| |
Demokratisierung
als Friedensstrategie
"Wie muss eine Gesellschaft herrschaftlich organisiert sein, damit sie auf
die Gewaltanwendung nach außen verzichtet? Darauf gibt Kant eine klare und
klassische Antwort: Sie muss ein republikanisches Herrschaftssystem haben, das
die Werte der politischen Partizipation in der bürgerlichen Gesellschaft gleich
verteilt. Wenn über die Außenpolitik nicht durch Fürsten und Könige, sondern
durch diejenigen entschieden wird, die die sozialen und wirtschaftlichen Folgen
dieser Außenpolitik zu tragen haben, so wird es keinen Krieg mehr geben, da
„sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen“. (...)
Die 1867 in Genf gegründete „Ligue Internationale de la Paix et de la Liberté“
trug dem Zusammenhang schon in ihrem Namen Rechnung. Sie brachte die
Erkenntnisse des Liberalismus auf den Begriff ihres Mottos: „Si vis pacem,
para libertatem.“ Nicht umsonst bezog sich die Liga dabei ausdrücklich auf
Kant. Konnte man aber am Ausgang des 19. Jahrhunderts die Qualität eines
Herrschaftssystems nur nach den von ihm gewährten Freiheitsrechten bemessen?
Schloss die „vollkommen gerechte bürgerliche Verfassung“ (Kant) nicht auch
die Verteilungsgerechtigkeit mit ein? 1885 erweiterte die Friedens- und
Freiheitsliga ihr Motto um diese soziale Gerechtigkeit: „Si vis pacem, para
libertatem et iustitiam.“
Damit war der Zusammenhang zwischen Herrschaftssystem und Frieden zwar plakativ,
aber vollständig beschrieben. Wenn ein Herrschaftssystem durch die Freiheit und
Mitbestimmung seiner Bürger einerseits, durch soziale Gerechtigkeit
andererseits gekennzeichnet war, dann produzierte es gleichzeitig den Frieden.
Er hatte in diesem Herrschaftssystem seine Grundlage."
[aus: Ernst-Otto Czempiel:
Friedensstrategien, Systemwandel durch Internationale Organisationen,
Demokratisierung und Wirtschaft, Paderborn 1986, S. 121-124]
Kriege
werden durch Regierungen verursacht. Die Demokratie wird sie beenden -
Thomas Paine (1791) |
[Seitenanfang]
|