Inhaltsverzeichnis
Themen des
Online-Lehrbuchs zur EU:
Einleitung
Bedeutung der EU
Was ist die EU?
EU-Entwicklung
EU-Institutionen
Rat der EU
Europäische Kommission
Europäisches Parlament
Gerichtshof
der EU
Europäischer
Rat
Nationale
Ebene
Zusammenspiel
EU-Internetrecherche
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EU-Institutionen
Gerichtshof der
Europäischen Union
Einige von Ihnen, die mit der Materie vertraut sind, werden sich
möglicherweise wundern, warum dieser Teil nicht mit "Europäischer
Gerichtshof" (EuGH) überschrieben ist. Das hängt damit zusammen,
dass der Vertrag von Lissabon terminologische Veränderungen mit sich
gebracht hat, die einleitend kurz erläutert werden sollen. Sie
finden ihren Ursprung in Artikel 19 EUV, dessen erster Absatz wie
folgt lautet:
"(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union umfasst den Gerichtshof,
das Gericht und Fachgerichte. Er sichert die Wahrung des Rechts bei
der Auslegung und Anwendung der Verträge […]." |
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Mit dem "Gerichtshof der Europäischen
Union" wird also das gesamte Gerichtssystem der EU bezeichnet, das sich
aus drei Komponenten zusammensetzt:
-
Gerichtshof (auch EuGH oder Europäischer
Gerichtshof)
-
Gericht (früher Gericht erster Instanz)
-
Gericht für den öffentlichen Dienst der EU
Und dieser Gerichtshof der EU – und nicht
der EuGH als dessen höchste Instanz – ist eines der sieben Organe der
Union. Im Rahmen der vorliegenden Einführung werden wir uns allerdings
auf den Gerichtshof oder EuGH als wichtigste Instanz des
EU-Gerichtssystems konzentrieren. |
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Zusammensetzung des EuGH |
Der Gerichtshof besteht aus 27 Richtern und 8 Generalanwälten, die von
den Regierungen der Mitgliedstaaten nach Anhörung eines Ausschusses, der
die Aufgabe hat, eine Stellungnahme zur Eignung der vorgeschlagenen
Bewerber für die Ausübung der fraglichen Ämter abzugeben, im
gegenseitigen Einvernehmen ernannt werden. Ihre Amtszeit beträgt sechs
Jahre; Wiederernennung ist zulässig.
Der Gerichtshof kann als Plenum, als Große Kammer mit dreizehn Richtern
oder als Kammer mit drei oder mit fünf Richtern tagen, wobei die
Plenumskonstruktion besonders bedeutsamen oder in der Satzung
vorgesehenen Fällen, wie beispielsweise der Amtsenthebung eines
Mitglieds der Kommission, vorbehalten ist.
Er tagt als Große Kammer, wenn ein Mitgliedstaat oder ein Organ als
Partei des Verfahrens dies beantragt, sowie in besonders komplexen oder
bedeutsamen Rechtssachen. In den übrigen Rechtssachen entscheiden
Kammern mit drei oder fünf Richtern.
Die Generalanwälte nehmen eine den Gerichtshof unterstützende Funktion
wahr, indem sie die Schlussanträge in den Rechtssachen, die ihnen
zugewiesen sind, vorbereiten. |
Aufgaben und Verfahren des EuGH |
Zentrale Aufgabe des EuGH — sowie natürlich auch des Gerichtshofs der EU
insgesamt — ist die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung
der Verträge (Artikel 19, Abs. 1 EUV). Zu seinen Zuständigkeiten gehören
Rechtsstreitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten, Streitfälle zwischen
der Union und den Mitgliedstaaten, zwischen den Organen und
Einrichtungen der EU sowie zwischen Einzelpersonen und der Union.
Außerdem können sich nationale Richter im Rahmen eines vor einem
nationalen Gericht anhängigen Verfahrens bei Auslegungsproblemen im
Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsrecht an den Gerichtshof wenden.
Der EuGH kann auf zwei Wegen eingeschaltet werden. Einmal über das so
genannte Vorabentscheidungsverfahren, bei dem nationale Gerichte um eine
Interpretation von Aspekten des Unionsrechts nachsuchen, die sie zur
Entscheidung in von ihnen behandelten Fällen benötigen, zum anderen über
direkte Klagen. |
großer Einfluss des EuGH auf EU-Entwicklung |
Sein tatsächlicher Einfluss erschließt sich erst, wenn man sich seine
Tätigkeit in einzelnen Bereichen ansieht. Er hat den
verfassungsrechtlichen Rahmen enorm in Richtung Supranationalität
beeinflusst und unter anderem das Prinzip der unmittelbaren — das heißt
für jeden EG-Bürger ohne Zwischenschaltung der Mitgliedstaaten —,
direkten Wirkung des EG-Rechts sowie den Vorrang des Gemeinschaftsrechts
vor nationalem Recht durchgesetzt.
Er hat darüber hinaus aber auch materielle Politik zum Teil sehr
weitreichend geprägt und zum Beispiel in einem bahnbrechenden Urteil das
Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von Standards der Mitgliedstaaten
durchgesetzt, das die mühsame und zeitraubende Harmonisierung von Normen
und Standards ersetzte, und damit eine wesentliche Voraussetzung für das
Binnenmarktprojekt geschaffen. Ein wichtiger Grund für den Einfluss des
EuGH war, dass es ihm in einer gezielten und sehr klugen Strategie
gelang, die nationalen Gerichte in die EU-Rechtsprechung einzubeziehen.
Besonders erwähnenswert scheint uns, dass tausende, vor allem in
Vorabentscheidungssachen gefällte Entscheidungen des EuGH in den
Bereichen freier Warenverkehr, Freizügigkeit, freier
Dienstleistungsverkehr, Gleichbehandlung und soziale Rechte, Grundrechte
sowie Unionsbürgerschaft unmittelbare und weitreichende Folgen für das
Leben der Unionsbürgerinnen hatten, was aber wenig bekannt ist.
Bei einer Bewertung muss man zu dem Schluss kommen, dass der EuGH selbst
im Vergleich mit einflussreichen nationalen Verfassungsgerichten, wie
beispielsweise dem Supreme Court in den USA oder dem deutschen
Bundesverfassungsgericht, über mehr Gewicht verfügt und dem
Integrationsprozess entscheidende Impulse gegeben hat. Seine Rolle und
die von ihm wesentlich mitgestaltete Rechtsordnung zählen zweifellos zu
den herausragenden Merkmalen der Supranationalität der EU, die sie von
allen anderen internationalen Organisationen unterscheidet.
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