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Interkulturelle
Konfliktvermittlung - Mediation im Fußball
Der folgende Text von Hans-Jürgen Rojahn beschreibt einen Fall aus dem deutschen
Jugendfußball.
Mediation ist
die Suche nach dem Ausgleich, Mediatoren wollen weder Gewinner noch
Verlierer – das kann sogar bei Konflikten im Fußball funktionieren
Bei einem A-Jugend-Relegationsspiel (Vorrunde zur Qualifikation) wird Jens
Meyer von TUS Altdorf heftig angegangen und verletzt: Kieferbeinbruch. In
der 75. Minute wird der verursachende ausländische Spieler, Ali Maret, von
Eintracht Neuberg (alle Namen vom Verfasser geändert) ausgewechselt. Er
verlässt das Spielfeld auf der gegnerischen Seite. |
Hintergrundinformationen zur Methode der Mediation finden sich in
Grundkurs 4 im Rahmen dieses Themenkomplexes Friedenspädagogik (...
zur Seite
"Mediation") |
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Dort sitzt ein Spieler von TUS
Altdorf auf der Ersatzbank und ruft dem ausgewechselten Spieler von da aus etwas
zu, was aber sonst keiner verstehen kann. Ali fühlt sich beschimpft und schlägt
den Jugendlichen auf der Ersatzbank ins Gesicht. Daraufhin springt der Onkel des
Geschlagenen auf und schlägt auf Ali ein. Nun mischen sich noch weitere Eltern
und Spieler ein, um die beiden zu trennen. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt ist,
wird das Spiel fortgesetzt.
Mit dem Schlusspfiff der Partie ist jedoch der Konflikt zwischen TUS Altdorf und
Eintracht Neuberg nicht zu Ende, sondern eine Runde weiter: Der Streit und die
Schlägerei kommt vor den Kreisrechtsausschuss. Inzwischen informiert der
Sportkreis-Jugendwart die Leitung des Projektes „Interkulturelle
Konfliktvermittlung – Mediation im Fußball“. Dieses Projekt wurde von der
Sportjugend Hessen initiiert und wird von ihr zusammen mit dem Hessischen
Fußball-Verband seit 1998 durchgeführt. Ein Mediatoren-Team wird von der
Projektleitung zusammengestellt, das sich sofort mit den Vereinsjugendleitern in
Verbindung setzt. Die Verhandlung vor dem Rechtsausschuss steht kurz bevor.
Beide Jugendleiter stimmen einer Mediation sofort zu, da größte Bedenken
bestehen in Hinblick auf die bevorstehende neue Runde. Das Hinspiel soll bereits
in vier Wochen stattfinden.
„Spannungen abbauen“
Es hat sich in solch komplexen Systemen als sinnvoll erwiesen, mit den
Konfliktparteien getrennte Vorgespräche vor der eigentlichen Mediation zu führen,
in denen das Verfahren erläutert wird und die Beteiligten erst mal „Dampf
ablassen“ können. Das erste Vorgespräch findet mit Vertretern von TUS Altdorf
statt. Zunächst wird der Konflikt ausführlich aus der Sicht der Anwesenden
dargestellt. In der Zwischenzeit hatte auch der Kreisrechtsausschuss getagt: Ali
Meret von Eintracht Neuberg ist vom Ausschuss zu 7 Monaten Spielsperre
verurteilt worden, der Onkel des Geschädigten muss eine Geldstrafe zahlen,
ebenso der Verein Eintracht Neuberg.
Das Hauptthema ist nun die Frage, wie das nächste Spiel (Hinrunde) ohne Probleme
absolviert werden kann. Von TUS Altdorf werden immer wieder die Unterschiede
zwischen den beiden Vereinen betont. Sie selbst seien ein ländlich geprägter
Verein. Die Spieler gehen zum größten Teil auf die Gymnasien der nahe gelegenen
Stadt. In der Eintracht Neuberg dagegen spielten überwiegend ausländische
Jugendliche. Die Anwesenden legen viel Wert darauf, zu betonen, dass sie nichts
gegen Ausländer hätten. In ihrer Mannschaft spielten ebenfalls zwei ausländische
Spieler.
Die beiden Spielführer führten an, dass sie sich nach Spielen gegen die
Eintracht Neuberg oft unsicher fühlten, wenn sie auf größere Gruppen dieser
Mannschaft träfen. Auf die Frage der Mediatoren, was ein gemeinsames Gespräch
bewirken könne, kam als Antwort: „Eventuell vorhandene Spannungen abbauen, auch
außerhalb des Fußballs sollen Aggressionen abgebaut werden, sportliche und
private Seite sollen getrennt werden, die Mannschaften sollen als Ganze
teilnehmen.“ Alle anwesenden Personen sprechen sich für eine Mediation aus.
„Idiot ist schlimm – aber bei Kanake ist Schluss“
Am Vorgespräch mit der Eintracht Neuberg nehmen die Jugendleiterin, der
Vorsitzende und 7 Spieler der Mannschaft teil. Auch hier wird erst zu dem
Konflikt die Sichtweise der Anwesenden dargestellt. Die Jugendleiterin betont,
dass alle den Vorfall sehr bedauern. Als Hauptthema dieser Mannschaft wird
herausgearbeitet, dass die Spieler der Eintracht sich ständig
ausländerfeindlichen Beschimpfungen ausgesetzt sehen. Wörtlich: „Idiot ist
schlimm, aber bei Kanake ist Schluss.“ Die Eintracht-Spieler wollen nicht
überall als Schlägertruppe angesehen werden. Für die Spiele wünschen sie sich
erfahrene, ältere Schiedsrichter.
Die Jugendlichen diskutieren sehr intensiv und temperamentvoll ihre Ansichten
und Wünsche. Alle sprechen sich am Ende für eine Mediation mit der Mannschaft
von TUS Altdorf aus. Beide Vereine hatten ausdrücklich gewünscht, am gemeinsamen
Mediationsgespräch mit allen Spielern und den verantwortlichen Erwachsenen
teilzunehmen. Insgesamt kommen 40 Personen zusammen. Nicht bei jeder Mediation
sind so viele Menschen beteiligt. Oft sind es nur die unmittelbar Betroffenen,
die so ihren Konflikt bearbeiten wollen. Hier fühlten sich aber viele in die
Auseinandersetzung hineingezogen bzw. von dem Konflikt betroffen.
Um die Mediation
in ca. 3 Stunden an einem Abend durchführen zu können (mehrere Termine
wurden von den Beteiligten nicht akzeptiert), wählen die Anwesenden jeweils
10 Sprecher pro Verein (3 Erwachsene, 7 Spieler). Mit ihnen begibt sich das
Team in die einzelnen Phasen der Mediation. In den Vorgesprächen waren beide
Mannschaften einer Meinung, dass die gewalttätigen Auseinandersetzungen
selbst nicht noch einmal Thema des gemeinsamen Gesprächs sein sollten.
Als Thema wurde stattdessen der faire Ablauf der zukünftigen Spiele gewählt.
Beide Seiten hatten besonders großes Interesse daran, dass sie ihre
Fußballspiele möglichst störungsfrei und in sportlich guter Atmosphäre
austragen können. Am Ende wurde eine schriftliche Vereinbarung abgefasst,
die von allen 20 Sprechern gegenseitig unterschrieben wurde. Bei einem
Verstoß gegen die Vereinbarung wird ein Getränk ausgegeben. Die 1.
Vorsitzenden beider Vereine achten auf Verstöße und sorgen für die Ausgabe
der Getränke an die andere Mannschaft.
Das auf die Mediation folgende Hinrunden-Spiel verlief in einem „sehr
ruhigen und fairen Rahmen“, wurde den Mediatoren danach mitgeteilt. Alle
Vereinbarungen wurden eingehalten. |
Vereinbarung:
1. Wir beruhigen uns gegenseitig (der Spieler, der am nächsten steht,
tut dies).
2. Wir begrüßen uns vor dem Spiel gegenseitig, indem wir gegeneinander
durchlaufen und uns die Hand geben.
3. Wir übernehmen die Verantwortung für die eigenen Zuschauer und für
das Geschehen rund um den Platz
4. Wir geben uns nach dem Spiel die Hände.
5. Vor, während und nach dem Spiel werden keine Beleidigungen oder
Drohungen ausgesprochen.
6. Wir entschuldigen uns nach einem Foul. |
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[Hans-Jürgen Rojahn in: zivil -
Zeitschrift für Frieden und Gewaltfreiheit, Nr. 4/2003]
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und Gewaltprävention":
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