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Grundkurs 5: Lösungsansätze - Global Governance
Wenn die Probleme zunehmend globalen Charakter
annehmen, muss sich auch die politische Problemlösung "globalisieren". Hierfür
gibt es verschiedene Konzepte bis hin zur Errichtung eines Weltstaates. Da
dieser jedoch - zumindest auf absehbare Zeit - Utopie bleiben wird und nach
Meinung vieler auch gar nicht wünschenswert wäre, hat man sich auf die Suche
nach anderen, neuartigen Organisationsformen für Politik im Zeitalter der
Globalisierung gemacht. Hierfür steht der Begriff "Global Governance". Global
Governance wird bezeichnet als ...
 | Weltregieren ohne Weltregierung |
 | Weltinnenpolitik |
 | Weltordnungspolitik |
 | Politik im 21. Jahrhundert |
 | Gegenkonzept zum Neoliberalismus |
 | Antwort auf die Globalisierung |
Die folgende Tabelle stellt verschiedene
begriffliche Annäherungen an Global Governance zusammen, die einen ersten
Eindruck von den Bedeutungsdimensionen und der Stoßrichtung der Ansätze
vermitteln:
Global Governance ist ... |
„... politische Korrektur der globalisierten
Marktwirtschaft im Sinne ... einer Einbindung des ökonomischen Systems in
umfassendere gesellschaftliche Ziele...“
[Holger Mürle] |
„... das Zusammenwirken von staatlichen und
nicht-staatlichen Akteuren von der lokalen bis zur globalen Ebene ...”
[Dirk Messner / Franz Nuscheler] |
„... nicht nur ein außenpolitisches Konzept,
sondern ein Projekt zur Reorganisation von Politik auf allen Handlungsebenen
... Global Governance bedeutet, den drohenden Gestaltungsverzicht der
Politik zugunsten anonymer Systemlogiken und die Herausbildung einer ‚entstaatlichten
Welt‘ abzuwenden ...“
[Dirk Messner / Franz Nuscheler] |
„... Gesucht waren Lösungsansätze, die die
wirtschaftlichen und politischen Vorteile der Globalisierung nicht in Frage
stellen und geeignet sind, die aufgetretenen Ungerechtigkeiten und Gefahren
zu überwinden oder zu mildern ... Diese Aufgabe wird inzwischen mit dem
Namen Global Governance bezeichnet ...“
[Deutscher Bundestag] |
„... komplexes Mehrebenensystem des Regierens
jenseits des Nationalstaats...“
[Ulrich Menzel] |
„... Versuch zur Bewältigung globaler Probleme
...“
[Dirk Messner / Franz Nuscheler] |
„... das Gegenteil von Regelungen, die eine
weitere Liberalisierung und Globalisierung der Märkte zum Inhalt haben...“
[Holger Mürle] |
„... ein aus dem weltpolitischen
Regulierungsdefizit geborenes Konzept, mit dem die Kompetenz und Transparenz
Internationaler Institutionen unter Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure
gestärkt werden soll ...”
[Klaus Müller] |
„Der Kapitalismus ist ein kraftvoller und
starker Tiger, der angestachelt werden kann, um eine Wirtschaft zu beleben -
vorausgesetzt seine Kräfte werden durch staatsbürgerliche und politische
Institutionen gebändigt. Die Globalisierung hat den Tiger aus dem Käfig
gelassen und einen "wilden" Kapitalismus freigesetzt, der wie ein befreiter
Tiger seine räuberischen und alles verschlingenden Gewohnheiten wieder
aufgenommen hat“ [Benjamin R. Barber].
Das Ziel von Global Governance ist die (erneute) Zähmung des durch die
Globalisierung freigelassenen „Tigers“. |
Global Governance als Antwort auf globale
Probleme
Ungleiche Verteilung der Gewinne, Steuerausfall durch Offshore-Finanzzentren,
internationale Krisen infolge unvorstellbarer spekulativer Kapitalbewegungen,
ruinöser Standortwettbewerb aufgrund des Drohpotentials multinationaler
Unternehmen und andere Folgeprobleme der (wirtschaftlichen) Globalisierung
lassen sich nur im globalen Rahmen angemessen bearbeiten, wobei Akteure auf
allen Ebenen zusammenarbeiten müssen. Das Gleiche gilt für globale Probleme vom
Treibhauseffekt über Migration und internationale Kriminalität bis hin zur
Verbreitung von ABC-Waffen.
Für diese und andere Probleme ist der Nationalstaat zu klein. In seinem Rahmen
erfolgte die erste, erfolgreiche „Zähmung des Kapitalismus“. Nun stehen seine
Grenzen, durch die er sich maßgeblich definiert, in krassem Missverhältnis zur
Entgrenzung durch die Globalisierung: Der Nationalstaat erodiert, er kann
wichtige Staatsfunktionen alleine nicht mehr erbringen, etwa die Gewährleistung
von Sicherheit für seine Bürger im Zeitalter von Massenvernichtungswaffen.
Die Global Governance-Architektur
Das entstehende Vakuum, das Regelungsdefizit will Global Governance füllen durch
internationale Kooperation - dabei bleibt der Nationalstaat eine zentrale
Regelungsebene -, aber auch durch neue Politikformen, insbesondere durch die
Einbeziehung der (globalen) Zivilgesellschaft und die Stärkung internationaler
Organisationen. Das Schaubild veranschaulicht die entsprechende Architektur:

Global Governance zwischen Utopie und
Notwendigkeit
„Global Governance ist kein romantisches Projekt für eine heile ‚Eine Welt‘,
sondern eine realistische Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung“,
so argumentiert Franz Nuscheler. Die Global Governance-Konzepte versuchen,
Lösungsansätze für die Weltprobleme zu finden. Die Notwendigkeit neuer Wege der
politischen Problemlösung ist nahezu unumstritten, doch sehen sich die
Architekten von Global Governance häufig dem Vorwurf ausgesetzt, ihre Entwürfe
seien utopisch.
Wie soll globale Zusammenarbeit effektiv funktionieren, wenn die Vereinigten
Staaten als Hegemonialmacht zunehmend auf Alleingänge setzen und beispielsweise
aus dem Kyoto-Protokoll austreten, was einen schweren Rückschlag für die
Bemühungen um einen globalen Klimaschutz bedeutet? Wer soll die Zusammenarbeit
von Staaten, Unternehmen, Städten, NGOs etc. koordinieren?
Und selbst wenn sich eine effektive Zusammenarbeit koordinieren ließe: Durch wen
sind die Entscheidungen legitimiert? Wie lassen sich demokratische Verfahren im
globalen Maßstab organisieren? Global Governance muss gleichzeitig effektiv und
demokratisch sein. Diese beiden grundlegenden Erfordernisse stehen in einem
Spannungsverhältnis zueinander.
Das am weitesten fortgeschrittene Modell für die Zusammenarbeit von Staaten und
Gesellschaften bildet die Europäische Union (EU), die deshalb als Laboratorium
für Global Governance gelten kann. Und im Rahmen der EU lässt sich genau das
angesprochene Dilemma von Effizienz und Demokratie beobachten, wobei auch noch
in Rechnung gestellt werden muss, dass sich die europäischen Staaten natürlich
weit ähnlicher sind, als dies im Weltmaßstab der Fall ist.
Vorschläge zur Vertiefung der Thematik
1. Die EU als Laboratorium für Global Governance - ausführliche Informationen
zur EU bietet der Europaserver (www.europa.eu.int)
sowie ein eigener Themenkomplex auf D@dalos [...
zum
Themenkomplex Europäische Union]
2. Die Vereinten Nationen (UN) als Ansatz zum Weltregieren - ausführliche
Informationen bietet das Online-Angebot der UN (www.un.org)
sowie ein eigener Themenkomplex auf D@dalos [...
zum Themenkomplex Vereinte
Nationen]
3. Die Weltkonferenzen der 90er Jahre als Beispiel für Global Governance
[... mehr]
4. Die Agenda 21 als Paradebeispiel für Global Governance [...
mehr]
[Autor: Ragnar Müller]
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