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Vertiefung: Peer
Mediation in der Schule
Einen einführenden Abschnitt zum Thema Mediation finden Sie im Rahmen dieses
Grundkurses im Teil "Konfliktlösung" (... zur Seite
"Mediation"). Dort geht es teilweise
auch um Peer Mediation und das Schüler-Streit-Schlichtungs-Konzept, das der
folgende Text ausführlich erläutert (... zur Seite
"Schlichtung").
Das
Schüler-Streit-Schlichtungs-Programm
Streit-Schlichtung durch Schülerinnen und Schüler bedeutet, dass diese selbst
Verantwortung für die Gestaltung ihres Lebensbereiches übernehmen. Das
Schüler-Streit-Schlichtungs-Verfahren verläuft in vier Stufen:
Einleitung - Klärungen - Lösungen -
Vereinbarungen.
I. Einleitung
1.
Begrüßen: Sich vorstellen. Die Schlichterin oder der Schlichter stellt sich
vor, nennt den eigenen Namen und fragt ggf. nach den Namen der Konfliktpartner.
2. Ziele verdeutlichen: Das Ziel des Schlichtungsgesprächs wird
verdeutlicht. Die Streitenden selbst suchen Lösungen, die beide zufrieden
stellen. Für diesen Prozess bietet die Schlichterin oder der Schlichter Hilfe
an.
3. Grundsätze benennen: Die Schlichterin oder der Schlichter sichert den
Konfliktpartnern Vertraulichkeit und Neutralität zu.
4. Schlichtungs-Prozess erklären: Die Schlichterin oder der Schlichter
erklärt die nächsten Schritte des Schlichtungsprozesses:
| Standpunkte vortragen, |
| Lösungen suchen und
Verständigung finden, |
| die Vereinbarungen
schriftlich festhalten. |
5. Gesprächsregeln
erläutern: Die Schlichterin oder der Schlichter erklärt die wichtigsten
Regeln beim Schlichtungsgespräch:
| sich nicht gegenseitig
unterbrechen, ggf. stattdessen eigene Gedanken notieren; |
| sich nicht gegenseitig
beschimpfen oder angreifen. |
Die Schlichterin oder der
Schlichter holt die Zustimmung der Konfliktparteien ein,
| dass diese Regeln im
Schlichtungsgespräch gelten sollen, |
| dass die Konfliktpartner
bereit sind, sich an die Gesprächsregeln zu halten, und |
| dass die Schlichterin
oder der Schlichter bei Nichtbeachtung an die Einhaltung der Spielregeln
erinnern darf. |
6. Gesprächsbeginn
vereinbaren: Es wird geklärt, wer mit dem Bericht des Konflikts aus seiner
Sicht beginnen soll. Entweder einigen sich die Konfliktpartner auf eine
Reihenfolge, oder es wird ausgelost, wer beginnt.
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II. Klärungen
1.
Berichten: Die Konfliktparteien tragen nacheinander ihre Sicht des Konflikts
und der augenblicklichen Situation vor.
2. Zusammenfassen: Die Schlichterin oder der Schlichter wiederholt die
wesentlichen Punkte und fasst die Konfliktdarstellungen zusammen (möglichst mit
Worten der Streithähne).
3. Nachfragen: Wenn möglich sollen Emotionen und Motive der
Konfliktpartner in Bezug auf den konkreten Streitfall zur Sprache kommen.
“Warum hast Du ...?”
“Was hast Du gedacht, als ...?”
4. Befindlichkeit ausdrücken: Da es oft zur Weiterführung des
Schlichtungsprozesses erforderlich oder nützlich ist, fragt die Schlichterin/der
Schlichter nach der augenblicklichen Befindlichkeit oder Stimmung der
Konfliktparteien, auch als eine Form der Rückmeldung über das gerade Gehörte.
“Wir kommen vielleicht ein Stück weiter, wenn Ihr sagen könnt, wie es Euch jetzt
im Augenblick geht.”
5. Anteile am Konflikt artikulieren: Anteile am Konflikt lassen sich
möglicherweise leichter besprechen, wenn Schuldzuweisungen vermieden werden.
“Kannst Du sagen, was Du zum Konflikt oder seinem Anwachsen beigetragen hast?”
"Vielleicht durch bestimmte Äußerungen, durch Lachen, Drohen oder Ähnliches?"
“Ihr solltet nicht nur auf den materiellen Schaden achten.”
6. Überleiten: Zum Abschluss dieser Phase sind erneut Rückmeldungen
möglich. Die Kernpunkte können noch einmal zusammengefasst werden. Der Blick
sollte dann auf den nächsten Schritt, die Suche nach Lösungen, gelenkt werden.
“Nun solltet Ihr überlegen, wie der Schaden wiedergutzumachen ist und wie evtl.
Eure Beziehung besser werden kann.”
Hinweis: In
dieser Phase kann es gelegentlich auch notwendig werden, Einzelgespräche mit den
Kontrahenten einzuschieben, beispielsweise, wenn
| die Diskussion zu hitzig
geworden ist, |
| sich die unterschiedliche
Konfliktsicht überhaupt nicht angenähert hat, |
| das Gespräch außer
Kontrolle zu geraten droht, |
| einer nicht offen
sprechen kann oder will oder |
| grundsätzlich die Regeln
nicht eingehalten werden. |
Schlichterin oder Schlichter
sollten den Schlichtungsprozess immer dann unterbrechen, wenn der Eindruck
besteht, dass es fast ausgeschlossen ist, mit diesen Konfliktpartnern im
Augenblick eine geeignete Lösung zu finden. In diesem Fall sollte die
Schlichterin oder der Schlichter:
| das Gespräch unterbrechen, |
| einen Termin zur
Fortsetzung vereinbaren, und |
| sich von den
Konfliktpartnern die Erlaubnis holen, sich selbst durch Gespräche mit anderen
Schlichtern oder Beratern (auch Lehrkräften) Unterstützung zu verschaffen.
Eventuell kommt eine Ko-Schlichtung (durch zwei Personen in der
Gesprächsleitung) in Frage. |
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III. Lösungen
1.
Lösungsmöglichkeiten überlegen: Die Konfliktpartner sammeln Lösungen. Jeder
notiert seine Vorschläge still.
“Überlegt dabei: Was bin ich bereit zu tun? Was erwarte ich vom anderen?”
2. Lösungsmöglichkeiten aufschreiben: Alle Lösungsmöglichkeiten
werden vorgelesen und gehört, gesammelt und in der Regel von der Schlichterin
oder dem Schlichter auf Kärtchen geschrieben.
3. Lösungen auswählen: Die Lösungsvorschläge werden gemeinsam bewertet.
Gute Lösungen sind: realistisch, ausgewogen und genau genug!
“Welcher Vorschlag ist der beste? Oder kann es eine Kombination von
Lösungsvorschlägen geben?”
4. Lösungen vereinbaren: Die möglichen Vereinbarungen werden mündlich
genannt, und es wird geprüft, ob die Konfliktpartner diesen Lösungsvorschlägen
zustimmen können.
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IV. Vereinbarungen
1.
Vereinbarungen aufschreiben: Die schriftliche Vereinbarung wird erstellt.
Die Lösung muss genau formuliert werden: Wer will wo und wann was tun, um den
Konflikt beizulegen oder den Schaden zu beheben? Einfache, neutrale Wörter
benutzen (keine Beschuldigungen). Ggf. sollte festgehalten werden, was passiert,
wenn eine Partei ihre Pflichten aus dem Vertrag nicht erfüllt, z.B. dann den
Schlichtungsprozess fortsetzen bzw. ihn wieder aufgreifen.
2. Vereinbarung unterschreiben: Ist die Schlichtungsvereinbarung
formuliert, wird sie, ggf. Satz für Satz, vorgelesen und von den
Konfliktpartnern gebilligt. Wenn alle Einzelheiten angenommen wurden, fragt die
Schlichterin oder der Schlichter, ob die Vereinbarung auch insgesamt gebilligt
wird oder ob noch Fragen offen sind. Die Vereinbarung wird unterschrieben.
3. Verabschieden: Vielleicht bietet sich noch ein Rückblick an, wie die
Konfliktpartner das Schlichtungsgespräch erlebt haben und wie sie jetzt im
Augenblick die weitere Beziehung sehen. Die Gesprächspartner verabschieden sich.
[Günther Graun / Wolfgang Hünicke:
Streit-Schlichtung: Schülerinnen und Schüler übernehmen Verantwortung für
Konfliktlösungen in der Schule. Soest 1996]
Um ein solches Streit-Schlichtungs-Programm in
der Schule in Gang zu bringen, kann man beispielsweise Fragebögen verteilen, mit
deren Hilfe man zum einen Konflikte identifiziert, zum zweiten auf das
Vorhandensein von Schlichtern aufmerksam macht. Einen solchen Fragebogen stellen
wir auf einer gesonderten Seite vor:
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