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Herausforderungen
Nord-Süd

Friedenspädagogik



Friedenspädagogik lässt sich nicht eindeutig von benachbarten Disziplinen wie der Demokratie-, Menschenrechts-, Dritte-Welt- oder Umwelterziehung abgrenzen. Darum geht es in dem folgenden Textausschnitt von Günther Gugel und Uli Jäger. Dem trägt auch das neue Konzept "Globales Lernen" Rechnung, das auf einer gesonderten Seite skizziert wird. Ein weiterer kurzer Textauszug argumentiert, der Nord-Süd-Gegensatz sei die zentrale friedenspolitische Aufgabe der Gegenwart.

Die Nähe zur Umwelt-, Dritte-Welt- und Menschenrechtserziehung

"(...) Es (reicht) nicht aus, den Gegenstandsbereich der Friedenserziehung nur auf die Rüstungs- und Sicherheitsproblematik zu beziehen. Hans Nicklas und Änne Ostermann, die sich bei der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung mit Friedenspädagogik beschäftigen, schlagen vor, unter systematischen Gesichtspunkten zumindest diejenigen Aspekte der Umwelt- und Dritte-Welt-Problematik mit zum Gegenstandsbereich der Friedenserziehung zu zählen, welche Gewalt implizieren oder Gewalt hervorrufen.

Ein spezieller friedenspädagogischer Zugang zur Nord-Süd-Problematik ist zum Beispiel die Auseinandersetzung mit den Folgen der Rüstungsexporte der Industriestaaten in die Länder der Dritten Welt. Auch die Ursachen der Migrationsbewegungen und die abwehrenden Reaktionen in Europa oder das neu aufkeimende "Feindbild Islam" sind Themen, anhand derer die Nord-Süd-Problematik mit persönlichen Bezügen und Erfahrungen aufgearbeitet werden kann. Die ökologische Dimension der Friedenserziehung ergibt sich zum Beispiel in der Auseinandersetzung mit Konflikten, die aufgrund ökologischer Problemlagen entstehen (Streit um wichtige Ressourcen wie z.B. Wasser).

In der pädagogischen Praxis gibt es sowohl hinsichtlich der angesprochenen Inhalte als auch der angebotenen Methoden und didaktischen Modelle viele Überschneidungen zwischen der Friedenserziehung und den anderen Disziplinen der häufig so genannten "Überlebenserziehung": der Umwelt- und der Dritte-Welt-Erziehung. Überschneidungen und Zusammenarbeit werden sich in Zukunft verstärken, denn die inhaltliche Verschachtelung der globalen Probleme und damit auch deren Dramatik nimmt zu.

So gibt es seit Jahren kontroverse Diskussionen, inwieweit sich die unterschiedlichen pädagogischen Ansätze und Erfahrungen zusammenführen lassen, um das Lernen und Handeln angesichts globaler Probleme und einer wachsenden Internationalisierung von Lebenswelten (z.B. durch weltweite Kommunikationstechnologien) zu unterstützen bzw. neu zu organisieren. Hinzu kommt jedoch auch, dass die für die pädagogischen und politischen Gegenmaßnahmen zur Verfügung stehenden Kapazitäten geringer werden und eine vertiefte Zusammenarbeit nicht nur inhaltlich fruchtbar sein könnte, sondern auch politisch-praktisch notwendig wird.

Ähnliche Ansätze wie die Friedenserziehung verfolgt auch die Menschenrechtserziehung, welche vor allem von internationalen Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international gefördert wird. Dabei geht es hauptsächlich um die Vermittlung von Kenntnissen über die Ursachen von Menschenrechtsverletzungen, neuerdings auch um Hilfen für die Auseinandersetzung mit der Frage, ob (und welche) Menschenrechte universelle Gültigkeit beanspruchen können oder inwieweit sich mit dem Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen Interventionen rechtfertigen lassen.

Es geht aber auch um die Frage, wie diese Kenntnisse in konkretes Handeln umsetzbar sind: "Eine wirksame Menschenrechtserziehung ist folglich daran zu messen, inwieweit es durch Konfrontation mit Menschenrechtsverletzungen gelingt, objektive Erkenntnisse zu subjektiver Betroffenheit zu erweitern. (...) Die Konfrontation mit Menschenrechtsverletzungen als "Erkenntnis- und Lernprinzip" sollte jedem einzelnen vermitteln, dass die Menschenrechte als politische Handlungskriterien und universale Moral im eigenen Land (für jeden selbst) aufs engste verbunden sind mit ihrer Verwirklichung in jedem anderen Land (für jeden anderen)" (Hildegard Karig).

(...) Die Entwicklungspädagogik beschäftigt sich mit der Frage, was und wie in den Industriestaaten über die Länder in der "Dritten Welt" sowie über die "Nord-Süd-Beziehungen" gelernt wird und gibt Anregungen für die pädagogische Praxis. Ein wichtiger Schwerpunkt der Entwicklungspädagogik lag in der Vergangenheit auf der Entwicklung von Lernmodellen für die Grundschule, ein Bereich, welcher von der Friedenserziehung sehr vernachlässigt worden ist.

Verfolgt man die Diskussion in der Entwicklungspädagogik, so steht diese Disziplin vor vergleichbaren Problemen wie die Friedenspädagogik. Trotz erheblicher theoretischer Fortschritte, einer großen Zahl von Lernmitteln (in den vergangenen dreißig Jahren sind mehr als zweieinhalbtausend entwicklungspolitische Unterrichts- und Arbeitsmaterialien erschienen!) und trotz relativ großer Fördermöglichkeiten ist heute von einer "Krise der Entwicklungspädagogik" die Rede.

Begründet wird diese These mit vier Beobachtungen: Die Entwicklungspädagogik habe erstens ihren Gegenstand verloren, weil man aufgrund zunehmender Ausdifferenzierung immer weniger von der "Dritten Welt" reden könne. Die zahlreichen didaktischen Materialien und die praktizierte Methodenvielfalt führe zweitens zu einer Verunsicherung im Gebrauch von Methoden und einer "Kultivierung des pädagogischen Zufalls". Schließlich sei drittens keine Theorietradition entstanden und es bleibe viertens die Institutionalisierung der Entwicklungspädagogik im Gesamtkontext der bildungsrelevanten sozialen Systeme marginal (...). 

Für alle vier Problembereiche lassen sich auch in der Friedenspädagogik Beispiele finden. Dem Verlust des Gegenstandes "Dritte Welt" entspricht in der Friedenspädagogik der Verlust des Gegenstandes "Ost-West-Konflikt", auf welchen über Jahrzehnte hinweg viele Kräfte konzentriert wurden. Allerdings müsste man von einer vergleichbaren Krise auf unterschiedlichem Niveau reden, denn sowohl die Theoriebildung als auch der Grad der Institutionalisierung der Entwicklungspädagogik sind weiter vorangeschritten als dies bei der Friedenspädagogik der Fall ist."

[Günther Gugel / Uli Jäger: Gewalt muss nicht sein. Eine Einführung in friedenspädagogisches Denken und Handeln. 3. Aufl., Tübingen 1997; Internetversion: http://www.friedenspaedagogik.de/themen/f_erzieh/fe3.htm]

Ein weiterer Text widmet sich den aktuellen Herausforderungen, denen sich die Friedenspädagogik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts gegenübersieht und die sich mit dem Stichwort Globalisierung bzw. Globales Lernen verbinden [... zum Text Herausforderungen].

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