Griechenlands
Außenminister George Papandreou erklärte dem Plenum, dass sich Griechenland
als Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2004 verantwortlich fühle, die
Olympischen Ideale zu propagieren. „Wir hoffen, dass Athen im kommenden
Sommer ein Leuchtfeuer des Friedens sein wird“, sagte der Minister. „Lasst
uns von dieser internationalen Einrichtung des Friedens eine symbolische
Botschaft für friedvolle Spiele und letztlich eine friedlichere Welt senden.“
Die UN-Vollversammlung hatte 1993 erstmals mit einer Resolution zur globalen
Waffenruhe während der Olympischen Spiele aufgerufen. Der Brauch ist in der
als „Ekecheiria“ bekannten griechischen Tradition aus dem achten Jahrhundert
vor Christi Geburt verwurzelt und sollte Sportlern ermöglichen, unversehrt
zur Teilnahme an den Olympischen Spielen reisen zu können. Während der
Wettkämpfe herrschte jeweils Waffenruhe, die ursprünglich etwa einen Monat
andauerte, später aber auf eine Zeit von bis zu drei Monaten ausgedehnt
wurde. Während dieser Tage konnten sich die Zuschauer, Würdenträger und
Sportler ungestört auf den Weg nach Olympia machen, selbst wenn ihr Weg
durch das Gebiet eines Staates führte, der mit dem eigenen im Krieg lag.
Dieses Gebot wurde von der gesamten griechischen Welt geachtet.
Um diese Tradition aktuell und weltweit weiterentwickeln zu können, wurde im
Juli 2000 in Athen das „Internationale
Zentrum für Olympische Waffenruhe“ gegründet. In der
Milleniums-Erklärung der Vereinten Nationen vom 8. September 2000 heißt es
zudem: „Wir fordern die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, einzeln und
gemeinsam heute und in Zukunft die Olympische Waffenruhe einzuhalten und das
Internationale Olympische Komitee bei seinen Bemühungen um die Förderung des
Friedens und der Verständigung zwischen den Menschen durch den Sport und das
olympische Ideal zu unterstützen.“
Diese Initiativen waren notwendig geworden, weil vor den Winterspielen 2002
in Salt Lake City die USA eine olympische Waffenruhe abgelehnt hatten.
Hintergrund waren die Terroranschläge des 11. September 2001 und der
folgende „Krieg gegen den Terror“, den die USA nicht behindert wissen
wollten. Damals grenzte der amerikanische Außenminister Colin Powell die
olympische Friedensvision dramatisch ein: „Unser Aufruf zum Olympischen
Frieden kann keinen Waffenstillstand garantieren, sondern nur vor Ort und
für den Transport gelten“.
[Brot für die Welt / Nationales
Olympisches Komitee / Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Fair Play for Fair
Life 2004, Stuttgart 2004] |
Einschätzung
zur Bedeutung des Olympischen Friedens
„Die Friedensbotschaft und der Versuch, die Waffen wenigstens für 16
Tage ruhen zu lassen, ist friedenspolitisch in dreifacher Hinsicht
höchst relevant.
Zum Einen gäbe sie den in Kriegsregionen lebenden Menschen wenigstens
einmal eine kurze Gelegenheit, keine Angst haben zu müssen, einmal
wieder ruhig schlafen zu können.
Zum Zweiten machte sie den im Krieg lebenden Gemeinschaften deutlich,
dass friedliche Koexistenz möglich ist und dass es Alternativen gibt.
Zum Dritten brächte sie eine Übereinstimmung zwischen den
Kriegsparteien hinsichtlich wichtiger Werte zum Ausdruck, die ein
Anknüpfungspunkt für eine weitere gemeinsame Normentwicklung bedeuten
könnte.
Zentral ist in diesem Zusammenhang aber, dass sich nicht nur die
Staaten auf diese Waffenruhe verpflichten. Denn heute muss mehr als
jemals zuvor gelten, dass die völkerrechtliche Norm des
Gewaltverzichts auch gesellschaftliche Akteure umfasst.
Der Aufruf bietet deshalb die Chance, mit warlords und
Terroristengruppen in Kontakt zu treten und sie - vielleicht zum
ersten Mal - auf eine transnationale Norm zu verpflichten. Was würde
Osama bin Laden wohl darauf antworten?
Die Vereinten Nationen und die Liga der Arabischen Staaten sowie die
Konferenz der Islamischen Staaten müssten ihm und anderen diese Frage
zumindest einmal stellen. Und wie würde sich dann Präsident Bush
entscheiden?
Aber leider wird die Idee des Olympischen Friedens eine Utopie bleiben,
da politische und militärische Alltagskalküle (noch) stärker sind.“
[Dr. Thomas Nielebock,
Friedensforscher an der Universität Tübingen] |
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