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Inhaltsverzeichnis


Online-Lehrbuch Demokratie:

Einleitung

Was ist Demokratie?

 Demokratietheorien

 Demokratietypen

Entwicklung

Staat

Gesellschaft

Probleme

 


Demokratietypen

[Autor: Dr. Ragnar Müller, Mail an den Autor]


Die scheinbar einfache Frage "Was ist Demokratie?", um die es uns in diesem Abschnitt geht, lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Das liegt zum einen daran, dass man bereits auf einer sehr grundlegenden Ebene zwei Konzeptionen unterscheiden kann, nämlich Identitäts- und Konkurrenztheorie der Demokratie (siehe Demokratietheorie). Zum anderen haben sich im Lauf der Geschichte verschiedene Demokratietypen herausgebildet, um die es auf dieser Seite geht. Außerdem wollen wir weiter unten auf der Seite auch noch den Versuch unternehmen, demokratische Systeme von totalitären und autoritären abzugrenzen. Doch zunächst zu den Demokratietypen - das folgende Schaubild veranschaulicht die Einteilung in verschiedene Typen:








repräsentative
Systeme









Gegenüberstellung: parlamentarische vs. präsidentielle Systeme




 



Der folgende Textauszug von Emil Hübner beschäftigt sich mit den beiden Typen von repräsentativen Systemen und nennt die wichtigsten Kennzeichen von parlamentarischen und präsidentiellen Systemen im Vergleich:

"In Repräsentativdemokratien wie dem parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystem übt das Volk die Herrschaft nicht direkt aus, sondern es überträgt sie auf Organe, die im Namen des Volkes die Regierungsgeschäfte wahrnehmen. Großbritannien gilt als das Ursprungsland des parlamentarischen Regierungssystems, dem häufigsten Typus der konstitutionellen Systeme. Die meisten westeuropäischen Staaten gehören ebenfalls einer solchen politischen Ordnungsform an, während die Vereinigten Staaten von Amerika dem Modell eines Präsidialsystems entsprechen. Stellt man das präsidentielle und das parlamentarische Regierungssystem einander gegenüber, so ergeben sich folgende formale Unterschiede:

  • Präsident und Kongress werden im Präsidialsystem der Vereinigten Staaten in getrennten Wahlen bestellt, während im parlamentarischen Regierungssystem eine einzige Wahl über die Zusammensetzung von Parlament und Regierung entscheidet, auch wenn die Möglichkeit unterschiedlicher Koalitionen gegeben ist.

  • Die Regierung wird im parlamentarischen Regierungssystem vom Parlament bestellt, und sie kann von ihm auch wieder abberufen werden. Dem amerikanischen Kongress steht dieses Abberufungsrecht im Normalfall nicht zu. Er kann den Präsidenten nicht wegen politischer Meinungsverschiedenheiten oder wegen veränderter Mehrheiten stürzen. Nur für den Fall, dass ein Präsident sich strafbarer Vergehen schuldig gemacht hat, kann das Repräsentantenhaus gegen ihn Klage (impeachment) erheben, und der Senat kann ihn daraufhin mit Zweidrittelmehrheit seines Amtes entheben.

  • Umgekehrt fehlt dem Präsidenten ein wichtiges Disziplinierungsmittel gegenüber dem Kongress. Er kann ihn nicht — wie zum Beispiel der britische Premierminister das Unterhaus — auflösen und Neuwahlen ausschreiben.

  • Während der Premierminister in Großbritannien, dem Land des klassischen parlamentarischen Regierungssystems, dem Unterhaus angehören muss, verlangt die Verfassung der Vereinigten Staaten eine Unvereinbarkeit (Inkompatibilität) von Regierungsamt und Parlamentsmandat. Der Präsident und die Mitglieder seiner Regierung — mit der Ausnahme des Vizepräsidenten, der gleichzeitig Vorsitzender des Senats ist — dürfen also keinen Sitz im Kongress innehaben.

  • Im parlamentarischen Regierungssystem besteht eine geteilte Exekutive. Die repräsentativen Staatsaufgaben liegen in den Händen eines Präsidenten oder eines Monarchen; die eigentliche Regierungsmacht bleibt für den Regierungschef — den Premierminister, Kanzler oder Ministerpräsidenten — reserviert. In den Vereinigten Staaten hingegen vereinigt der Präsident die Funktionen des Staatsoberhauptes und des Regierungschefs in einer Person.

  • Dem Präsidenten der Vereinigten Staaten ist formal — nicht aber in der Verfassungswirklichkeit — die Möglichkeit der Gesetzesinitiative verschlossen. Er besitzt nur die Möglichkeit, Gesetzesbeschlüsse des Kongresses mit seinem Veto zu belegen. Das Veto des Präsidenten kann allerdings mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Kongresses überstimmt werden. Die Regierung in einem parlamentarischen Regierungssystem hat hingegen die Möglichkeit der Gesetzesinitiative, und sie hat teilweise auch (...) ein absolutes Vetorecht gegen Ausgabengesetze.




Mischformen


semi-präsidentiell





Schweiz












Funktionen des Parlaments


Es gibt jedoch eine Anzahl von westlichen Demokratien, die unter diese beiden Regierungssysteme nur schwer unterzuordnen sind. Zwei weitere Typen sind deshalb nötig:

  • Zum einen gibt es Regierungssysteme (...), in denen dem Staatspräsidenten eine weit gewichtigere Rolle zukommt als in den parlamentarischen Regierungssystemen. Der Staatspräsident wird in solchen Systemen, für die sich der Ausdruck "semipräsidentielles Regierungssystem" durchgesetzt hat, durch direkte Wahlen bestimmt; er hat einen bedeutenden Einfluss auf die Regierungsbildung und weitere wichtige Kompetenzen. Die Regierung ist aber nicht vom Staatspräsidenten allein abhängig, sondern gegenüber dem Parlament verantwortlich und von ihm absetzbar. Neben den Regelungen der Verfassungen spielen in solchen Systemen die Struktur des Parteiensystems und die aktuellen Mehrheitsverhältnisse eine gewichtige Rolle (...).

  • In der Schweiz existiert eine sogenannte Direktorialverfassung, die Eigenheiten des präsidentiellen und des parlamentarischen Regierungssystems miteinander verbindet. Das Parlament wählt zwar die Regierung, kann sie aber während der Legislaturperiode nicht abwählen. Der Regierung steht umgekehrt kein Auflösungsrecht gegenüber dem Parlament zu. Regierungsamt und Abgeordnetenmandat sind unvereinbar. Die Regierung bildet ein Kollegialorgan. Die Funktion des Bundespräsidenten wird in einem festgelegten Rhythmus von einem Mitglied der Regierung mitübernommen. Die Regierung hat — im Gegensatz zum Präsidialsystem — auch formell die Möglichkeit der Gesetzesinitiative.

Trotz der Unterschiede dieser verschiedenen Systeme, die im wesentlichen die Beziehungen zwischen Parlament und Regierung betreffen, haben die Parlamente mit einer Ausnahme ähnliche Funktionen, nämlich:

  • Gesetzgebung einschließlich der Bewilligung des Haushaltes;

  • Kontrolle der Regierung;

  • Repräsentation beziehungsweise Berücksichtigung gesellschaftlicher Interessen;

  • Willensbildung, das heißt aktives Einwirken auf die Meinung der Bevölkerung durch Offenlegung der Argumente, die hinter den getroffenen Entscheidungen stehen; und mit Ausnahme der Parlamente im präsidentiellen Regierungssystem und mit Einschränkung auch derjenigen in den semipräsidentiellen Systemen und in der Direktorialverfassung;

  • Wahl beziehungsweise Sturz der Regierung."

[Autor: Emil Hübner; aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Parlamentarische Demokratie 1, Informationen zur politischen Bildung Nr. 227, 1993]







Schaubild:
Vergleich parlamentarisches - präsidentielles System




 



Das folgende Schaubild fasst die wichtigsten Unterschiede zwischen parlamentarischen und präsidentiellen Systemen zusammen:









USA als Beispiel für präsidiale Demokratie














Formen direkter Demokratie: Schweiz




 



Ein weiterer Textauszug nimmt (am Beispiel der Schweiz) auch den bislang ausgeblendeten Demokratietyp "direkte Demokratie" in den Blick. Er stammt von Hans-Helmuth Knütter:

"Zu unterscheiden sind (...) die repräsentative (parlamentarische und präsidiale) Demokratie, und solche demokratischen Ordnungen, die einzelne Elemente der repräsentativen und der direkten Demokratie miteinander verbinden. Die Bundesrepublik Deutschland ist wie Großbritannien eine repräsentative parlamentarische Demokratie. Ihre Verfassung enthält (...) keinerlei plebiszitäre Elemente (...). Als Beispiel einer Präsidialdemokratie sollen die USA dienen. Ihr Kennzeichen ist die strikte Trennung von Parlament und Regierung. Der Präsident als Chef der Exekutive geht aus einem Wahlgang hervor, der mit den Parlamentswahlen nichts zu tun hat. Gleichzeitige Zugehörigkeit zu Regierung und Parlament ist nicht möglich. So wie das Parlament keine Möglichkeit hat, dem Präsidenten das Misstrauen auszusprechen und ihn zu stürzen, hat umgekehrt der Präsident kein Auflösungsrecht. Nur über eine Präsidentenanklage im Falle von Rechtsverletzungen wäre es möglich, ihn vorzeitig aus dem Amt zu entfernen. Das ist in der Geschichte der Vereinigten Staaten erst einmal im 19. Jahrhundert geschehen. Richard Nixon trat 1978 vor Erhebung einer solchen Anklage zurück. Die strikte Trennung zwischen Parlament und Regierung führt dazu, dass der Präsident nicht auf eine ständige Mehrheit rechnen kann. Um Gesetzesvorhaben durchzubringen; bedarf es wechselnder Mehrheiten, die durch Einflussnahme und Verhandlungen zusammengebracht werden müssen. Kompromissbereitschaft und Fähigkeit zum Ausgleich auf beiden Seiten sind die Voraussetzung für das Funktionieren dieses Systems (...).

Als Beispiel für eine direkte Demokratie wird häufig die Schweiz genannt. Bei näherer Betrachtung ist diese Behauptung nicht haltbar, wenn auch die direkte Demokratie besonders in Form von kantonalen Volksabstimmungen eine große Rolle spielt. Die Verfassung der Schweizer Eidgenossenschaft von 1848 (revidiert 1874) kennt als oberstes Organ die Bundesversammlung, die aus dem Nationalrat (Unterhaus) und dem Ständerat (Vertretung der Kantone) besteht. Der Bundesrat — die Regierung — wird auf vier Jahre von der Bundesversammlung gewählt und hat ihr gegenüber eine nicht sehr starke Stellung. Die schweizerische Verfassung weist dem Parlament eindeutig die wichtigste Rolle zu. In der Verfassungswirklichkeit hat sich die Regierung, genauso wie in anderen Demokratien, zur bedeutendsten der drei Gewalten entwickelt. Da der Bundesrat die Bundesversammlung nicht auflösen, und diese den Bundesrat nicht stürzen kann, ergibt sich in der Verfassungswirklichkeit eine starke Stellung des Bundesrates, dessen Mitglieder über lange Zeit hinweg im Amte bleiben. Die Kontrolle sowohl über das Parlament als auch über die Regierung wird von den Wahlberechtigten ausgeübt. Aktivbürger stimmen in Volksentscheiden nicht nur über Verfassungsänderungen ab, sondern haben auch das Recht, verschiedene Gesetze durch Volksentscheid aufzuheben und durch Volksbegehren die gesetzliche Regelung bestimmter Fragen zu verlangen. Wenngleich die repräsentativen Elemente in der schweizerischen Verfassung stark sind, so sind die plebiszitären Elemente kaum schwächer (...).

Ganz im Gegensatz zu den Erfahrungen der Weimarer Republik haben sich die Elemente der direkten Demokratie in der Schweiz bewährt. Sie haben nicht zur Revolution oder zum Chaos geführt, sondern eher einen bewahrenden Charakter gehabt. Die Auffassung, dass in der Demokratie die Staatsgewalt vom Volke ausgehe — das Volk als "pouvoir constituant" — ist in der Schweiz am stärksten verwirklicht. Die Wahlbevölkerung besitzt die meisten direkten politischen Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten von allen Demokratien, aber zur Funktion des Regierungssystems sind Repräsentativorgane unerlässlich (...).

Der historische Rückblick und die Betrachtung der verschiedenen demokratischen Ordnungen der Gegenwart lehren, dass "Demokratie" zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern durchaus unterschiedlich verstanden und praktiziert wird. Wichtig ist die Erkenntnis, dass Demokratie weder als Idee noch als staatlich verfasste Ordnung statisch ist, sondern Veränderungen unterliegt."

[Autor: Hans-Helmuth Knütter, aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Demokratie, Informationen zur politischen Bildung Nr. 165, Neudruck 1992]




Abgrenzung demokratische - undemokratische Systeme




Parlamentarismus




 



Demokratische, totalitäre und autoritäre Systeme

Die Frage "Was ist Demokratie?" lässt sich auch beantworten, indem man versucht, demokratische Systeme von undemokratischen abzugrenzen. Darum geht es in dem folgenden Text von Emil Hübner. Nach kurzen Ausführungen zum Parlamentarismus im allgemeinen widmet er sich den Unterschieden von demokratischen, totalitären und autoritären Systemen:

"Parlamentarismus ist auf den ersten Blick ein vieldeutiger Begriff. Mit einem sehr weit gefassten Parlamentarismusbegriff nämlich könnte man sämtliche Systeme zusammenfassen, in denen ein Parlament existiert — egal welche Position das jeweilige Parlament einnimmt und welche Aufgaben es hat. Der Nationalsozialismus erfüllte die Bedingungen dieses Begriffes ebenso wie zum Beispiel die Sowjetunion während der Stalin-Ära, Franco-Spanien oder das Rumänien Ceausescus. Westliche Demokratien fallen genauso unter diesen Begriff wie autoritäre Entwicklungsländer. Dieser Parlamentarismusbegriff ist offensichtlich so weit gefasst, dass er unbrauchbar ist.

Von Parlamentarismus sollte man nur im Zusammenhang mit demokratischen Systemen sprechen. Dies macht zunächst eine Unterscheidung von demokratischen und nichtdemokratischen Systemen notwendig. Die Versuche, politische Systeme gegeneinander abzugrenzen, sind alt. Sie sind seit der Antike, wo sie insbesondere durch Aristoteles wichtige Impulse erhielten, bis heute nicht abgerissen. Aber während des 19. Jahrhunderts und insbesondere während des 20. Jahrhunderts haben sich Veränderungen ergeben, die die alten Typologien weitgehend unbrauchbar machen. Die ursprünglich beliebte Unterscheidung zwischen Monarchien und Republiken ist zum Beispiel heute nicht mehr besonders aussagekräftig. Zumindest in den großen westlichen Demokratien, an deren Spitze — wie in Großbritannien, Belgien, Spanien, in den Niederlanden oder in den skandinavischen Ländern — noch heute Monarchen stehen, sind diese ihrer früheren Machtfülle weitgehend beraubt und unterscheiden sich heute von den Präsidenten in anderen parlamentarischen Regierungssystemen im wesentlichen nur noch durch die Erblichkeit ihrer Ämter. Zum anderen haben Nationalsozialismus und Stalinismus — mitbedingt durch das Aufkommen moderner Massenkommunikationsmittel — Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen entwickelt, die nicht einfach mit der Herrschaftspraxis früherer Diktatoren verglichen werden können. So begannen in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts die ersten Versuche, die Eigenheiten des nationalsozialistischen und des stalinistischen Regimes herauszuarbeiten. Sie führten zu der Unterscheidung von totalitären, autoritären und demokratischen Systemen.



demokratische Systeme:
Kennzeichen


 


Demokratische Systeme zeichnen sich vor allem durch politischen Wettbewerb aus. Regelmäßige, allgemeine, geheime und freie Wahlen zwischen Parteien mit unterschiedlichen Zielsetzungen legitimieren die Träger der politischen Herrschaft und bieten die Möglichkeit der Ablösung der regierenden Partei(en), auch wenn dies in der Praxis — wie zum Beispiel in Japan, wo die Liberale Partei seit 1946 an der Macht ist — lange dauern kann.

Die Garantie von Menschen- und Bürgerrechten beschränkt in diesen Systemen die Staatsmacht und ermöglicht erst die pluralistischen Strukturen, die notwendig sind, damit der Volkswille und seine unterschiedlichen Interessen sich im Herrschaftssystem zur Geltung bringen können.

Eine Demokratie ist nicht nur ein auf Volkssouveränität gegründetes System mit Mehrheitsentscheidungen. Hinzukommen Rechtsstaat und Gewaltenteilung, die Minderheiten schützen, der staatlichen Willkür vorbeugen und die Macht der einzelnen Herrschaftsträger begrenzen sollen.

Für die Überlebensfähigkeit demokratischer Systeme ist es darüber hinaus von Bedeutung, dass neben kontroversen Meinungen und Interessen auch ein allgemein akzeptierter Bereich von Werten — zum Beispiel die Grundrechte oder die demokratische Regierungsform selbst — besteht, der nicht von größeren Bevölkerungsgruppen in Frage gestellt wird.



totalitäre Systeme:
Kennzeichen




Beispiele: Nationalsozialismus und Stalinismus


Der Totalitarismus bildet in dieser Typologie den Gegenpol zu den demokratischen Systemen. Die klassischen totalitären Systeme — der Nationalsozialismus und das Sowjetsystem stalinistischer Prägung — sind insbesondere durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Es existiert eine einzige Partei, die ihre Legitimation nicht aus Wahlen herleitet und den Volkswillen nicht als Schranke ihrer Macht akzeptiert. Sie betrachtet es umgekehrt als ihre Aufgabe, den Volkswillen gemäß ihren eigenen Vorstellungen zu prägen.

  • Grundlage hierfür ist eine religionsähnliche Weltanschauung. Diese Weltanschauung nimmt für sich in Anspruch, dass sie "wahr" ist und den idealen Endzustand der Gesellschaft nicht nur kennt, sondern auch in absehbarer Zeit herbeiführen wird. Kernpunkte der nationalsozialistischen und der kommunistischen Ideologie waren die Weltherrschaft der "arischen Rasse" beziehungsweise der Aufbau einer "klassenlosen Gesellschaft".

  • Die Akzeptierung der herrschenden Weltanschauung ist für Bürger in totalitären Systemen verpflichtend. Ihnen wird nicht gestattet, sich abseits zu halten und in private Freiräume zurückzuziehen. Sie werden vielmehr gezwungen, die herrschende Weltanschauung aktiv zu unterstützen. Wo die aktive Unterstützung nicht freiwillig erfolgt, wird sie durch ein ausgeklügeltes System von Unterdrückungsmechanismen durch die Herrschenden erzwungen. Da die Massenkommunikationsmittel, die sich in der ausschließlichen Kontrolle der Machteliten befinden, weder während des Nationalsozialismus noch des Stalinismus die in sie gesetzten Erwartungen gänzlich erfüllten und eine Identität zwischen Regierenden und Regierten nicht erzwingen konnten, waren zusätzliche terroristische Unterdrückungsinstrumente notwendig. Die brutale und menschenverachtende Verabsolutierung der eigenen Weltanschauung fand ihre symbolhaften Höhepunkte in den Konzentrationslagern, in der Vernichtung "lebensunwerten Lebens" und in dem Völkermord an sechs Millionen europäischen Juden sowie in den stalinistischen Säuberungen, denen viele Millionen Menschen zum Opfer fielen (...).




autoritäre Systeme:
Kennzeichen




 


Autoritäre Systeme
sind — und das haben sie mit den totalitären gemein — nichtdemokratische Regierungssysteme. Der Begriff "autoritäre Systeme" ist nicht eindeutig, er umfasst eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Regime. Unter die autoritären Systeme wären zum Beispiel zu rechnen die linken oder rechten Militärdiktaturen, die für viele Entwicklungsländer kennzeichnend sind, aber auch das ehemalige Franco-Spanien oder Chile unter Pinochet. Wahlen sind in solchen Systemen manipuliert. Im Gegensatz zu den totalitären Regimen spielt nicht die Weltanschauung, sondern die Herrschaftssicherung die zentrale Rolle. Ein eingeschränkter Pluralismus wird, sofern er keine Systemgefährdung mit sich bringt, normalerweise geduldet. Die Mobilisierung der Bevölkerung zugunsten einer Weltanschauung, der die Funktion einer Ersatzreligion zukommt, ist untypisch für solche Systeme. Vielmehr sind die Herrschaftseliten vielfach bereit, die private Sphäre und sogar abweichende politische Anschauungen der Bürger zu tolerieren, solange keine öffentliche Kritik am Regime geübt wird. Da es keine allgemein verbindliche Weltanschauung gibt, spielt auch die Staatspartei vielfach keine entscheidende Rolle und wird oftmals durch Herrschaftscliquen abgelöst, die auf persönlichen Beziehungen beruhen. Unter autoritären Regimen ist der Bürger, soweit er nicht aktiver Regimegegner ist, bei weitem weniger Repressions- und Terrormaßnahmen als unter totalitären ausgesetzt, da er das Regime nur dulden, nicht aber unterstützen muss.

Ideologien und totalitäre Bewegungen sind nicht selten — und sicherlich berechtigterweise — als charakteristisch für das 20. Jahrhundert bezeichnet worden. Die Entwicklungen der jüngsten Zeit erweisen die Anziehungskraft der demokratischen Systeme und lassen hoffen, dass die parlamentarische Demokratie über kurz oder lang weitere Erfolge erringen kann."

[Autor: Emil Hübner; aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Parlamentarische Demokratie 1, Informationen zur politischen Bildung Nr. 227, 1993]


Im vorliegenden Abschnitt "Was ist Demokratie?" steht eine weitere Vertiefungsseite zum Thema Demokratietheorie zur Verfügung. Weitere Abschnitte widmen sich den folgenden Fragen:

 

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