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Nachhaltigkeit



Wie handle ich nachhaltig? - Beispiel:

Solarenergie

Unsere Zivilisation gründet sich nach wie vor auf Rohstoffe - v.a. auf Erdöl, Kohle und Erdgas -, die nicht nachwachsen und irgendwann erschöpft sein werden. Hinzu kommt, dass die Verbrennung dieser Rohstoffe zum Klimawandel beiträgt (siehe Grundkurs 4).

Es versteht sich von selbst, dass dies dem Grundgedanken der Nachhaltigkeit diametral entgegensteht. Nachhaltige Energiegewinnung nutzt erneuerbare Energien. Wind-, Wasser- und vor allem Sonnenenergie stehen für eine Wende hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, obwohl längst noch nicht alle damit zusammenhängenden Probleme gelöst sind. Der folgende Textauszug von Ulrich Grober umreisst die Vision von einem solaren Zeitalter.

Die Vision vom solaren Zeitalter

"Das Konzept wurde in den neunziger Jahren ... ins Gespräch gebracht. Die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen für ein Überleben der Menschheit angesichts der drohenden Klimakatastrophe standen im Zentrum. Die Ebene der Lebensstile, die kulturellen, also ästhetischen, ethischen und spirituellen Dimensionen des Übergangs zur Nachhaltigkeit blieben weitgehend ausgeblendet. Nur kleine, relativ wenig beachtete Zirkel thematisierten diese Aspekte. Zu einem Knotenpunkt dieses Netzes wurden in den Jahren 1985 bis 1999 die Toblacher Gespräche.

Der vor allem im deutschsprachigen Raum und in Italien viel beachtete Gesprächskreis richtete seinen Fokus immer stärker von der technischen Ausgestaltung der ökologischen Wende auf die kulturellen Dimensionen von Nachhaltigkeit. 1992, im Jahr des Erdgipfels von Rio, formulierte der Initiator der Toblacher Gespräche, der Südtiroler Künstler, Soziologe und Bergsteiger Hans Glauber, die Koordinaten des neuen Wohlstandsmodells: 'Langsamer, weniger, besser, schöner'. Bei aller Kritik an der zerstörerischen Entwicklung der Zivilisation nimmt der Ansatz die Attraktivität des 'Schneller, höher, weiter, mehr' ernst. Er unterschätzt nicht das Beharrungsvermögen des Stabilität und Sicherheit versprechenden Wachstumsparadigmas. Er verkennt nicht die ästhetische Faszination und die Glücksverheißungen der Konsumwelt. In einem offenen Wettstreit der zwei Modelle müsse der neue Entwurf seine Anziehungskraft steigern und sich als 'einfach schöner' erweisen.

'Die Vision ist das solare Zeitalter, das Zeitalter der umfassenden neuen Kultur der Nachhaltigkeit.' Das fossil-nukleare Zeitalter ist nur eine kurze Episode in der Geschichte der Menschheit. Es umspannt die Epoche vom Beginn der Industrialisierung bis spätestens zur Erschöpfung der fossilen Ressourcen. Vorher lebte die Menschheit nur von der Sonne. Nachher wird sie wieder nur von der Sonne leben. Allerdings erlaubt das zweite solare Zeitalter ein Leben auf einem viel höheren zivilisatorischen Niveau. Denn dank neuer Technologien, vor allem der Möglichkeit, mit der Sonne Strom zu erzeugen, wird es möglich sein, die Energie der Sonne viel besser und flexibler zu nutzen.

Es wird eine dezentrale, demokratischere und gerechtere Zivilisation sein. Denn im Unterschied zum Öl, den anderen fossilen und den nuklearen Brennstoffen, deren Besitz sich in wenigen Händen konzentriert, ist die Sonne für alle da. Wir besitzen die Sonne nicht. Wir haben lediglich Zugang. Die Energiequelle Sonne hat überdies den Vorteil, dass sie besonders reichhaltig da zur Verfügung steht, wo heute Armut herrscht. Die Utopie einer gerechteren Entwicklung rückt in greifbare Nähe.

Der neue zivilisatorische Entwurf setzt auf eine neue Balance von materiellen und immateriellen Gütern, auf umfassende Lebensqualität statt auf einseitigen Güterwohlstand. 'Die Ökonomie des guten Lebens besteht aus einer naturverträglichen Kombination maßvollen Konsums und immaterieller Güter' (Toblacher Thesen 1997). Das solare Zeitalter ermöglicht so eine wesentlich ressourcenleichtere Zivilisation. Diese beruht auf einer neuen Art zu produzieren und zu konsumieren. Sie erkennt die Notwendigkeit, Grenzen kreativ zu akzeptieren. Sie macht die Auseinandersetzung mit der quantitativen Begrenzung zum Konzept und sucht die Potenziale für ein ungestümes kontinuierliches Wachstum auf dem Feld der immateriellen Güter und Werte. 'Die Funktion der materiellen Güter liegt im Grunde darin, uns das Hervorbringen der immateriellen Güter und der Gemeinschaftsgüter zu erleichtern.' (Gerhard Scherhorn, Toblacher Gespräche 1997). Die Begrenzung wird selbst zu einer Ressource. Es gilt, innerhalb dieser Beschränkungen das Maximale herauszuholen. Es entwickelt sich eine Ästhetik des rechten Maßes.

'Auch Schönheit ist ein Lebens-Mittel' (Toblacher Thesen 1998). Sie ist ein Grundbedürfnis. Ohne sie kein erfülltes Leben. Aus der Erfahrung von verletzter Schönheit, also z.B. von verschandelter Landschaft und urbaner Tristesse, Kehrseite der industriellen Massenproduktion, entspringt das Engagement für eine Kultur der Nachhaltigkeit. Sie entfaltet sich im behutsamen Umgang mit den Ressourcen. Sie betont die lokale Eigenart und Tradition ebenso wie die natürliche und kulturelle Vielfalt. Der Genuss von ökologischen Lebensmitteln, die sinnliche Erfahrung von Natur, der Reiz von gutem Design und guter Architektur bedeuten Lebensfreude (...).

Ein europäischer Traum?

Trotz der Meinungsumfragen, die der Solarenergie einen hohen Sympathiewert zusprechen, trotz einiger Erfolgsgeschichten bei dem Versuch, nachhaltige Lösungen auszuarbeiten und ihnen einen 'Sitz im Leben' zu geben - von einer größeren Mobilisierung für den Übergang zu einem solaren Zeitalter kann keine Rede sein. Tatsächlich herrscht eine eigenartige, ungute und paradoxe Situation: In dem Moment, wo es allgemein dämmert, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt haben und in Zukunft mit weniger auskommen müssen, scheint das Konzept der Nachhaltigkeit an Einfluss zu verlieren. Dabei ist es im Kern eine Strategie der bewussten Reduktion. Gerade dadurch hätte es das Potenzial, in aktuellen Krisen gangbare Auswege zu öffnen. Trotzdem herrscht die Meinung vor, erst mit einem 'robusten' Wirtschaftswachstum könne man sich Nachhaltigkeit wieder leisten. Statt den Mut zum Weniger aufzubringen, setzen Politik und Gesellschaft ängstlich auf ein vermutlich illusionäres Mehr an Wachstum.

Es ist eine kühne Idee, in dieser Situation Nachhaltigkeit in das Zentrum eines 'Europäischen Traums' zu rücken. Genau diesen überraschenden Versuch unternimmt ... der amerikanische Autor Jeremy Rifkin. Zunächst diagnostiziert er den 'langsamen Tod des Amerikanischen Traums' und die 'Universalisierung des Europäischen Traums'. Worin bestehen die Unterschiede? 'Der Europäische Traum stellt Gemeinschaftsbeziehungen über individuelle Autonomie, kulturelle Vielfalt über Assimiliation, Lebensqualität über die Anhäufung von Reichtum, nachhaltige Entwicklung über unbegrenztes materielles Wachstum' (S. 9). Im 21. Jahrhundert, so Rifkin, verblasse die Attraktivität eines Modells, das vor allem auf individuelle Freiheit setze, die zudem primär als das Recht auf ungehinderten Zugang zu den Ressourcen und uneingeschränkte Akkumulation von individuellen Reichtümern verstanden werde. Diesem amerikanischen Traum stellt er den neuen europäischen Traum entgegen. Dessen Merkmale sind 'Lebensqualität, gegenseitiger Respekt vor den Kulturen, eine nachhaltige Beziehung zur Natur und Frieden mit den Mitmenschen'.

Mit der Absage an traditionelle Machtpolitik und das Primat ökonomischer Interessen, mit einer entschlossenen Hinwendung zum Prinzip der Vorsorge und einer Kultur der Empathie hätten die Europäer die Lehren aus den Katastrophen ihrer Geschichte und den ökologischen Folgen ihrer Produktionsweise gezogen. Als 'leise Supermacht' könnten sie sich gelassen der Zukunft in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts zuwenden. 'Der Europäische Traum ist ein Silberstreifen am Horizont einer geplagten Welt. Er lockt uns in eine neue Zeit der Inklusivität, Diversität, Lebensqualität, spielerischen Entfaltung, Nachhaltigkeit, der universellen Menschenrechte und der Rechte der Natur und des Friedens auf Erden. Wir Amerikaner', so schließt Rifkin, 'haben immer gesagt, für den Amerikanischen Traum lohne es sich zu sterben. Für den Europäischen Traum lohnt es sich zu leben' (S. 411)."

[aus: Ulrich Grober, Das gute Leben neu denken. Kulturelle Ressourcen für ein solares Zeitalter; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 37/2004, S. 26-27 und S. 30, Online-Version]

[Bei dem zitierten Buch handelt es sich um:
Jeremy Rifkin, Der Europäische Traum. Die Vision einer leisen Supermacht, Frankfurt/Main - New York 2004]

[Autor: Ragnar Müller]

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