenngleich es sich dabei um ehrenwerte und gewichtige politische Ziele handelt, so ist doch umstritten geblieben, ob es sich bei diesen kollektiven Zielen um eine gleichartige Kategorie von Rechtsansprüchen handeln kann wie bei den individuellen politischen Rechten. Die postulierten Solidarrechte sind ausnahmslos Ausdruck kollektiver Zustände und setzen aktives politisches Handeln voraus, wobei ein Scheitern stets eingeschlossen ist. Für die Philosophie der Menschenrechtsidee aber war es stets zentral, dass Menschenrechte moralische und rechtlich einklagbare Rechte eines jeden einzelnen Menschen sein müssen, die zu jeder Zeit in jedem Staat einzulösen beziehungsweise einzuhalten sind."

[Ludger Kühnhardt, Menschenrechte, Minderheitenschutz und der Nationalstaat im KSZE-Prozeß, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 47/1994, 13f.]

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Wir haben festgestellt, dass sich die Menschenrechte wandeln und anpassen. Der Friedensforscher Johan Galtung hat für diesen Prozess eine schöne Metapher gefunden:

Wandel der Menschenrechte

"Vielleicht ist hier eine Metapher hilfreich. Am 10. Dezember 1948 erblickte die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte das Licht der Welt, geboren von der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Das Ergebnis spiegelt treffend die jüdisch-christliche Kultur wider, einschließlich der Tendenz jener Kultur, sich selbst als universell zu betrachten. Fassen wir dies als Haltepunkt bei einer langen, möglicherweise endlosen Busfahrt auf. Es gibt weitere solche Halte. Neue Fahrgäste steigen ein. Es kommt im Bus zu einem Dialog. Vielleicht steigen auch einige Fahrgäste aus. Es gibt mehr solche Halte und neue Erklärungen (Deklarationen), wobei diese jedesmal einen tieferen und breiteren Dialog der Zivilisationen widerspiegeln. Jede Kultur gibt etwas. Jede Kultur ist dankbar dafür, dass andere etwas beizutragen haben. Jede Kultur spürt: 'Wenn Du etwas von mir annimmst, werde ich mich entsprechend verhalten'. Und wie die Reise voranschreitet, erzielen wir alle einen Gewinn aus wahrer Universalität, aus einer Universalität als einem niemals endenden Prozess, der alle Kulturen umfasst."

[Johan Galtung, Menschenrechte — anders gesehen, Frankfurt/Main 1994, 230f]

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Was ist der Unterschied zwischen Menschenrechten und Grundrechten?

Nachdem wir gesehen haben, was alles zu den Menschenrechten zählt, stellt sich natürlich die Frage, was Menschenrechte von Grundrechten unterscheidet. Dieser oft umstrittene Aspekt ist uns auch schon in Grundkurs 2 begegnet, als wir uns die Entwicklung der Menschenrechte angeschaut haben. Dort haben wir gesehen, dass die aus der Philosophie kommenden Menschenrechte seit dem 17. Jahrhundert als Grundrechte Eingang in die staatlichen Verfassungen gefunden haben. Sie wurden gewissermaßen in eine feste Form gegossen und den Staatsbürgern als konkrete Grundrechte garantiert. Der abstrakte Mensch der Philosophen wurde zum konkreten Bürger der Verfassungsgeber. Die Grundrechte hatten die Funktion, die Bürger vor Übergriffen des Staates zu schützen und waren zentraler Bestandteil der vorherrschenden Denkschule des Liberalismus.

Wir können also festhalten, dass sich Grundrechte und Menschenrechte inhaltlich nicht unterscheiden, der Unterschied liegt vielmehr im formalen Bereich. Grundrechte sind Rechte, die ein Staat seinen Bürgern garantiert und die in der Verfassung des jeweiligen Staates stehen. Der Bürger kann sie vor Gericht einklagen. Menschenrechte sind gewissermaßen die Grundidee hinter diesen Grundrechten, in ihnen drückte sich bis Mitte unseres Jahrhunderts ein moralischer Anspruch auf Rechte aus, die jeder staatlichen Ordnung vorgeordnet, also natürliche Rechte sind. Mit der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" durch die Vereinten Nationen versucht man nun – wie bei den Grundrechten auf nationaler Ebene –, die philosophische Idee zu konkretisieren und einklagbare Rechte im Weltmaßstab zu etablieren.

Die drei Stufen der Menschenrechtsentwicklung von der philosophischen Idee über die nationale Umsetzung in Grundrechte bis zum Versuch der globalen Umsetzung durch die Vereinten Nationen wird in Schaubild 1 veranschaulicht. Schaubild 3 macht den Unterschied zwischen Menschenrechten und Grundrechten deutlich.

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Hängen Menschenrechte und Demokratie zusammen?

Wir haben gesehen, dass die Menschenrechte in die modernen demokratischen Verfassungen als elementare Grundrechte aufgenommen wurden. Daran schließt sich die Frage an, ob demokratische Strukturen notwendige Bedingung für die Durchsetzung von Menschenrechten und Menschenwürde sind. Und umgekehrt könnte man fragen: Ist ein demokratischer Staat denkbar ohne deren Verwirklichung? Der folgende Auszug aus einem Buch zum Thema betont den engen und unauflöslichen Zusammenhang von Demokratie und Menschenrechten:

Menschenrechte, Gewaltenteilung und Demokratie

"Die Quintessenz der politischen Aufklärung der Neuzeit ist die Einheit von Menschenrechten, Gewaltenteilung und Demokratie. Die reale Wirksamkeit der Menschenrechte setzt ihre juristische Geltung und diese setzt die Gewaltenteilung voraus. Denn nur wenn der staatliche Machthaber überhaupt an Recht gebunden ist, kann er an Menschenrechte gebunden sein. Er ist aber an Recht nur im System der Gewaltenteilung gebunden, wo die Exekutive weder über das Recht verfügen noch es durchbrechen kann, wo es ihr vielmehr vom Verfassungs- und Gesetzgeber vorgegeben ist und wo unabhängige Richter die Einhaltung des Rechts überwachen.

(...) Die Entwicklung und Weiterentwicklung der Menschenrechte aber wiederum setzt Demokratie voraus, nämlich die Freiheit des Volkes zur Selbstgestaltung seiner Gesetze und zur öffentlichen Kontrolle aller drei Gewalten. So schließt sich der Kreis: Gewaltenteilung und Demokratie nehmen von der Idee der Menschenrechte ihren Ausgang und münden in sie hinein. Die Dreiheit von Menschenrechten, Gewaltenteilung und Demokratie bildet eine rechtlich-institutionelle Einheit. Ihre politische Wirklichkeit ist die Bedingung von Humanität und Gerechtigkeit, von Freiheit und Menschenwürde für jeden. Bricht eines der drei Elemente heraus, so haben auch die beiden anderen keinen Bestand."

[Martin Kriele, Befreiung und politische Aufklärung. Plädoyer für die Würde des Menschen, Freiburg 1980, 42]

[siehe auch Themenkomplex Demokratie: Grundrechte]

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