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"Erste Frauenbewegung" (1848-1914): Der zähe Kampf um politische und bürgerliche Rechte Als sich im 19. Jahrhundert die Frauenbewegung herausbildete, ging es den frühen Feministinnen zunächst ganz allgemein darum, Verbesserungen auf zivilrechtlichem Gebiet zu erreichen und ihre rechtliche Unmündigkeit zu beseitigen (Scheidungs-, Sorgerecht, Aufhebung der Vormundschaft des Mannes in der Ehe etc.). Das Wahlrecht hatte in ihren Forderungen zunächst eine untergeordnete Bedeutung. Allerdings machten sie bald bittere Erfahrungen. Ohne Rechte und Stimme in der politischen Öffentlichkeit blieben sie Bittstellerinnen — angewiesen auf männliche Bündnispartner und abhängig von der politischen Stimmungslage. Bündnispartner und etablierte Parteien oder Organisationen unterstützten die Frauen nur solange, wie es in ihrem eigenen Interesse lag. Waren deren Ziele erreicht, standen die Frauen alleine da. Folglich konzentrierte sich die erste Frauenbewegung mehr und mehr auf die Erlangung des Stimmrechts. Die Frauenrechtlerinnen organisierten sich in eigenen, autonomen oder teilautonomen Organisationen. Man kann die Frauen, die öffentlich in Erscheinung traten, grob in drei Gruppen teilen: "Die Gemäßigten": Hierbei handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Frauenverbänden, deren Mitglieder Veränderungen nur in geringem Maße bzw. Schritt für Schritt und im Rahmen der bestehenden bürgerlichen Gesellschaft suchten. Es wurde betont, dass die Frau andersartig sei und andere Aufgaben in der Gesellschaft habe als der Mann. In diese Gruppe fielen z.B. christliche Wohlfahrtsvereine, die sich um die ärmsten Frauen kümmerten, wie auch liberale Frauenbildungsvereine und konservative Frauen. Die Forderung nach dem Wahlrecht wurde nicht von allen Vereinen gestellt, sondern entweder zurückgestellt mit der Erklärung, Frauen seien noch nicht reif dafür bzw. man wolle die Regierenden nicht brüskieren, oder es wurde ein Klassenwahlrecht gefordert, das Frauen einschließt. Das Wahlrecht solle nicht allen gewährt werden, sondern nur den besitzenden bürgerlichen Frauen. Im Zuge der Militarisierung und Nationalisierung kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs schlossen sich viele dieser Frauen der Stimmungslage an und forderten ihre Anhängerinnen auf, bei der "Verteidigung" des jeweiligen Vaterlands zu helfen. "Die Radikalen": Dies ist eine relativ kleine Gruppe bürgerlicher Frauen, die sich für die radikale Umgestaltung der Gesellschaft einsetzten. Sie waren die treibende Kraft der Wahlrechtskämpfe. Diese Frauen betonten die Gleichheit von Frau und Mann, die daher auch Anspruch auf gleiche Rechte habe. Die Radikalen waren eine kleine Bewegung, die sich keiner Partei zugehörig fühlte. Manche suchten aber den Kontakt zu den sozialistischen Frauen. Einige Kampagnen, z.B. für das Frauenwahlrecht, wurden gemeinsam durchgeführt. Die Radikalfeministinnen setzten sich auch für die Rechte der sozial benachteiligten Frauen, der Arbeiterinnen und Prostituierten ein. Vertreterinnen dieser Gruppe gründeten während des Ersten Weltkrieges die "Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit", der Frauen aller sich zu diesem Zeitpunkt bekriegenden Nationen angehörten. "Die Sozialistischen": Dabei
handelt es sich um die innerhalb der sozialistischen, später auch der
kommunistischen Bewegung relativ autonom organisierten Frauen. Grundlage der
Forderungen der sozialistischen Frauen sind die allgemeinen sozialistischen
Forderungen nach der Abschaffung der Klassengegensätze und des Privateigentums
an Produktionsmitteln. Vordenkerinnen der sozialistischen Frauenbewegung wie Clara
Zetkin forderten die ökonomische Unabhängigkeit der Frau als
Grundbedingung für ihre Gleichberechtigung sowie die Abschaffung der
Hierarchisierung der Geschlechter analog zur Abschaffung der Klassen. Im
Mittelpunkt der Forderungen der sozialistischen Frauen stand zunächst die
Angleichung der ökonomischen Lage der Arbeiterinnen an die der Arbeiter
(gleiche Löhne für gleiche Arbeit, Öffnung der Gewerkschaften für die Frauen
etc.), später kam das Wahlrecht hinzu. Die Einrichtung des Internationalen
Frauentags am 8. März geht auf die sozialistischen Frauen zurück: Die Entwicklung in ausgewählten Ländern USA: Die Frauenbewegung ging aus der Anti-Sklaverei-Bewegung (Abolitionismus) hervor, in der sich ungewöhnlich viele Frauen organisiert hatten. Sie mussten ihre Forderungen vor allem gegen die Kirche, aber auch gegen Vorurteile aus den Reihen der männlichen Abolitionisten verteidigen. Typisch für die US-amerikanische Frauenbewegung ist die Verschwesterung weißer und farbiger Frauen. Zu einem Bruch mit den Abolitionisten kam es, als das Wahlrecht erstmals verfassungsrechtlich den Schwarzen zuerkannt wurde. In der entsprechenden Verfassungsänderung wurde der Zusatz "male" eingefügt, so dass der Ausschluss der Frauen aus dem Wahlrecht nun eindeutig war. Vorher bestand das Frauenwahlrecht in Einschränkungen in einzelnen Bundesstaaten. Dies verfügten ausgerechnet die Männer der Republikanischen Partei, mit denen die Feministinnen zunächst gemeinsam für die Rechte der Schwarzen gekämpft hatten. Die Frauenstimmrechtsbewegung bildete daraufhin eigene Organisationen: die "National Woman Suffrage Association" (NWSA) und die "American Woman Suffrage Association" (AWSA), die sich später zusammenschlossen. In den USA erlangten die Frauen 1920 das volle Wahlrecht — rund 50 Jahre nach ihrer Entrechtung durch die erwähnte Verfassungsreform. England: Die Frauenbewegung begann mit der ersten Wahlrechtsreform 1832. Diese sollte den englischen Parlamentarismus demokratisieren, schloss aber die Frauen vom Gemeinde- und parlamentarischen Wahlrecht aus (durch Erweiterung des Worts "persons" um das Attribut "male"). Ein umfassend organisierter politischer Kampf setzte ab den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts ein. Es entstand die einflussreiche Stimmrechtsbewegung der Suffragetten, die das Frauenwahlrecht mittels Öffentlichkeitsarbeit und Petitionen erreichen wollte. Wichtiger Bündnispartner der Suffragetten war der englische Philosoph und Abgeordnete des Unterhauses John Stuart Mill. Sie konnten zunächst das aktive und passive Wahlrecht in den Gemeinden und auf unteren Verwaltungsebenen erstreiten (ab 1869). Die "Sittlichkeitsbewegung" unter Josephine Butler wandte sich gegen die Reglementierung der Prostitution durch die Polizei. Erstmals setzten sich hier bürgerliche Frauen für die Rechte von Prostituierten ein. Kurze Zeit später wurde diese Reglementierung aufgehoben. Die proletarischen Frauen organisierten sich in der "Women’s Trade Union Provident League". Sie schlossen sich später auch der Forderung nach dem Wahlrecht an. So wurde die sogenannte Suffragetten-Bewegung zu einer der größten politischen Bewegungen in England vor dem Ersten Weltkrieg. Da die liberale Regierung auf Bittschriften nicht reagierte, scheuten die Frauen auch vor spektakulären Aktionen und vor Sachbeschädigung nicht zurück. Die Popularität der Frauenrechtlerinnen stieg durch die darauf folgenden Verhaftungen und die brutale Behandlung der Suffragetten im Gefängnis. Der Weltkrieg setzte einen Schlusspunkt unter die Frauenwahlrechtskämpfe. Deutschland: Die Frauenrechtsbewegung stand zunächst im Zusammenhang mit der Revolution von 1848. In der anschließenden Restaurationsperiode wurden Frauen grundlegende Rechte entzogen, so z.B. das Recht auf Mitgliedschaft in einem Verein oder auf Redaktionsarbeit in Zeitungen sowie auf jegliche politische Betätigung. Damit kam die Frauenbewegung zum Erliegen. Die politische Liberalisierung der 1860er Jahre führte zur Gründung des ersten deutschen Frauenvereins, des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" (ADF) durch Louise Otto-Peters 1865. Die frühe deutsche Sozialdemokratie ging mit der starken proletarischen Frauenbewegung Hand in Hand, deren Organisatorin Clara Zetkin war. Unter deren Einfluss nahmen die Sozialdemokraten das Frauenwahlrecht in ihr Programm auf. In Deutschland wurde das Wahlrecht für Frauen 1918, nach dem verlorenen Krieg, durch die sozialdemokratische Partei eingeführt.
Ergebnisse: Die wichtigsten politischen Forderungen der Frauenrechtlerinnen — insbesondere das Wahlrecht — wurden schließlich eingelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschob sich der gesellschaftliche Focus allerdings wieder auf Familie und Mütterlichkeit — desillusionierte Kriegsrückkehrer mussten betreut, der Geburtenrückgang ausgeglichen werden. Erst etwa 60 Jahre später wurden die Ideen und Gedanken der Großmuttergeneration wieder aufgegriffen. [Autorin: Dorette Wesemann, Redaktion: Ragnar Müller]
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