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Im folgenden Textausschnitt benennen Günther Gugel und Uli Jäger vom Institut
für Friedenspädagogik Tübingen den Ausgangspunkt jeder (friedens-)pädagogischen
Arbeit - die Erziehbarkeit und Lernfähigkeit des Menschen. Sie weisen
auch darauf hin, dass es nicht ausreicht, nur auf der Ebene des
Individuums anzusetzen. |
"In
vielen Schriften und Programmen steht als Begründung für Friedenserziehung ein
Satz aus der Präambel der Verfassung der UNESCO aus dem Jahre 1945: "Da
Kriege in den Köpfen der Menschen beginnen, muss in den Köpfen der Menschen
Vorsorge für den Frieden getroffen werden". Zu Recht wird aus dieser
Aussage die Vorstellung abgeleitet, dass Menschen lernen können, wie man
friedlich zusammenleben und wie Frieden auch weltweit vorbereitet werden kann.
In der Friedenspädagogik weiß man entgegen vieler (auch wissenschaftlicher)
Mythen, dass niemand "von Natur aus" gewalttätig ist, dass dem
Menschen Veranlagungen gegeben sind, die sein Verhalten zwar mit beeinflussen,
aber nie vollständig determinieren. Deshalb ist Erziehung prinzipiell sinnvoll
und möglich.
Ansatzpunkte für jegliche Form der Friedenserziehung sind die emotionalen und
kognitiven Grundlagen des Verhaltens und darauf aufbauend die Einstellungen,
Verhaltensweisen und Handlungsstrategien von Individuen und Gruppen. Doch
bedeutet diese Vorstellung auch, dass sich durch Veränderungen subjektiver
Einstellungen und (Vor-) Urteile Kriege und Gewalt abschaffen lassen?
Selbstverständlich sind Menschen für Krieg und Gewalt verantwortlich und können
diese - wenn sie es wollen und dazu fähig sind - auch beenden, verhindern oder
unterlassen. Allerdings ist es oftmals ein weiter Weg, um von der Veränderung
der Einstellungen einzelner auch zur Veränderung von gesellschaftlichen und
internationalen Machtstrukturen zu gelangen.
Ein erster Schritt hierzu ist es, diese Machtstrukturen und die
dahinterliegenden Interessensunterschiede zwischen Menschen, Gesellschaften und
Staaten sowie Ansätze für Konfliktlösungen überhaupt erkennen zu können.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Friedensforschung für die
Friedenserziehung ist, dass es nicht ausreicht, Vorurteile und nationale
Stereotypen für die Entstehung von Kriegen und Gewalt verantwortlich zu machen,
obwohl diese zur subjektiven Kriegsbereitschaft beitragen und auch
instrumentalisiert werden können.
Deshalb wäre es trügerisch, sich in der Friedenserziehung nur auf die Veränderungen
individueller Einstellungen zu konzentrieren, so wichtig diese auch sind. Die
Analyse gesellschaftlicher und internationaler Machtstrukturen muss
unverzichtbarer Bestandteil der Friedenspädagogik sein und dem Verstehen von
und dem Umgang mit Konflikten auf allen Ebenen sollte eine zentrale Bedeutung
zukommen (...).
Untersuchungen über die Sozialisationsbedingungen von Kriegsfreiwilligen und
Kriegsdienstverweigerern haben (...) gezeigt, dass eine Erziehung, die eine
Auseinandersetzung mit humanitären Werten ermöglicht, die auf
gleichberechtigten Beziehungen aufbaut, die Emotionen nicht tabuisiert, die
Lebensfreude und Sinn vermittelt und die diese Dinge nicht postuliert, sondern
in den Lebensalltag integriert, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen dazu führt,
dass diese eher Gewalt ablehnen, sich eher sozial und politisch engagieren sowie
nach gewaltfreien Möglichkeiten der Konfliktaustragung suchen.
Die bekannten Gehorsamsexperimente von Milgram und die darauf aufbauenden
Nachfolge-Untersuchungen haben anschaulich gemacht, dass es einen engen
Zusammenhang zwischen den Anweisungen einer vermeintlichen Autorität und der
Bereitschaft zur Gewaltanwendung gibt. Für die Friedenspädagogik zentral ist
dabei die Erkenntnis, dass die Bereitschaft von drei Viertel der
Versuchspersonen, einen Menschen zu quälen oder gar zu töten, nicht mit einem
sogenannten angeborenen Aggressionstrieb zu erklären ist: "Etwas Gefährlicheres
kommt ans Licht: Die Fähigkeit des Menschen, seine Menschlichkeit abzustreifen,
wenn er seine individuelle Persönlichkeit mit übergeordneten Strukturen
verbindet. Die Tugenden der Loyalität, der Disziplin und der Selbstaufopferung,
die wir am einzelnen so hoch schätzen, sind genau die Eigenschaften, die eine
organisierte Kriegs- und Vernichtungsmaschinerie schaffen und die Menschen an bösartige
Autoritätssysteme binden" (Stanley Milgram).
Friedenserziehung sollte vor diesem Hintergrund darauf ausgerichtet sein,
Menschen zu mehr Skepsis gegenüber Autoritäten und zu mehr Verantwortlichkeit
für ihr eigenes Handeln zu erziehen."
[Günther
Gugel / Uli Jäger: Gewalt muss nicht sein. Eine Einführung in friedenspädagogisches
Denken und Handeln. 3. Aufl., Tübingen 1997; Internetversion: http://www.friedenspaedagogik.de/themen/f_erzieh/fe3.htm]
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Den Milgram-Experimenten
ist ein kurzes Vertiefungsthema gewidmet. Ein Beitrag von Prof. Dr. Werner
Stangl beschreibt Versuchsaufbau und die wichtigsten Ergebnisse des
Experiments, das sich in vielfältiger Weise für die
friedenspädagogische Arbeit nutzen lässt [... zum
Text "Milgram-Experimente"]. |
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