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Friedenspädagogik


Der folgende Textauszug von Lothar Brock macht auf einige Unschärfen des Friedensbegriffs aufmerksam und schlägt die "gewaltfreie Weltgesellschaft" als Ziel vor, das sich zwar nicht erreichen lässt, an dem man aber das Handeln ausrichten kann:

"- Frieden bedeutet das Schweigen der Waffen. Aber für welche Zeit? Herrscht Frieden erst, wenn der letzte Krieg geführt worden ist? Hat alles andere als Zwischenkriegszeit, als bloßer Waffenstillstand zu gelten?

- Im Frieden wird das Leben des einzelnen und der Völker vor offener militärischer Gewaltanwendung bewahrt, aber auch vor anderen Formen der Gewalt? Herrscht Friede erst dann, wenn Gerechtigkeit herrscht?

- In Westeuropa scheint der Krieg überwunden. Aber kann hier der Friede Bestand haben, wenn andernorts Konflikte gewaltsam ausgetragen werden? Ist Frieden teilbar oder kann er nur als Weltfrieden realisiert werden?

(...) Im alltagssprachlichen wie im akademischen Umgang mit dem Frieden wird versucht, die Unschärfen des Begriffs mit Hilfe von Attributen zu überbrücken: Man spricht vom 'wahren', vom 'positiven', vom 'ewigen' Frieden oder aber vom 'negativen', vom 'unvollkommenen' und auch vom 'Friedhofsfrieden'. Damit wird aber das Problem nicht gelöst, sondern bestenfalls umgangen (...).

Bleiben wir also beim Wort, Frieden, und den Schwierigkeiten, aus diesem Wort einen Begriff zu machen. Dabei haben wir es mit drei Anforderungen zu tun: Unser Begriff vom Frieden sollte nicht selbst eine ideologische Fährte zu neuen Kriegen (als Kriege gegen den Krieg) legen, er sollte sich der Instrumentalisierbarkeit für die Legitimation bestehender Herrschaft (als Verwirklichung von Frieden) entziehen und doch reale Entwicklungen in Geschichte und Gegenwart in sich aufnehmen, um nicht bei bloßem Wunschdenken zu verharren.

"Zwei Argumentationsstränge lassen sich aus der Überlieferung herausschälen: Friede wird entweder begriffen als kosmisches Ordnungsprinzip, als überhistorischer, gleichsam konzentrierter Ausdruck einer Weltordnung, die ihren letzten Flucht- und Legitimationspunkt erst in Gott, dann als Folge der Säkularisation des politischen Denkens nach der Reformationszeit in der allen Menschen natürlich gegebenen Vernunft findet.

Oder Friede wird begriffen als Ausdruck der menschlichen Willensüberzeugung, als ein rational begründbares politisches Kulturprodukt, das der ausdrücklichen Stiftung durch vertragliche Vereinbarung (Landfriedenseinungen, Gesellschaftsvertrag) ebenso bedarf wie des Schutzes durch die öffentliche Gewalt. Mit dieser dualen Argumentationsstruktur verbunden ist die Frage nach dem Verhältnis von Frieden und Gerechtigkeit, pax und iustitia: Entweder ist die Gerechtigkeit dem Frieden vorgeordnet, gilt Friede als ihre naturwüchsige Frucht, oder die gesellschaftlich-politische Friedensordnung ist durch die Herrschaft der öffentlichen Gewalt erst herzustellen und zu sichern; darin ist die Gerechtigkeit als Legitimationsprinzip einer gegebenen gesellschaftlichen Ordnung, die jedem das Seine zuteilt, dem Frieden nachgeordnet, freilich auch ohne Frieden nicht zu verwirklichen.

Und: Im Kontext des ersten Argumentationszuges erscheint der Krieg als Unterbrechung, als Störung des naturwüchsigen Friedens: bellum ruptura pacis. In der zweiten Traditionslinie ist der Krieg - Folge menschlichen Verfehlens und sündhafter Willensfreiheit - gleichsam der inner- und zwischengesellschaftliche Normalzustand. Friede ist Nicht-Krieg: pax absentia belli."


[aus: Reinhard Meyers: Grundbegriffe, Strukturen und theoretische Perspektiven der Internationalen Beziehungen, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Grundwissen Politik, 2. Aufl., Bonn 1993, S. 285-286, 291]

Diese Anforderungen legen es nahe, Frieden nicht als Zustand eines sozialen Systems zu begreifen, sondern als eine 'ins Unendliche fortschreitende Annäherung' (...) an ein Ziel, dessen konkreter Inhalt sich mit der Geschichte selbst immer weiter voranbewegt und das deshalb prinzipiell nicht abschließend definiert werden kann, wohl aber eine kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Verhältnissen und die Identifizierung von Ansatzpunkten für deren friedensdienliche Veränderung erlaubt (...).

Als Ziel 'unserer Träume' können wir näherungsweise die gewaltfreie Weltgesellschaft bestimmen, die gleichwohl keine konfliktfreie wäre, sondern eine, in der Konflikte unter Verzicht auf die Anwendung oder Androhung kollektiver Gewaltanwendung geregelt würden."

[aus: Lothar Brock: "Frieden". Überlegungen zur Theoriebildung; in: Volker Rittberger (Hg.): Theorien der internationalen Beziehungen, PVS-Sonderheft 21/1990, S. 72]

Für die grundlegende Erhaltung des Menschen ist das ökologische Gleichgewicht von der gleichen Bedeutung wie die Summe aus Überleben + Wohlbefinden + Freiheit + Identität. Die Summe aller fünf zusammengenommen definiert "Frieden".
[aus: Johan Galtung, Kulturelle Gewalt; in: Der Bürger im Staat 43, 2/1993, S. 107]

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