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Grundkurs 2: Welche
Parteitypen gibt es?
"Typologien erfassen nie die ganze
Vielfalt der Wirklichkeit. Aus einer Fülle von Merkmalen versuchen sie vielmehr
diejenigen hervorzuheben, die das Aufspüren charakteristischer Gemeinsamkeiten
und Unterschiede der Parteien erleichtern. Diese lassen sich nach vielerlei
Maßstäben klassifizieren, von denen die wichtigsten nachfolgend aufgeführt
werden."
[Uwe Backes/Eckhard Jesse; aus: Informationen
zur politischen Bildung 207, Parteiendemokratie, Bonn BpB 1996]
Unterscheidungskriterium |
Parteitypen |
Am häufigsten findet man die Unterscheidung
nach den gesellschaftspolitischen Zielen einer Partei. Eine
Klassifizierung nach der ideologischen Ausrichtung ergibt folgende Parteitypen:
Zu kurzen Erläuterungen zu den Parteitypen
gelangen Sie, wenn Sie auf einen Parteityp in der Übersicht klicken.
Weitere Texte:
Grundlage und Voraussetzung der oben
dargestellten Parteientypologie ist die Existenz eines Parteiensystems mit
mindestens zwei Parteien, die um die Gunst des Wählers konkurrieren, der in
freien Wahlen Herrschaft auf Zeit vergibt. Mit anderen Worten: Die oben
genannten Parteitypen beziehen sich auf liberaldemokratische Systeme, wie sie im
Rahmen dieses Bildungsservers im Themenkomplex Demokratie vorgestellt
werden. Hiervon zu unterscheiden sind sozialistische (Einparteien-)Systeme, die
über einen völlig anderen Parteibegriff verfügen. Die Grundzüge des sozialistischen
Parteibegriffs werden auf einer gesonderten Seite erläutert:
Nimmt man Entstehung und Entwicklung
der Parteien in Europa seit dem 18. Jahrhundert in den Blick, lässt
sich für jede Phase der Entwicklung ein repräsentativer, vorherrschender
Parteityp ermitteln. Wie eine solche Typologie in historischer Perspektive
aussehen könnte, zeigt eine gesonderte Seite im tabellarischen Überblick:
Einen besonders wichtigen
Parteityp stellen die Volksparteien dar.
Während für die einen die "Volkspartei" einen Widerspruch in sich
bedeutet, da eine Partei nie das ganze Volk repräsentieren könne, sehen die
anderen in diesem Parteityp ein wichtiges Zeichen für das Funktionieren einer
modernen Parteiendemokratie, die die gesellschaftliche Polarisierung überwunden
habe.
[Seitenanfang]
Die Parteitypen im
einzelnen:
Unterscheidung nach dem Organisationsgrad:
| Wählerpartei:
Als die Parteien entstanden, besaßen sie zumeist nur sehr wenige
Mitglieder. Angesehene Bürger schlossen sich locker zusammen und übten die
Arbeit häufig ehrenamtlich aus (Honoratiorenpartei). Heutzutage spricht man
eher von Wählerpartei. Damit ist gemeint, dass die Zahl der Wählerinnen
und Wähler im Vergleich zu den Mitgliedern unverhältnismäßig hoch liegt.
Die Bindung an die Partei ist meist nur schwach ausgeprägt. |
| Mitgliederpartei:
Im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien, die häufig aus
Parlamentsfraktionen hervorgingen, verfügten die Arbeiterparteien schon
frühzeitig über einen festen durchorganisierten Parteiapparat und stellten
einen relativ hohen Anteil an Mitgliedern (Massenpartei). Eine
Mitgliederpartei, so der Ausdruck, der sich in der Gegenwart durchgesetzt
hat, weist einen beträchtlichen Organisationsgrad auf. Daher lässt sich
ein erheblicher Teil ihrer Ausgaben durch Mitgliedsbeiträge decken. |
[Seitenanfang]
Unterscheidung nach gesellschaftspolitischen
Zielen:
| Nationalistische
Parteien: Die demokratischen Spielregeln ablehnend, predigen sie
nationalistisches Gedankengut, das sich oft mit einer verschwommenen
Volkstumsideologie und rassistischen Vorstellungen verquickt. Die Ursachen
für das "Unheil der Welt" werden in Liberalismus und Kommunismus
gesehen. |
| Konservative
Parteien: Sie trachten danach, das "Bewährte" zu erhalten
bzw. wiederherzustellen. Aus diesem Grunde stehen sie Neuerungen und
Veränderungen skeptisch gegenüber, betonen aber, dass sich traditionelle
Prinzipien nicht ohne maßvolle Reformen auf Dauer behaupten lassen. |
| Liberale Parteien:
Sie berufen sich auf die Freiheitsrechte des Individuums und betonen die
Unverbrüchlichkeit des Rechtsstaates. Eine Vergesellschaftung der
Produktionsmittel wird abgelehnt. |
| Sozialdemokratische
Parteien: Sie streben eine auf sozialer Gerechtigkeit und annähernder
sozialer Gleichheit der Menschen beruhende politische Ordnung an und
engagieren sich besonders für die wirtschaftlich Schwächeren. |
| Kommunistische
Parteien: Unabhängig von der (möglicherweise abweichenden) Meinung der
Bevölkerungsmehrheit beharren sie auf ihrer führenden Rolle als
"Avantgarde" (Vorhut) des gesellschaftlichen Fortschritts und
propagieren die Diktatur des Proletariats. |
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Unterscheidung nach dem politischen
Einzugsbereich:
| Volkspartei:
Sie versucht, die Interessen und Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen zu
berücksichtigen, grenzt sich daher nicht von bestimmten
Bevölkerungsschichten ab, sondern integriert möglichst viele Bürgerinnen
und Bürger. Das bedeutet freilich nicht, dass eine Volkspartei in der
Mitglieder- und Wählerstruktur keine Schwerpunkte setzt. Weltanschauliche
Gesichtspunkte spielen für das Programm einer Volkspartei nur eine
untergeordnete Rolle [...zum
gesonderten Text über Volksparteien]. |
| Interessenpartei:
Sie fühlt sich den Interessen einer ganz speziellen (zum Beispiel sozialen,
konfessionellen, regionalen) Gruppe verpflichtet und erhebt nicht den
Anspruch, für alle Teile der Bevölkerung gleichermaßen wählbar zu sein.
Die Parteiprogrammatik ist hier vielfach stark ausgeprägt. Eine Spielart
der Interessenpartei stellt auch die Klassenpartei dar. |
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Unterscheidung nach der Stellung zum
politischen System:
| Systemkonforme
Parteien: Sie bejahen das politische System, in dem sie wirken. Sie
legen es darauf an, die politische Ordnung entweder zu stabilisieren oder
durch Reformen schrittweise zu verbessern. |
| Systemfeindliche
Parteien: Sie akzeptieren die Prinzipien des jeweiligen Systems nicht.
Spätestens nach der Machtübernahme beachten sie die Spielregeln nicht
mehr. Entweder sie verbieten die anderen Parteien (wie es die NSDAP 1933
getan hat) oder degradieren sie zu reinen Satelliten (wie es die SED in der
DDR praktizierte). |
[leicht verändert nach: Uwe Backes/Eckhard
Jesse; Informationen zur politischen Bildung 207, Parteiendemokratie, Bonn BpB
1996]
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Unterscheidung nach der Funktion im politischen
System:
| Regierungspartei:
Diese Partei war bei den Wahlen siegreich und stellt bis zu den nächsten
Wahlen die Mitglieder der Regierung. Dabei kann es mehrere
Regierungsparteien geben, die zusammen - als Koalition - die Regierung
stellen. |
| Oppositionspartei:
Diese Partei ist bei den Wahlen unterlegen und stellt die Opposition im
Parlament. Selbstverständlich kann es mehrere Oppositionsparteien geben,
deren Ziel es ist, sich dem Wähler durch das Aufzeigen von Alternativen
für die nächste Wahl zu empfehlen. |
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