Mediation - Vermittlung in Konflikten
Der Begriff
Mediation geht auf die lateinische Wurzel "mediare" (vermitteln) zurück. Er
wurde in den USA als Fachbegriff 1970 eingeführt und ist als solcher vom
Englischen ins Deutsche übernommen worden. Mediation meint die Vermittlung
in Konflikten durch unparteiische, neutrale Dritte mit dem Ziel, eine von
allen Seiten akzeptierte gemeinsame Lösung auszuhandeln.
Dies geht von der Erfahrung aus, dass ab einem bestimmten Punkt der
Eskalationsdynamik ein Konflikt nicht mehr von den Kontrahenten alleine
gelöst werden kann. Eine Dritte Partei, die von allen Konfliktbeteiligten
akzeptiert wird, soll hinzutreten.
Mediationsverfahren beruhen in der Regel auf den Prinzipien
interessenorientierter Konfliktlösungen, die davon ausgehen, dass Konflikte
dann effektiver und kostengünstiger gelöst werden, wenn Interessen und nicht
Recht oder Macht im Vordergrund stehen. Dieser Ansatz wurde an der Harvard
Universität entwickelt und wird auch als “Harvard-Modell” bezeichnet (siehe
Kasten rechts).
Konfliktbearbeitung durch Mediation ist weiter verbreitet, als allgemein
angenommen wird. Bei Familien- und Ehestreitigkeiten als Scheidungs- oder
Erbmediation, im Bereich der Strafgerichtsbarkeit als Täter-Opfer-Ausgleich,
im Bereich von Eingriffen in die Natur als Umweltmediation, in der
Kommunalpolitik als "Runde Tische" oder in der Schule als
Schüler-Streit-Schlichtungs-Programme.
Peer Mediation in der Schule
Mit dem mittlerweile an vielen Schulen und in der Lehrerfortbildung
verbreiteten Schüler-Streit-Schlichtungs-Modell steht für alltägliche
soziale Konflikte im Nahbereich unter Kindern und Jugendlichen ein
tragfähiges Methodenset zur Verfügung. Es weist die gleichen Kennzeichen auf
wie andere Mediationsverfahren:
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Es basiert auf
Freiwilligkeit; |
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sowohl die beiden
Konfliktparteien als auch eine unparteiische, dritte Person sind anwesend; |
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die Lösung soll
selbstverantwortlich ausgehandelt und schriftlich festgehalten werden.
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Entscheidend ist
jedoch, dass nicht Lehrer sondern Schüler die Schülerkonflikte schlichten;
wobei der Konflikt zeitnah aufgegriffen wird und in der Regel in den
Schulpausen oder der unmittelbar anschließenden Stunde geschlichtet werden
soll. Hier geht es den Initiatoren darum, "den Konfliktparteien Versöhnung
und einen neuen Anfang zu ermöglichen".
Unter dem Aspekt der Erziehung zur Eigenverantwortlichkeit ist an diesem
Modell äußerst positiv zu bewerten, dass Schülerinnen und Schüler als
Konfliktlotsen geschult werden und ihnen früh Verantwortung übertragen wird.
Konflikte werden dabei nicht von oben per Anordnung "gelöst" oder gar
unterdrückt, sondern aufgegriffen und einer Bearbeitung zugänglich gemacht.
Mit diesem Programm ist ein einsichtig strukturiertes, leicht erlernbares
und in der Praxis erprobtes Verfahren für den Schulbereich verfügbar (mehr
Informationen zum Schüler-Streit-Schlichtungs-Modell finden Sie auf einer
gesonderten Seite).
Der Umgang mit Konflikten muss weit über
Streitschlichtungsprogramme hinausgehen. Die eher kurzfristig, personal und
lokal orientierten Ansätze konstruktiver Konfliktbearbeitung haben ihre
volle Berechtigung, müssen jedoch durch mittelfristige, gesellschaftlich und
regional orientierte Ansätze ergänzt und durch langfristig, ökologisch und
global orientierte erweitert werden.
Diese Programme müssen in gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und
Zusammenhänge eingebunden und vor allem auf Organisationen und Institutionen
ausgeweitet werden. So müssen z.B. an Schulen neben personenorientierten
Streitschlichtungs-Programmen auch Konzepte der Organisationsentwicklung und
der Schulreform implementiert werden, um hier geeignete Rahmenbedingungen
für Veränderungen zu schaffen. |
Das Harvard-Konzept
"Es gibt drei grundsätzliche Wege zur Lösung von Konflikten: den
Interessenausgleich, die Bestimmung von Rechtspositionen und die
Bestimmung von Machtpositionen. Problemlösende Verhandlungen
veranschaulichen den an den Interessen der Konfliktpartner
orientierten Ansatz; die Anrufung des Gerichts steht exemplarisch für
den an Rechtspositionen orientierten Ansatz; Streiks und Kriege sind
gleichzusetzen mit den an Machtpositionen orientierten Verfahren. Wir
gehen davon aus, dass im allgemeinen der auf Interessenausgleich
zielende Ansatz weniger kostspielig und daher effektiver ist als ein
Rechtsstreit, welcher wieder kostengünstiger und lohnender ist als die
Auseinandersetzung um Machtpositionen.
Sechs Regeln zur Anwendung eines kostengünstigen Systems der
Konfliktlösung:
1. Stellen Sie die Interessen der Konfliktparteien in den Mittelpunkt
der Verhandlungen.
2. Entwickeln Sie Verfahren, die die Konfliktparteien ermutigen, sich
wieder an den Verhandlungstisch zu setzen.
3. Planen Sie kostengünstige auf Recht bzw. Macht basierende Verfahren
ein, falls die von Ihnen entwickelten Methoden scheitern.
4. Beraten Sie die Betroffenen und geben Sie ihnen Feedback, um
Konflikte langfristig zu verhindern.
5. Ordnen Sie die verschiedenen Verfahren in der Reihenfolge von
niedrigen zu hohen Kosten an.
6. Achten Sie auf die Motivation der Teilnehmer, ihre Fertigkeiten und
die Mittel, die in dem Verfahren zur Verfügung stehen.
Ein Konflikt wird effektiver gelöst, wenn die Interessen und nicht die
Rechts- bzw. Machtposition herausgestellt werden. Wenn die Parteien
Fragen von geringerer Bedeutung gegenüber Fragen von größerer
Bedeutung zurückstellen, profitieren alle Beteiligten von der Lösung
des Konfliktes.
Ein Interessenausgleich bringt im allgemeinen beiden Parteien ein
höheres Maß an Zufriedenheit als die Bestimmung von Rechts- bzw.
Machtpositionen. Die Zufriedenheit der Parteien wirkt sich langfristig
positiv auf ihre Beziehung aus und verringert die Gefahr neu
aufflammender Konflikte.
Trotz der genannten Vorteile ist es weder möglich noch erstrebenswert,
alle Konflikte durch einen Interessenausgleich beseitigen zu wollen.
Um die gesetzlichen Grenzen abzustecken, innerhalb derer eine Lösung
möglich ist, kann ein Rechtsverfahren nötig werden. Die Ungewissheit
über Rechtspositionen kann manchmal Verhandlungen ebenso erschweren
wie die Ungewissheit über relative Machtpositionen. Will eine Partei
demonstrieren, dass das Machtverhältnis sich zu ihren Gunsten
verschoben hat, wird sie zu der Überzeugung gelangen, dass nur ein
Machtkampf Klarheit schafft.
Es ist zwar weniger kostspielig, Interessen auszugleichen als Rechts-
bzw. Machtpositionen zu bestimmen, aber nur ein Rechtsspruch kann eine
Frage von öffentlichem Interesse verbindlich entscheiden. Vom
gesellschaftlichen Standpunkt aus betrachtet ist also zumindest in
einigen Fällen ein Gerichtsverfahren einer auf Interessenausgleich
zielenden Verhandlung vorzuziehen. (...)
Die meisten Konflikte sollten durch Interessenausgleich beigelegt
werden. Einige durch die Bestimmung von Rechts- und die wenigsten
durch die Bestimmung von Machtpositionen. Ein Konfliktlösungssystem
sollte darauf ausgerichtet sein, die Kosten des Streitfalls zu senken
und zufrieden stellende und dauerhafte Lösungen zu finden."
[William L.
Ury, Jeanne M. Brett, Stephen B. Goldberg: Konfliktmanagement.
Wirksame Strategien für den sachgerechten Interessenausgleich.
Frankfurt/New York 1991, S. 13, S. 35, S. 95]
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