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Friedenspädagogik

Oberstes Ziel der Vereinten Nationen (UN) ist der Frieden. Zu diesem Zweck wurde die Weltorganisation als Nachfolger des Völkerbunds nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Allerdings war der Sicherheitsrat, das wichtigste Organ der UN, während des Ost-West-Konflikts blockiert. Mit den epochalen Umbrüchen der Jahre 1989 und 1990 schien dann doch noch verspätet eine Glanzeit für die UN anzubrechen. Aus dieser Zeit stammt die "Agenda für den Frieden", eine der wichtigsten Friedensstrategien der Gegenwart:

[Autor: Ragnar Müller]

Friedenspolitik der Vereinten Nationen

"Die Gründer der Vereinten Nationen standen unter dem unmittelbaren Eindruck der Schrecken des Zweiten Weltkrieges. Ihr oberstes Ziel war es daher, mit den Vereinten Nationen ein Instrument zu schaffen, um „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“ (Präambel der Charta der Vereinten Nationen). Damit wurde die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zur Hauptaufgabe der Vereinten Nationen erklärt.

Der Begriff „Frieden“ wird in der Charta der Vereinten Nationen in vielfältiger Weise verwendet, ohne dass er an irgendeiner Stelle klar definiert ist. Im System des „klassischen“ Völkerrechts wurde „Frieden“ im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts überwiegend als bloße Abwesenheit von Krieg verstanden. Das Friedensverständnis der Vereinten Nationen geht über diesen engen Friedensbegriff hinaus und befürwortet eine umfassende Friedensvorstellung im Sinne eines globalen, dynamischen Prozesses, an dessen Ende soziale Gerechtigkeit, die Respektierung und Durchsetzung der Menschenrechte und gutnachbarliche Beziehungen zwischen allen Ländern gewährleistet sind. Die Charta verpflichtet alle Mitgliedstaaten daher nicht nur, auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele zu verzichten, sondern fordert alle Staaten auf, ihre Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen und die Zusammenarbeit in allen Bereichen zu entwickeln.

Um den Frieden zu wahren, wurde in der VN-Charta ein modifiziertes System kollektiver Sicherheit geschaffen, mit dem Sicherheitsrat als dessen zentralem Organ. Nur der Sicherheitsrat hat das Recht, Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta gegen Staaten zu verhängen, die den Weltfrieden bedrohen. Solche Zwangsmaßnahmen reichen von nichtmilitärischen Sanktionen, z.B. Wirtschafts- und Waffenembargo bis zum militärischen Einsatz von Land-, Luft- und Seestreitkräften, wozu Mitgliedstaaten nach Artikel 43 der Charta den Vereinten Nationen Streitkräfte zur Verfügung stellen können, die im Bedarfsfall unter dem Oberkommando der Vereinten Nationen eingesetzt werden. Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta waren z. B. das Handelsembargo gegen Ex-Jugoslawien und die Einrichtung der Flugverbotszonen über Bosnien-Herzegowina. Nach Artikel 42 und 48 der Charta können Zwangsmaßnahmen des Sicherheitsrats auch von einzelnen Mitgliedstaaten durchgeführt werden. Das war beispielsweise der Fall bei der Ermächtigung der Alliierten zum Einsatz von Truppen im Golfkrieg 1990 sowie bei der Autorisierung der Operation UNITAF (United Task Force) 1992 in Somalia mit der Aufgabe, humanitäre Transporte zu sichern.

Allerdings erwies sich das System der kollektiven Sicherheit aufgrund der Struktur des Sicherheitsrats in der Ära des Kalten Krieges weitgehend als unwirksam. Alternativ wurde daher schon 1956 während der Suez-Krise vom damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Dag Hammarskjöld, eine neue Konzeption entwickelt: die der sogenannten friedenssichernden Operationen (Peace-keeping Operations), kurz: Friedenssicherung (Peacekeeping).

Die folgende Typisierung der friedenspolitischen Konfliktbewältigungsstrategien und -instrumente wurde in ihren Grundzügen erstmals in der Agenda für den Frieden (1994) vom damaligen Generalsekretär Boutros-Ghali vorgenommen und später modifiziert:

Vorbeugende Diplomatie (preventive diplomacy), hierunter fällt der Einsatz diplomatischer Mittel mit dem Ziel, das Entstehen von Streitigkeiten zwischen einzelnen Parteien zu verhüten, die Eskalation bestehender Streitigkeiten zu Konflikten zu verhindern und - sofern es doch zu Konflikten kommen sollte - diese einzugrenzen.

Vorbeugende Einsätze (preventive deployments) sind präventive Truppeneinsätze, um den Ausbruch eines Konfliktes im Vorfeld zu verhindern. Bei einer innerstaatlichen Krise kann ein vorbeugender Einsatz auf Antrag bzw. mit Zustimmung der Regierung oder aller Konfliktparteien erfolgen. Gleiches gilt, wenn ein Land sich bedroht fühlt und die Errichtung einer VN-Truppe nur auf seiner Seite der Grenze beantragt.

Friedensschaffung (peace-making) ist der Prozess bis zum Abschluss eines Friedensvertrags oder Waffenstillstands und bezeichnet Aktivitäten mit dem Ziel, feindliche Parteien zu einer Einigung zu bringen, im wesentlichen durch solche friedlichen Mittel, wie sie in Kapitel VI der VN-Charta vorgesehen sind.

Friedenssicherung (peace-keeping) bezeichnet die Errichtung einer personellen Präsenz der Vereinten Nationen vor Ort mit Zustimmung aller Konfliktbeteiligten durch Einsatz von durchweg leichtbewaffneten Soldaten, Wahlbeobachtern und Polizisten zur Überwachung und Durchführung von Waffenstillstands- und Friedensvereinbarungen. Die Friedenssicherung ist eine Technik, welche die Möglichkeiten für eine Konfliktverhütung wie auch eine Friedensschaffung erweitert.

Friedensdurchsetzung (peace-enforcement) sind Einsätze stärker bewaffneter VN-Truppen und als vorläufige Maßnahme nach Kapitel VII, Artikel 40 der VN-Charta zu verstehen. Darunter fallen Maßnahmen z. B. zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Waffenruhe, die aufgrund ihrer stärkeren Bewaffnung über den Auftrag an Friedenstruppen hinausgehen, aber nicht mit Zwangsmaßnahmen zu verwechseln sind, die - nach Artikel 43 der Charta - verhängt werden können, um gegen Angriffshandlungen vorzugehen.

Friedenserzwingung durch militärische Gewalt (use of military force) bezeichnet militärische Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII, Artikel 42 der Charta, die bei Bedrohung oder Bruch des Friedens oder bei Angriffshandlungen verhängt werden können, um den Weltfrieden aufrechtzuerhalten. Der Sicherheitsrat hat bislang nur selten Gebrauch gemacht von den stärksten der militärischen Zwangsmaßnahmen. Sonderfälle waren der Golfkrieg II (Irak-Kuwait) wie auch die erste Intervention zur Absicherung humanitärer Hilfe in Somalia (United Task Force - UNITAF): Der Sicherheitsrat hatte Mitgliedstaaten (die USA u. a.) ermächtigt, in seinem Namen Maßnahmen zu ergreifen. Auch die Bombardierung bosnisch-serbischer Stellungen durch die NATO im Sommer 1995 folgte einem Mandat des Sicherheitsrats mit dem Ziel, die Bürgerkriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bringen und erst so den Abschluss des Friedensabkommens von Dayton zu ermöglichen.

Friedenskonsolidierung
(post-conflict peace-building) ist nach erfolgreicher Beendigung eines Konfliktes auf die Wiederherstellung bzw. Förderung staatlicher Strukturen gerichtet, die geeignet sind, den Frieden zu festigen und zu konsolidieren, um das Wiederaufleben eines Konfliktes zu verhindern. Hierzu gehören die Demobilisierung von (Ex-)Kombattanten, ihre Entwaffnung und Rehabilitierung durch Wiedereingliederung in die Zivilgesellschaft; ferner der Aufbau von Verwaltung und Justiz nach rechtsstaatlichen Prinzipien."

[aus: Auswärtiges Amt (Hrsg.): ABC der Vereinten Nationen, Berlin 2000, S. 37-39]

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