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Überblick über die Grundkurs-Sequenzen:
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Grundkurs 1:
Was ist eine Partei?
Bevor wir uns in Grundkurs
2 mit den verschiedenen Pateitypen beschäftigen, uns die Funktionen der
Parteien in modernen Demokratien ansehen (Grundkurs
3) und einen Blick auf verschiedene Parteiensysteme (Grundkurs
4) sowie auf die Probleme der Parteiendemokratie werfen (Grundkurs
5), stellt sich zunächst die Frage: Was ist eigentlich eine Partei? Eine Minimaldefinition
könnte etwa folgendermaßen aussehen:
Eine
Partei ist "eine Gruppe gleichgesinnter Bürger, die sich die
Durchsetzung gemeinsamer politischer Vorstellungen zum Ziel gesetzt
haben".
[Rainer-Olaf Schultze; aus: Pipers
Wörterbuch zur Politik]
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Etwas detaillierter sind die beiden folgenden Definitionen:
"Parteien sind freie Zusammenschlüsse
gleichgesinnter Bürgerinnen und Bürger, die für die Lösung
politischer Probleme programmatische Vorschläge machen und Kandidaten
für Parlamentsmandate und Regierungsämter aufstellen, um nach
erfolgreicher Wahl dort ihr Programm in die Wirklichkeit
umzusetzen."
[Waldemar Besson/Gotthard Jasper,
Das Leitbild der modernen Demokratie, Bonn BpB 1990] |
"Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die
dauernd oder für längere Zeit (...) auf die politische Willensbildung
Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes (...) mitwirken wollen,
wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse,
insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der
Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit
eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung
bieten (...)."
[Deutsches Parteiengesetz von 1967,
§ 2 Abs. 1] |
In diesen Definitionen sind bereits einige
wichtige Kriterien enthalten, die für
Parteien charakteristisch sind. Keine Rolle spielt, ob sich eine Organisation
selbst als "Partei" bezeichnet. Auch die ideologische Ausrichtung bzw.
das Programm entscheidet nicht darüber, ob eine Organisation eine Partei
darstellt oder nicht. Der folgende Text fasst die Kriterien zusammen:
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Was macht
eine Organisation zu einer Partei? |
Kriterien
| Eine Partei hat Einfluss auf die politische
Willensbildung zu nehmen. Sie strebt eine gesamtpolitische Wirkung an. Die
Mitgestaltung der politischen Willensbildung richtet sich sowohl auf einen
längeren Zeitraum als auch auf einen größeren Bereich. Es genügt demnach
nicht, wenn sich eine politische Vereinigung ausschließlich im kommunalen
Sektor betätigt (...). |
| Eine Partei muss den Willen erkennen lassen,
regelmäßig an der politischen Repräsentation des Volkes teilzunehmen.
Damit unterscheidet sie sich etwa von Verbänden, die keine politische
Verantwortung für alle Bereiche tragen, oder von Bürgerinitiativen, die
lediglich punktuell Einfluss nehmen, jedoch keine politischen Ämter
übernehmen wollen. Dies braucht allerdings nicht zu bedeuten, dass die
Partei Mandate in den Parlamenten erringt (...). |
| Wichtig ist eine eigenständige Organisation
sowohl dem Umfang als auch der Dauerhaftigkeit nach. Eine Organisation, die
sich nur zur Wahl bildet, verfügt (...) ebenso wenig über den Parteistatus
wie eine Gruppe, die sich den Organisationsapparat einer anderen Vereinigung
zunutze macht. |
| Eine Partei stellt eine Vereinigung von
Bürgerinnen und Bürgern dar. Das Prinzip der Einzelmitgliedschaft soll die
Unterwanderung einer Partei durch einen Verband verhindern. Die Zahl der
Mitglieder darf eine gewisse Grenze nicht unterschreiten, damit die
Ernsthaftigkeit der Ziele und auch der Erfolgsaussichten erkennbar bleibt. |
| Eine politische Vereinigung, die als Partei
anerkannt sein will, muss in der Öffentlichkeit hervortreten wollen. Wer
das Licht der Öffentlichkeit scheut und im Verborgenen tätig wird,
erfüllt nicht die Voraussetzungen einer politischen Partei. |
[Uwe Backes/Eckhard Jesse; aus: Informationen zur politischen Bildung 207,
Parteiendemokratie, BpB 1996]
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Im Lexikon finden sich zusätzlich einige kurze
Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte von Parteien und zu Parteitypen, mit denen
wir uns im folgenden Grundkurs beschäftigen:
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Lexikondefinition:
"Partei" |
[lateinisch pars, "Teil, Richtung"], allgemein ein Zusammenschluss
von Menschen gleicher oder ähnlicher politischer, sozialer, wirtschaftlicher
und weltanschaulicher Willensrichtung, um sich im staatlichen Leben Einfluss zu
verschaffen. In diesem Sinn gab es Parteien als mehr oder minder lose
Gruppenbildungen schon in den Stadtstaaten des Altertums und im republikanischen
Rom sowie in den politischen und religiösen Bewegungen des 16. und 17.
Jahrhunderts.
Die Entwicklung der modernen Parteien als festgefügte Körperschaften war im
allgemeinen ein Vorgang des 18. und 19. Jahrhunderts, der stark vom Beispiel des
englischen politischen Lebens beeinflusst war, wo sich zuerst Tories und Whigs
im 18. Jahrhundert als relativ feste Parteien herausbildeten, die geschlossen zu
bestimmten politischen Fragen Stellung nahmen und sich in der Staatsführung
ablösten (Zweiparteiensystem). Schärfer umrissene Parteiengruppen bildeten
sich in den amerikanischen Unabhängigkeitskämpfen und in der Französischen
Revolution, dann in den deutschen Verfassungsbewegungen des "Vormärz"
(...).
Ziel einer Partei oder einer Gruppe verwandter Parteien ist es, die Mehrheit im
Parlament zu erhalten (Koalitionsparteien, Mehrheitspartei) und damit den
politisch beherrschenden Einfluss zu gewinnen; ihre Gegner im Parlament sind
dann die im Wahlkampf unterlegenen Oppositionsparteien. Das Wechselspiel der
Parteien ist eine der Grundvoraussetzungen des modernen Verfassungslebens,
besonders des parlamentarischen Systems. Wo eine Partei allein den wahren
Volkswillen zu verkörpern vorgibt (als Mehrheit oder Minderheit) oder sich als
Elite betrachtet, kommt es zum Einparteiensystem (z. B. in der Diktatur).
(...) Obgleich die Parteien zu den grundlegenden und bestimmenden Elementen des
Verfassungslebens gehören, haben sie doch in den meisten Staaten keine
verfassungsrechtliche Anerkennung, da die Abgeordneten verfassungsrechtlich als
Vertreter des Volks und nicht einer bestimmten Partei gelten. Erst im
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und in gewisser Weise auch in
Großbritannien sind sie verfassungsmäßig formell anerkannt.
Eine Parteientypologie orientiert sich an den Kriterien Organisation, politische
Ziele, Mitgliederstruktur und politische Funktion. Organisationsbestimmte
Parteitypen sind z. B. Honoratioren-, Kader- und Massenparteien. Für
Weltanschauungs-, Interessen- und Programmparteien sind die politischen
Zielsetzungen typologisch entscheidend, während das bei Volks- und
Klassenparteien die Mitgliederstruktur ist. Von ihrer funktionalen Rolle in
bestimmten politischen Systemen her differenziert man Staats- und demokratische
Parteien. In der Realität finden sich oft Mischtypen der Parteien. Das gilt
insbesondere für demokratische Systeme (...).
[aus: Bertelsmann Discovery Lexikon 1997]
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