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Nachhaltigkeit



 

"Eine nachhaltige Landwirtschaft ist ökologisch tragfähig, ökonomisch existenzfähig, sozial verantwortlich, ressourcenschonend und dient als Basis für zukünftige Generationen." [P. Allen u.a.]


Wie handle ich nachhaltig? - Beispiel:

Nachhaltige Landwirtschaft

Natürlich sind es vor allem die Landwirte, die sehr viel auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft bewirken können. Aber wir alle können dazu beitragen,
 
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indem wir Produkte bevorzugen, die aus nachhaltiger Landwirtschaft stammen;
 

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indem wir regionale Produkte bevorzugen, die keine langen Transportwege hinter sich haben;
 

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indem wir in unserer eigenen "Landwirtschaft", etwa in unserem Garten darauf achten,
 

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dass wir kompostierbare Abfälle kompostieren;

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dass wir schonend oder überhaupt nicht düngen;

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dass wir keine Pestizide (Schädlingsbekämpfungsmittel) und keine Herbizide (Unkrautvernichtungsmittel) verwenden;

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dass wir in unserem Garten einheimische Pflanzen bevorzugen.


Leitbild einer nachhaltigen Landwirtschaft

Der folgende Text nennt vier Grundsätze des Nachhaltigkeitsleitbildes, um daraus ein agrarpolitisches Leitbild der Nachhaltigkeit abzuleiten. Nachhaltige Entwicklung drückt sich dadurch aus, dass

"1. erneuerbare Ressourcen nur ihrer Regenerationsrate entsprechend genutzt werden sollen;

2. endliche Rohstoffquellen nur insoweit einer anthropogenen Nutzung unterzogen werden sollen, soweit diese sowohl in stofflicher als auch funktionaler Sicht durch erneuerbare Ressourcenträger ersetzt werden und gleichzeitig eine höhere Produktivität garantieren;

3. Umweltbelastungen nicht die natürlich vorgegebene Umweltkapazität der Hauptumweltmedien Luft, Boden und Wasser bzw. deren Abbauleistung übersteigen;

4. eine temporäre Äquivalenz zwischen Eintrags- bzw. Eingriffszeitpunkt einerseits und zwischen natürlichen Zeiträumen und Prozessabläufen andererseits bestehen soll.

Diese nun vordergründig sehr starke Ausrichtung auf die ökologische Dimension des Nachhaltigkeitskonzepts ist entwicklungshistorisch dadurch bedingt, dass die Nachhaltigkeitsdiskussion von Beginn an sehr stark mit Fragen der ökologischen Modernisierung und einer innovationsorientierten Umweltpolitik gekoppelt war.

"Nachhaltige Landwirtschaft ...

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... arbeitet mit Methoden und Verfahren, die die Produktivität des Bodens maximieren und gleichzeitig die schädlichen Auswirkungen auf Boden, Wasser, Luft und Artenvielfalt sowie die Gesundheit der Bauern und der Verbraucher minimieren;

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... stellt Methoden und Verfahren in den Mittelpunkt, die Ressourcen erhaltend sind;

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... zielt darauf ab, so wenig wie möglich nicht-erneuerbare und auf Erdölbasis hergestellte Betriebsmittel einzusetzen und sie langfristig abzuschaffen. Sie werden durch erneuerbare ersetzt;

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... wendet Methoden und Verfahren an, die an die jeweiligen örtlichen Verhältnisse angepasst sind;

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... bezieht die Bauern und Bäuerinnen mit ihrem Wissen, ihrem Können und ihren Fähigkeiten mit ein; ist partizipatorisch."

[aus: Deutscher Bundestag (Hg.), Schlussbericht der Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft", S. 338, Online-Version]

Dennoch darf dieser Sachverhalt nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch ökonomische und soziale Funktionen gleichberechtigt behandelt werden müssen. Letztgenannte Faktoren erfordern deshalb die Beachtung bestimmter Spielregeln hinsichtlich einer inter- und intragenerationellen Verteilungsgerechtigkeit um materielle und immaterielle Ressourcen. Letztendlich bedarf insbesondere die ökonomische Komponente gesteigerter Aufmerksamkeit, da es für eine nachhaltige Entwicklung von existenzieller Bedeutung ist, Wirtschaftsinteressen gezielt einzubinden und zu regulieren. Die heute in großem Umfang um den Preis ökologischer Degradation oder sozialer Ausbeutung realisierten kurzfristigen Gewinne sind in einem der Nachhaltigkeit verpflichteten Wirtschaftssystem nicht länger tolerierbar.

Die Extrapolation dieser Grundsätze auf die Agrarpolitik ergibt (...), [dass] eine nachhaltige Agrarpolitik so ausgestaltet sein [soll], dass sie eine Landwirtschaft ermöglicht, die

1. in ökonomischer Hinsicht durch unternehmerisches Handeln geprägt ist, weitgehend ohne Subventionen auskommt und somit wettbewerbsfähig ist. Die in der Agrarwirtschaft Beschäftigten erzielen ihr Einkommen nicht nur durch die Erzeugung gesunder Lebensmittel und deren teilweise regional gebundene Direktvermarktung und Weiterverarbeitung, sondern im Sinne einer multifunktionalen Landwirtschaft auch durch die Erschließung weiterer Erwerbsquellen im Tourismussektor, durch den Anbau nachwachsender Rohstoffe oder die Erzeugung von Energie aus Biomasse. Darüber hinaus ergeben sich weitere Einkommensmöglichkeiten durch die staatliche Honorierung von Naturschutz- und Landschaftspflegeleistungen;

2. in der ökologischen Dimension mit den natürlichen Ressourcen Boden, Luft und Wasser so umgeht, dass diese auch vor langfristigen negativen Einflüssen geschützt sind. Das bedeutet konkret, dass Dünge- und Pflanzenschutzmittel so sparsam und sorgfältig eingesetzt werden, dass angrenzende unkultivierte Bereiche und Gewässer nicht beeinträchtigt werden. Die Bewirtschaftungsform soll ferner eine artenreiche und vielfältige Kulturlandschaft erhalten, wobei es auch das genetische Potenzial alter Kulturpflanzensorten und Haustierrassen zu bewahren gilt;

3. im sozialen Bereich sichere Arbeitsplätze im ländlichen Raum bereitstellt (...);

4. in den ethischen Fragen des Tierschutzes gewährleistet, dass Nutztiere sowohl in der Haltung als auch der Zucht und Fütterung tiergerecht behandelt und nicht unnötig gequält werden;

5. den Verbraucherschutz zu einem neuen politischen Paradigma macht. Der mit der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in einem fordistischen Produktionssystem abgeschlossene historische Kompromiss, gegen Einkommenssicherheit die Bereitstellung einer ausreichenden Lebensmittelversorgung für die städtischen Ballungsgebiete und die Industriebeschäftigten zu gewährleisten, hat in dieser Schlichtheit ausgedient. Dieser Kompromiss ist mit dem gesellschaftlichen Strukturwandel nunmehr selbst in Gefahr geraten. Die wachsende Skepsis gegenüber der Dauersubventionierung bestimmter Produkte, und zwar unabhängig von ihrer Qualität und den Drittwirkungen, die ihre Herstellung auslöst, geht einher mit dem Anwachsen neuer sozialer Milieus, die andere und qualitativ höhere Ansprüche an Nahrungsmittel stellen.

Nachgefragt werden gesunde, nahrhafte und unter ökologischen und Tierschutzaspekten unbedenkliche Nahrungsmittel. Auskunftsansprüche des Verbrauchers gegenüber Behörden und sowohl Lebensmittel erzeugenden als auch vertreibenden Unternehmen helfen neben umfassenden Kennzeichnungspflichten, die Kultur des Misstrauens in eine Kultur des Vertrauens zu wandeln. Aber auch der mündige Verbraucher ist gefordert, durch sein Einkaufsverhalten eine nachhaltige Agrarpolitik zu honorieren und den Teufelskreis des dominierenden Preiswettbewerbs im Einzelhandel zu durchbrechen."

[aus: Holger Meyer/Wilfried Gaum, 10 Jahre nach Rio – Wie nachhaltig ist die Agrarpolitik?; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 31-32/2002, S. 28-29, Online-Version]


Biodynamischer Anbau

Weltweit bauen immer mehr Landwirte ihre Produkte "biodynamisch" oder "organisch" an. Was heißt das? In erster Linie bedeutet das, dass sie Techniken anwenden, die nicht auf die chemischen und genetischen Substanzen und Technologien der Agroindustrie zurückgreifen, sondern auf ökologischem Wissen basieren.

Ohne schädliche "Nebenwirkungen" können sie dadurch die Erträge steigern, Schädlinge unter Kontrolle halten und den Boden fruchtbar halten. Eine wichtige Rolle dabei spielt, dass sie auf große Monokulturen (siehe Foto), wie sie im Zuge der Kolonialisierung vielerorts entstanden sind, verzichten.

"Sie bauen eine Vielfalt von Feldfrüchten an, nach dem Prinzip des Fruchtwechsels, so dass Insekten, die von einer Sorte angezogen werden, bei der nächsten verschwinden. Sie wissen, dass es unklug ist, Schädlinge völlig auszurotten, weil das auch ihre natürlichen Verfolger eliminieren würde, die ein gesundes Ökosystem im Gleichgewicht halten. Statt mit Kunstdünger reichern diese Bauern ihre Felder mit Gülle und untergepflügten Pflanzenresten an, und damit geben sie dem Boden organische Materie zurück, die so wieder in den biologischen Kreislauf gelangt."

[aus: Fritjof Capra, Verborgene Zusammenhänge. Vernetzt denken und handeln - in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, Bern u.a. 2002, S. 248]


Biodynamischer Anbau ist nachhaltig, weil er im Einklang mit den ökologischen Prinzipien steht. Er stellt das gesamte komplexe Ökosystem, in dem und von dem er lebt, in Rechnung und fügt sich in die natürlichen Zyklen ein. Diese ganzheitliche Herangehensweise ist ein zentraler Bestandteil jeder Vorgehensweise, die nachhaltig sein will.

"Biobauern wissen, dass ein fruchtbarer Boden ein lebendiger Boden ist, der in jedem Kubikzentimeter Milliarden lebender Organismen enthält - ein komplexes Ökosystem also, in dem die Substanzen, die für das Leben wichtig sind, sich in Zyklen von den Pflanzen zu Tieren, Dünger, Bodenbakterien und wieder zu den Pflanzen zurück bewegen. Die Sonnenenergie ist der natürliche Brennstoff, der diese ökologische Zyklen antreibt."

[aus: Fritjof Capra, Verborgene Zusammenhänge. Vernetzt denken und handeln - in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, Bern u.a. 2002, S. 248-249]

Als Leitmotiv für nachhaltige Landwirtschaft könnte man formulieren:
Von der Natur lernen statt sie beherrschen und manipulieren zu wollen!

Oft wird eingewendet, dass mit einer nachhaltigen Produktionsweise der steigende Nahrungsbedarf der schnell wachsenden Weltbevölkerung nicht gedeckt werden könne. Nach den Erfahrungen und Forschungen der letzten Jahre kann dieser Einwand als widerlegt gelten. Fritjof Capra fasst einige interessante Ergebnisse einer internationalen Konferenz über nachhaltige Landwirtschaft, die 1999 im italienischen Bellagio stattfand, zusammen:

In Bellagio haben Wissenschaftler berichtet, "dass eine Reihe groß angelegter experimenteller Projekte auf der ganzen Welt, bei denen agroökologische Techniken - Fruchtwechsel, 'Intercropping' (der Anbau weiterer Pflanzen), der Einsatz von Mulchen und Kompost, Terrassenanbau, Wasseranbau usw. - spektakuläre Ergebnisse erbracht hätten, und zwar großteils in ressourcenschwachen Gebieten, die man für ungeeignet zur Erzielung von Nahrungsüberschüssen gehalten hatte.

Zum Beispiel führten agroökologische Projekte, an denen etwa 730 000 bäuerliche Haushalte in ganz Afrika beteiligt waren, zu Ertragszuwächsen zwischen 50 und 100 Prozent, während die Produktionskosten zurückgingen und damit die Einkünfte der Haushalte dramatisch zunahmen - zuweilen um das Zehnfache. Immer wieder zeigte sich, dass die biodynamische Landwirtschaft nicht nur die Produktion erhöht und eine große Vielfalt ökologischer Vorteile bietet, sondern auch den Bauern zugute kommt."

[aus: Fritjof Capra, Verborgene Zusammenhänge. Vernetzt denken und handeln - in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, Bern u.a. 2002, S. 250]


Der gesamte Bericht wird an verschiedenen Stellen im Internet als pdf-Datei [750 kb] zum Download angeboten, unter anderem auf folgender Seite: http://www.rodaleinstitute.org/international/conference/bellagio.pdf

"Wer Waren aus deklariert fairem Handel kauft, übernimmt globale Verantwortung, wer Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft kauft, schützt uns und unsere Umwelt, wer auf regionale heimische Qualität im Einkaufskorb setzt, sorgt für weniger Verkehrsbelastung, sichert Arbeitsplätze und die Wirtschaftskraft in den ländlichen Regionen."
[aus: umwelt & bildung 03/2004, S. 9]

[Autor: Ragnar Müller]

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