| |

|
Wie handle ich nachhaltig? - Beispiel:
Nachhaltiger Tourismus
Seit 1998 ist der internationale Tourismus mit Einnahmen über 500 Milliarden
US-Dollar die größte Exportindustrie der Welt. Tatsächlich setzt die Branche
aber noch deutlich mehr um, denn zu den 700 Millionen Auslandreisen kommen
noch 2,3 Milliarden Touristen, die ihren Urlaub zuhause verbringen.
Die Weltorganisation für Tourismus (WTO,
nicht zu verwechseln mit der Welthandelsorganisation, die unter demselben
Kürzel firmiert) schätzt die Gesamteinnahmen auf jährlich 1,7 Billionen
US-Dollar.
Auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Weltgesellschaft spielt diese
Wachstumsbranche deshalb eine wichtige Rolle. Und tatsächlich werben die
großen Tourismuskonzerne seit einigen Jahren mit Begriffen wie "Ökotourismus"
oder "sanfter Tourismus".
Das darf aber, so Norbert Suchanek, nicht darüber hinwegtäuschen, dass "ungehindert
drei für die Umwelt und die soziale wie ökonomische Situation in den
Entwicklungsländern gefährliche Tourismustrends" zunehmen, nämlich der Trend
zu immer mehr Fernreisen, immer mehr All-inclusive-Reisen und
immer mehr Kreuzfahrtreisen.
[aus: Norbert Suchanek, Die dunklen Seiten des globalisierten Tourismus. Zu
den ökologischen, ökonomischen und sozialen Risiken des internationalen
Tourismus; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 47/2001, S. 32,
Online-Version] |

"Ein Passagier
eines durchschnittlichen Zivilflugzeuges verursacht mit jeder Stunde
Flugzeit ebenso viele Treibhausgasemissionen wie eine durchschnittliche
Person in Bangladesch innerhalb eines Jahres durch alle ihre Aktivitäten
zusammen."
[Manfred Treber von Germanwatch;
http://www.germanwatch.org/rio/c7-aviad.htm, 11.05.05] |

|
Immer mehr Fernreisen
Immer mehr Touristen legen immer größere Entfernungen mit dem Flugzeug
zurück. Der interkontinentale Ferntourismus nahm zwischen 1985 und 1996 um
73 Prozent zu. Die Welttourismusorganisation geht davon aus, dass weltweit
bald jede dritte Urlaubsreise mit dem Flugzeug angetreten wird.
Das IPCC (Intergovernmental
Panel on Climate Change) rechnet in dem 1999 erschienenen Bericht
"Aviation and the Global Atmosphere" mit einer jährlichen Steigerung der
Abgase aus dem Flugverkehr um drei Prozent. Das bedeutet eine Verdoppelung
alle 23 Jahre!
Folgeprobleme
Neben dem zunehmenden Fluglärm führt diese Entwicklung unter anderem zu den
folgenden Problemen:
 |
Der Kohlendioxidausstoß von Flugzeugen ist
besonders klimaschädlich, da das Treibhausgas in großer Höhe ausgestoßen
wird (siehe Grundkurs 4 zum
Klimaschutz). |
 |
Beim Flugzeugbau werden energieintensive
Rohstoffe wie Aluminium verbraucht. |
 |
Der Flächenverbrauch steigt durch den Bau
neuer und den Ausbau bestehender Flughäfen. |
 |
Häufig sind die Belastungsgrenzen der
Fernreiseziele erreicht: "Der Verlust von Stränden aufgrund von Erosion
und Überschwemmung, die Versalzung von Trinkwasserquellen, erhöhter
Umweltstress auf die Küstenökosysteme, Beschädigung der Infrastruktur
durch tropische Stürme und ein großer Verlust an natürlichen
landschaftlichen Reizen bedrohen die Überlebensfähigkeit und
Nachhaltigkeit der Tourismusindustrie vieler kleiner Inseln."
[IPCC, Special Report. The Regional
Impacts of Climate Change: Summary, 1997; zit. nach: Norbert Suchanek, Die
dunklen Seiten des globalisierten Tourismus; in: Aus Politik und
Zeitgeschichte 47/2001, S. 33,
Online-Version] |
|
Immer mehr All-inclusive-Reisen
Neben den Flugreisen - und oft in Kombination - zählen vor allem All-inclusive-Reisen
zu den problematischen Trends der Tourismusbranche. Ihr Marktanteil nimmt stark
zu, weil sie den Reiseveranstaltern höhere Gewinnspannen versprechen, aber sie
bringen eine Fülle von Problemen mit sich, wie der folgende Textauszug von
Norbert Suchanek aufzeigt:
"Fast alle Reisekonzerne setzen zunehmend auf die abgeschlossenen Urlaubsghettos,
in denen die Urlauber so viel essen und trinken können, wie sie wollen (...).
Nur die kurzen Ausflüge mit klimatisierten Reisebussen oder der kurze Besuch
eines Bordells finden außerhalb der Feriendörfer statt. Die Einheimischen werden
so von den Gewinnen aus dem Tourismus weitgehend ausgeschlossen, da oft selbst
die Nahrungsmittel aus den Industriestaaten importiert werden. Die lokale
Bevölkerung wird fast nur noch als gelegentliche Kulisse und als Lieferant für
preiswerte Prostituierte benötigt."
[aus: Norbert Suchanek, Die dunklen Seiten des globalisierten Tourismus. Zu den
ökologischen, ökonomischen und sozialen Risiken des internationalen Tourismus;
in: Aus Politik und Zeitgeschichte 47/2001, S. 33,
Online-Version]
Immer mehr Kreuzfahrten
"Das schon im All-inclusive-Tourismus praktizierte Prinzip des größtmöglichen
Gewinnes für das Reiseunternehmen wird bei den Kreuzfahrten auf die Spitze
getrieben. Den angesteuerten Küsten und Trauminseln der 'Dritten Welt' bleiben
in der Regel nur 'Almosen' und der ins Meer verklappte Abfall
der Traumschiffe.
Transport, Übernachtung und Verpflegung machen den Löwenanteil der Ausgaben
eines jeden Touristen aus. Bei Kreuzfahrten landet dieser Teil der Urlaubskasse
faktisch zu 100 Prozent in den Taschen der internationalen Tourismusbetriebe.
Ihre Schiffe laufen die Kreuzfahrthäfen meist frühmorgens an und legen in der
Nacht wieder ab (...).
Die Wirtschaft der Trauminseln und Küstenregionen der Karibik, des Mittelmeeres,
der Südsee oder des Indischen Ozeans kann allenfalls am Geschäft mit
Kurzausflügen, Imbiss, Reiseandenken und Prostitution mitverdienen. Doch die
Kreuzfahrtlinien ... gönnen den Entwicklungsländern selbst diese Krümel nicht.
Längst können sich die Urlauber auch bequem an Bord mit Urlaubsmitbringseln der
'bereisten' Länder eindecken (...).
Einzige signifikante Einnahmequelle der angesteuerten Länder und Inseln ist die
Eintrittsgebühr, die Hafen- oder 'Kopfsteuer' für Kreuzfahrturlauber. Zum
Vorteil für die Kreuzfahrtindustrie waren aber die angesteuerten Urlaubsländer
bisher unfähig, eine einheitliche Regelung festzulegen. Die Cruise Lines können
so die einzelnen Staaten gegeneinander ausspielen: Inseln, die keine Gebühr
verlangen, werden bevorzugt (...).
Einige Kreuzfahrtunternehmen haben es inzwischen auch fast gar nicht mehr nötig,
Inseln anderer Länder anzusteuern. Sie nutzen firmeneigene oder gepachtete
'Trauminseln'. So erfreut sich die bei den Bahamas gelegene Privatinsel ... Salt
Cay großer Beliebtheit bei Schiffsreiseunternehmen. Gleich drei Kreuzfahrtlinien
teilen sich das Eiland und laufen sie jeweils an verschiedenen Wochentagen an,
wobei sie der Insel jeweils einen anderen Namen geben: Die Dolphin Cruise Lines
nennt sie 'Dolphin Cove' oder 'Blue Lagoon', die Majesty Cruise Lines hat sie
'Royale Isle' getauft, während sich die Premier Cruise Lines mit dem Namen 'Salt
Cay' begnügt."
[aus: Norbert Suchanek, Die dunklen Seiten des globalisierten Tourismus. Zu den
ökologischen, ökonomischen und sozialen Risiken des internationalen Tourismus;
in: Aus Politik und Zeitgeschichte 47/2001, S. 34,
Online-Version]
Nachhaltiger Tourismus?
Die Beispiele zeigen, dass sich die Wachstumsbranche Tourismus
alles andere als in eine nachhaltige Richtung entwickelt. Dabei wurden besonders
problematische Formen des Tourismus wie Golf- oder Sex-Tourismus noch gar
nicht angesprochen. Norbert Suchanek bilanziert:
"Kann der Natur- oder Ökotourismus ... eine Alternative zum aktuellen,
umweltschädlichen und sozial bedenklichen Tourismus sein? Die schlichte Antwort
lautet: 'Nein, unter den gegenwärtigen Strukturen und Machtverhältnissen nicht.'
Der 'Ecotourism' wird derzeit in den Konzernetagen lediglich als ein
Zusatzgeschäft betrachtet (...). Dabei könnte echter, von Einheimischen
kontrollierter 'Öko- und Fair-Trade-Tourismus' eine tatsächliche Chance zum
Schutz der Biodiversität sein. Doch nur wenn er die bestehenden Tourismusformen
ersetzt und nicht wie bisher ergänzt."
[aus: Norbert Suchanek, Die dunklen Seiten des globalisierten Tourismus. Zu den
ökologischen, ökonomischen und sozialen Risiken des internationalen Tourismus;
in: Aus Politik und Zeitgeschichte 47/2001, S. 36-37,
Online-Version]
 |
Weitere Informationen und Links zum Thema "ethischer
Tourismus" findet man u.a. im Online-Angebot der britischen Organisation
Tourism Concern:
http://www.tourismconcern.org.uk
|
[Autor: Ragnar Müller]
[Seitenanfang]
|