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Inhaltsverzeichnis


Online-Lehrbuch Demokratie

Einleitung

Was ist Demokratie?

Entwicklung

 Antike

 Mittelalter

 Neuzeit

Staat

Gesellschaft

Probleme

 


Entwicklung der Demokratie

Demokratie in der Antike: Athen als "Wiege der Demokratie"

[Autor: Dr. Ragnar Müller, Mail an den Autor]


Der einführende Text von Hans-Helmuth Knütter beleuchtet die Anfänge der Demokratie im antiken Griechenland. Im Anschluss daran stehen zwei vertiefende Texte zur Verfügung:

Ganz unten auf der Seite finden Sie einen hervorragenden Text zur athenischen Demokratie als Empfehlung zum Weiterlesen...


Die Anfänge der Demokratie in der griechischen Polis

"Die Anfänge der Demokratie sind verbunden mit dem Entstehen der griechischen Polis. Da der moderne Staatsbegriff nicht ohne weiteres auf die Antike übertragen werden kann, sollte man unter Polis das Gemeinwesen, unter Politik die Regelung öffentlicher Angelegenheiten verstehen. Die Polis bildet sich aus primären Gemeinschaften, Mann - Frau, Herr - Sklave. Die Mehrzahl der Familien bildet einen Geschlechterverband, die Vielzahl der Familien bildet die Polis. In diesen seit dem neunten Jahrhundert v. Chr. entstehenden städtischen Gemeinschaften entwickelte sich eine Bürgerschaft (Demos), die alle Freien als politisch Gleichberechtigte umfasste.

Die Regierung, die in den einzelnen Poleis durchaus unterschiedlich war, ging von der Volksversammlung aus. In der Blütezeit der griechischen Demokratie, dem fünften und vierten vorchristlichen Jahrhundert, bestimmte die Volksversammlung die Gesetzgebung, die Außen-, Innen-, Finanz- und Militärpolitik. Die antike Demokratie beruhte auf der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, der Redefreiheit und dem freien Zugang zu öffentlichen Ämtern. Die Volksversammlung wählte aus ihrer Mitte Geschworene, die in ihrer Gesamtheit als Gericht fungierten. Öffentliche Ämter wurden nur für begrenzte Zeit vergeben, die Amtsinhaber waren zu öffentlicher Rechenschaft verpflichtet.



Nur Vollbürger haben Rechte














Kennzeichen
der Polis


Bei kritischer Betrachtung sind die Nachteile dieser Regierungsform nicht zu übersehen. Zunächst galten alle Rechte und Pflichten nur für die Vollbürger, eine Minderheit der Einwohner. Frauen, Ausländer, Sklaven und Einwohner, die keine Vollbürger waren (Metöken) hatten zum Teil keine, zum Teil beschränkte Rechte. Sie konnten keinen Grundbesitz erwerben, keine öffentlichen Ämter bekleiden und hatten kein Stimmrecht. Tatsächlich bestand in der Polis die Herrschaft einer Minderheit. Da die Volksversammlung direkt herrschte, bestand die Gefahr, dass Augenblicksstimmungen und Demagogie zu Fehlentscheidungen führten.

So zutreffend diese Kritik auch ist, die antike Polis behält ihr Verdienst für die Begründung der Demokratie, weil hier zum erstenmal die Bedeutung des Menschen als Einzelwesen gesehen wird, Selbstregierung und Freiheit von den Tyrannen praktiziert und zugleich philosophisch begründet wurden (...).

Auch außerhalb Griechenlands hat es demokratische Formen und Ansätze gegeben, die sich nicht in gleicher Weise durchsetzen konnten und keine staatsphilosophische Begründung fanden.

Römer und Germanen

In der Römischen Republik befand sich die Macht in der Hand der Patrizier. Es handelte sich um eine aristokratische Herrschaft. Nach heftigen sozialen Kämpfen kam das demokratische Prinzip stärker zur Geltung, die materielle Lage und politische Bedeutung der ärmeren Bevölkerung (Plebejer) besserte sich, die Volksversammlung gewann an Macht, ohne sich aber behaupten zu können.

Die politische Ordnung der nordeuropäischen germanischen Völker beruhte ebenfalls auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung aller Freien, so dass die Volksversammlung das oberste Organ war. Allerdings galt auch hier, dass dies Recht auf die grundbesitzenden Familienoberhäupter beschränkt war. Ihre freien Familienangehörigen, und die breite Schicht der Halbfreien und Unfreien waren politisch einflusslos."

[Autor: Hans-Helmuth Knütter, aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Demokratie, Informationen zur politischen Bildung Nr. 165, Neudruck 1992]


Nach dieser allgemeinen Einführung wollen wir uns die Ausgestaltung der demokratischen Ansätze in der Antike anhand eines Beispiels genauer ansehen, nämlich anhand der Entstehung und Entwicklung der Polis in Athen. Der folgende Text stammt aus dem BpB-Band "Schlaglichter der Weltgeschichte" und beleuchtet den allmählichen Übergang von der Adelsherrschaft über Alleinherrschaft (tyrannis) zur Demokratie:

"Die Entstehung der Polis

In den als "Übergangszeit" oder "dark ages" bezeichneten Jahrhunderten, die auf die Wanderbewegungen griechischer Stämme im 12. und 11. Jahrhundert v.Chr. folgten, hatte sich die für die Zukunft grundlegende ethnische Struktur Griechenlands mit den Stämmen und Dialekten der Äolier, lonier und Dorer herausgebildet. Auch eine gemeinsame Religion und ein gemeinsamer Mythos, der zunächst mündlich tradiert wurde, entstanden. Der Beginn der sich anschließenden "archaischen Zeit" (ca. 800-500) war im wesentlichen bestimmt durch das Entstehen der griechischen Literatur, den Übergang von der Königs- zur Adelsherrschaft, die Entwicklung der Polis und die griechische Kolonisation.

Konstitutiv für das Phänomen der Polis ("Stadtstaat"; Mehrzahl: Poleis) war die Verbindung von städtischer Siedlung und agrarischem Umland, staatliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit nach außen (Eleutheria, Autarkia) und die innere Struktur der Polis, die als Personenverband der Bürger eine politische, wirtschaftliche, religiöse und kulturelle Lebensgemeinschaft darstellte. Die städtische Siedlung der Polis bildete sich in der Regel um eine befestigte Anhöhe (Akropolis), häufig auf ehemals mykenischen Siedlungsplätzen.

Adelsherrschaft

Etwa gleichzeitig mit der Entstehung der Poleis war im 8. Jahrhundert v.Chr. in den meisten griechischen Gemeinwesen die Monarchie der Herrschaft des Adels gewichen, der die neu geschaffenen höchsten Staatsämter bekleidete. In Athen regierte seit 683/82 das jährlich wechselnde Kollegium der Archonten, ursprünglich wohl bestehend aus dem Archon Eponymos, der dem Jahr seinen Namen gab und die wesentlichen Aufgaben des Königs übernahm, und dem obersten Kultbeamten, dem Basileus. Später sind diese Oberämter um die Ämter des Polemarchos, des obersten Feldherrn, und der sechs Gerichtsbeamten, Thesmotheten, erweitert worden, so dass die klassische Anzahl von neun athenischen Archonten Ergebnis einer längeren Entwicklung ist. Nach ihrer Amtsführung traten die Archonten dem Adelsrat (Areiopag) bei, dem neben der allgemeinen Staatsaufsicht strafrechtliche Aufgaben oblagen.

 

 

 

Hintergrund: Das antike "Staatsverständnis"

 

Nach heutigem Sprachgebrauch lässt sich der Begriff "politische Ideen" wohl auch mit "Staatsdenken" oder "Gedanken über den Staat" wiedergeben. Eine solche Erklärung, die "politisch" mit "staatlich" gleichsetzt, wäre für die Antike zu eng. Sie hat weder den abstrakten Begriff "Staat" noch seinen uns geläufigen Inhalt gekannt — und nur der Einfachheit halber wenden wir das aus dem lateinischen status = Stand, Zustand kommende Wort auf antike Verhältnisse an.

An den Eigenbezeichnungen, mit denen die antiken Staaten nach außen auftraten, ist abzulesen, dass der antike "Staat" in viel stärkerem Maße als personale Gemeinschaft empfunden wurde: Der athenische Staat waren "die Athener", der spartanische (ladedaimonische) Staat "die Lakedaimonier", und der römische Staat war "das römische Volk" (populus Romanus). Der athenische Historiker Thukydides ließ 413 v. Chr. seinen Landsmann Nikias als Feldherrn zu athenischen Truppen sprechen: "Ein Staat, das sind seine Männer" (7,77,7). Für Cicero waren der Staat (res publica = die öffentliche Sache) und "die Sache des Volkes" identisch (De re publica 1,39). Und noch Augustin tröstete 410 n. Chr. die Christen, nachdem die Ewige Stadt von den Goten erobert worden war: Rom (d.h. der römische Staat, nicht nur die Stadt), was ist das anderes als die Römer? (Sermo 81,9).

Der personale Charakter des Staates war von der Machtverteilung und den Entscheidungs-kompetenzen im Innern unabhängig. Er galt für die athenische Demokratie wie für die spartanische Aristokratie, und er änderte sich auch in Rom mit dem Übergang von der Republik zur Kaiserzeit offiziell nicht. In den traditionellen Monarchien der griechischen Welt erschienen aus dem gleichen Grund die Könige nie mit dem Königstitel; König Philipp von Makedonien war einfach "Philipp, Sohn des Amyntas". Nur nichtgriechische Herrscher wiesen sich durch den Königstitel aus und verrieten dadurch in den Augen der Griechen, dass es bei ihnen neben der Alleinherrschaft keine eigentliche staatliche Gemeinschaft gab; erst unter persischem Einfluss nahmen später auch die hellenistischen Könige den Königstitel an.

Das Staatliche einer solchen Personengemeinschaft bestand darin, dass sie ihren Mitgliedern eine Rechtsordnung im Innern und Schutz nach außen bot; zugleich stellte sie eine religiöse Einheit dar. Die (fiktive) gemeinsame Abstammung, die Institutionen oder das Territorium waren keine konstituierenden Bestandteile der Staatlichkeit. Die staatliche Gemeinschaft war für sich als Ganzes wie für den einzelnen Bürger ein Zweckverband. Die antiken Theorien zur Staatenbildung hoben daher stets den Nutzen als eine der Ursachen oder die einzige Ursache staatlicher Zusammenschlüsse hervor, und Aristoteles eröffnete seine Politik mit der Feststellung: "Da wir sehen, dass jeder Staat eine Gemeinschaft ist und jede Gemeinschaft um eines Gutes willen entstanden ist..." (...).

Das politische Denken der Antike befasste sich in erster Linie mit den Regeln des Zusammenlebens innerhalb der staatlichen Gemeinschaft, und es hatte daher im Gegensatz zu heute mehr mit Recht, Moral und Religion zu tun als mit "Politik", Regierung und Ämtern. Die Regeln bildeten die ungeschriebene Verfassung, und das Nachdenken über sie war nie bloße Analyse politischer und gesellschaftlicher Zustände; selbst speziellere Untersuchungen boten keine "reine Wissenschaft". Ausgesprochen oder unausgesprochen ging es um Kritik an bestehenden Verhältnissen, was innerhalb des personalen Staatsverbandes Kritik am Verhalten seiner Mitglieder bedeutete. Ziel war es, die Verhältnisse zu reformieren, und das konnte nach antiker Auffassung nur heißen, die Moral der Mitglieder zu bessern (...).

Kritik und Reform als Wesenszüge der politischen Ideenwelt besagen, dass deren einzelne Äußerungen in engem Zusammenhang mit ihrer jeweiligen historischen Situation standen und ohne sie im Grunde nicht zu verstehen sind.

[Autor: Klaus Rosen; aus: Hans Fenske u.a., Geschichte der politischen Ideen. Von Homer bis zur Gegenwart, Frankfurt/Main 1987]

 

 








Zusammenhang: politische und militärische Entwicklung








"drakonische Strafen"?


Die Masse des freien Volkes (Demos) besaß ein politisches Mitspracherecht durch die im 8. und 7. Jahrhundert freilich noch sporadisch und formlos agierende Volksversammlung (Ekklesia), die spätestens bis 600 jedoch institutionellen Charakter gewann und sich bis zum 5. Jahrhundert zum zentralen Organ der Polis entwickelte, das die Innen- und Außenpolitik bestimmte. Außerhalb der rechtlich-politischen Gemeinschaft der athenischen Bürger standen die Sklaven.

Die politische Herrschaft des Adels, die auf wirtschaftlicher und damit militärischer Überlegenheit beruhte, begann im 7. Jahrhundert infolge eines beschleunigten gesellschaftlichen Wandels zu wanken: Faktoren dieses Prozesses waren zum einen die Ablösung der dominierenden Rolle, die der Adel bei der Kriegführung gespielt hatte, durch die Phalanx, die geschlossene Kampfreihe der schwerbewaffneten Bürger, zum anderen die Verelendung, Entrechtung und Versklavung vieler Kleinbauern durch die adligen Grundherren, was Forderungen nach Schuldenerlass, Neuaufteilung des Landes und Rechtskodifikation aufkommen ließ.

In dieser Phase niedergehender Adelsmacht und steigender sozialer Spannungen etablierte sich in einigen griechischen Poleis eine Tyrannis, in anderen wurde ein Schiedsrichter oder Gesetzgeber eingesetzt. In Athen übernahm nach dem gescheiterten Versuch Kylons, eine Tyrannis zu errichten (um 635), Drakon 624 die Aufgabe, das geltende Recht aufzuzeichnen und die Rechtsgleichheit wiederherzustellen. Überliefert ist nur ein Teil des Strafrechts. Die wesentlichen Neuerungen bestanden inhaltlich in der Unterscheidung von Mord und fahrlässiger Tötung, formal in der Aufhebung der allgemeinen Blutrache. Zwar oblag die Verfolgung des Straftäters weiterhin der geschädigten Partei, doch bedurfte diese nunmehr einer gerichtlichen Genehmigung, der staatliche Strafvollzug war erst eine Errungenschaft des 5. Jahrhunderts.

Die spätere Überlieferung hat den "drakonischen" Gesetzen zu Unrecht übermäßige Härte zugeschrieben. Drakons Gesetzgebung bedeutete einen Schritt zu größerer Rechtssicherheit, die politischen und sozialen Probleme hat sie allerdings nicht gelöst.





Reformen des Solon: Erste Schritte in Richtung Demokratie


Solon

In der weiterhin zugespitzten innenpolitischen Situation Athens führten die Furcht des Adels vor revolutionären Veränderungen, die Lebensumstände vieler verarmter Kleinbauern und der unerfüllte Anspruch waffenfähiger nichtadliger Bürger auf politische Mitbestimmung dazu, dass die Konfliktparteien 594/93 v.Chr. als Kompromiss den dem Adelsgeschlecht der Medontiden entstammenden Solon zum Schiedsmann (Diallaktes) bestimmten. Sein Gesetzeswerk war von der Idee des Ausgleichs, der Gerechtigkeit (Dike) und der "guten Ordnung" (Eunomia) geleitet. Den drängendsten Problemen, der Verschuldung und Versklavung der Kleinbauern, begegnete er mit einer allgemeinen Schuldentilgung. Darüber hinaus wurde durch das auch rückwirkende Verbot der Verpfändung der eigenen Person die Schuldknechtschaft beseitigt, die bereits ins Ausland verkauften Schuldsklaven wurden zurückgekauft. Diese Aufhebung der Versklavung bezog sich freilich nur auf athenische Bürger.

Neben weiteren Gesetzen, die der Förderung des Gewerbes und der politischen Aktivierung der Bürger dienen sollten, war die von Solon geschaffene Verfassungsform (später als Timokratie bezeichnet, in der politische Rechte vom Vermögen abhängig waren) von besonderer Bedeutung: Den drei Klassen der bestehenden Wehr- und Sozialverfassung, den Hippeis ("Reiter"/reiche Grundbesitzer), Zeugiten (Hopliten/mittlere Bauern und Handwerker) und Theten (Leichtbewaffnete/kleine Bauern und Handwerker, Lohnarbeiter), teilte Solon bestimmte Ernteerträge (gemessen in Scheffeln, etwa 52 Liter) zu und machte die politischen Rechte des einzelnen Bürgers von diesen Erträgen abhängig, wobei aus der Klasse der Hippeis noch die Spitzengruppe der Pentakosiomedimnoi (Fünfhundertscheffler) ausgegliedert wurde, denen zunächst das Archontat vorbehalten blieb.

Darüber hinaus soll Solon durch die Schaffung neuer politischer Institutionen, des Rats der 400 (Boule) und des Volksgerichts (Heliaia), dem Volk weitere Einflussmöglichkeiten gegeben haben. An der faktischen Machtverteilung änderte die timokratische Ordnung infolge der wirtschaftlichen Überlegenheit des Adels zunächst nichts, doch war sie insofern zukunftsweisend, als sie, der gesellschaftlichen Mobilität Rechnung tragend, politische Statusveränderungen mit wirtschaftlichen und sozialen verband. Solons Reformen haben zur Konsolidierung der Polis Athen beigetragen, die gesellschaftlichen und politischen Strukturen jedoch nicht radikal verändert.




Zeit der Tyrannen























Tyrann ist auch ein Werkzeug des Volkes


Tyrannis Peisistratos

Misst man Solons Reformen an seinem Ziel, der innenpolitischen Konsolidierung Athens, so sind sie gescheitert: Soziale Missstände wie die Not der Kleinbauern waren nicht beseitigt, der Machtkampf des Adels um das Archontat tobte in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v.Chr. heftiger denn je. Nach der Überlieferung standen sich im innenpolitischen Kampf drei Gruppen gegenüber, die von den Adeligen Lykurg, Megakles und Peisistratos geführt wurden. Gestützt auf seine Anhängerschaft, Kleinbauern und Tagelöhner aus Ostattika und große Teile des Volks von Athen, die ihm in der Volksversammlung eine Leibwache bewilligte, ergriff der durch den Krieg gegen Megara (565) populäre Peisistratos 561/60 die Herrschaft in Athen, die er nach zweimaliger Vertreibung erst mit Hilfe auswärtiger Söldner dauerhaft etablieren konnte (539/38).

Der Tyrann ließ die geltende Polisverfassung bestehen, die höchsten Ämter blieben seiner Familie und Adligen, die sich seiner Herrschaft unterordneten, vorbehalten. Opponierende Adlige wurden z.T. verbannt oder gingen ins Exil. Peisistratos' faktische Macht beruhte auf Söldnertruppen und ausländischen Verbündeten. Seine bedeutendsten Leistungen waren: die offenbar gegen Reste der Adelsgerichtsbarkeit gezielte Einsetzung von lokalen Richtern, die großzügige Unterstützung der Kleinbauern durch Darlehen, die Gründung neuer Kolonien und eine umfangreiche Bautätigkeit. Auch wenn es sich hierbei um Maßnahmen zur Herrschaftssicherung gehandelt haben mag, so liegt dennoch die historische Bedeutung der Tyrannis des Peisistratos in der sozialen und ökonomischen Konsolidierung Athens, das in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts eine wirtschaftliche Blüte erlebte.

Nach dem Tod des Peisistratos 528 oder 527 übernahmen seine Söhne Hipparchos und Hippias die Herrschaft. Hipparchos wurde 514 aus persönlichen Gründen von den später als Tyrannenmördern verklärten Harmodios und Aristogeiton umgebracht, sein Bruder Hippias 510 gestürzt.

Auch in anderen griechischen Poleis etablierten sich im 7. und 6. Jahrhundert bedingt durch die Legitimationskrise des in Machtkämpfen verstrickten Adels, die steigenden sozialen Spannungen und die Emanzipationsbestrebungen der bäuerlichen Mittelschicht Tyrannenherrschaften. Am bekanntesten sind die Tyrannen Kypselos (660-28) und Periander (ca. 628-587) von Korinth, Kleisthenes von Sikyon (erstes Drittel des 6. Jahrhunderts), Lygdamis von Naxos (ca. 545-24) und Polykrates von Samos (538-22).

Man wird dieser "älteren Tyrannis" im Gegensatz zur ,jüngeren Tyrannis" des 4. und 3. Jahrhunderts nur gerecht, wenn der Tyrann nicht nur als machtgieriger Adliger, sondern auch als Werkzeug des aufbegehrenden Volkes gesehen wird. Die historische Funktion der Tyrannis war es, den Übergang von der Adelsherrschaft zum Verfassungsstaat der Hopliten, der waffenfähigen Bürger, zu ermöglichen. Die negative Bewertung der Tyrannis als Gewaltherrschaft und schlechteste aller Verfassungen ist historisch unzutreffend und beruht größtenteils auf späterer Überlieferung, die diese Herrschaftsform an der Demokratie des 5. Jahrhunderts maß.








Reformen des Kleisthenes

erste Repräsentativ-verfassung












Scherbengericht


Kleisthenes

Nach dem Sturz des letzten Peisistratiden kam es in Athen im Jahr 508 v.Chr. erneut zu Machtkämpfen des Adels um das Archontat, in denen sich schließlich mit Unterstützung des durch Reformversprechungen gewonnenen Demos der Alkmeionide Kleisthenes, Archon 525/24, gegen seinen Widersacher Isagoras durchsetzen konnte.

Kern der kleisthenischen Reform, der ersten Repräsentativverfassung der Welt auf lokaler Grundlage, war eine neue Phylenordnung: Die vier alten Phylen, der politischen und militärischen Organisation Attikas dienende Personenverbände, behielten sakrale Aufgaben, doch schuf Kleisthenes zehn neue Phylen, die auf der Einteilung Attikas in drei Regionen: die Stadt Athen (Asty), das Binnenland (Mesogeion) und die Küste (Paralia, beruhten. Jede dieser Regionen war in zehn Untereinheiten (Trittyen) gegliedert. Die neuen Phylen, zusammengesetzt aus je einer Trittys aus Athen, dem Binnenland und der Küste, bildeten nun die Grundeinheit der politischen Vertretung (jede Phyle stellte 50 Abgeordnete für den neu geschaffenen Rat der 500) und der militärischen Organisation. Die neue Phylenordnung wurde ergänzt durch die Einteilung Attikas in 139 Gemeinden (Demen) als lokale Selbstverwaltungskörperschaften.

Ob die Phylenreform in erster Linie die Erweiterung der kleisthenischen Gefolgschaft oder die Demokratisierung des immer noch von mächtigen Adelscliquen beherrschten Staatslebens zum Ziel hatte, ist unklar. Ihr Ergebnis war jedenfalls einmal die Schwächung der auf lokalen Gefolgschaften beruhenden politischen Macht des Adels und die Verhinderung von regionalen Parteibildungen, sodann die politische Aktivierung breiter Bevölkerungsschichten durch die Institution des Rats, dessen 500 Mitglieder jährlich wechselten.

Eine weitere bedeutende, von der späteren Überlieferung Kleisthenes zugeschriebene Neuerung war das Scherbengericht (Ostrakismos), das erstmals für das Jahr 487 belegt ist. Jedes Jahr wurde in einer Volksversammlung die Frage gestellt, ob ein Ostrakismos durchgeführt werden solle; fiel die Antwort positiv aus, so wurde etwa zwei Monate später in der Volksversammlung in der Art darüber abgestimmt, dass jeder Bürger (bei einem Quorum von 6000 Stimmen) den Namen eines Politikers auf eine Tonscherbe ritzte. Derjenige, auf den die Mehrheit der Stimmen entfiel, wurde für zehn Jahre ohne Verlust seines Eigentums aus Attika verbannt. So sollte vermutlich die langfristige persönliche Machtsteigerung einzelner Adliger verhindert werden.




Übergang zur "radikalen Demokratie"







text

 


Perikles

Der Attische Seebund hatte Athen zu einer maritimen Macht werden lassen. Parallel zum Aufstieg der Stadt und durch diesen befördert vollzog sich die Ausbildung der sogenannten radikalen Demokratie. Die Vollendung dieses Prozesses ist vor allem das Werk von Ephialtes und Perikles. Deren Handeln muss als Reaktion auf die Politik des konservativen Aristokraten Kimon und der ihn stützenden oligarchischen Partei gedeutet werden, die in den siebziger und sechziger Jahren mit dem Areiopag die wichtigste politische Institution in Athen beherrschte. 462 v.Chr. nutzten die Reformer um Ephialtes die Abwesenheit Kimons zum Umsturz. Der Areiopag wurde entmachtet. Er behielt allein die Blutgerichtsbarkeit. Die politischen Funktionen des Adelsrates übernahmen die Volksversammlung (Ekklesia), der Rat der 500 (Boule) und das Geschworenengericht (Heliaia). Resultat der demokratischen Neuerungen in Athen war, dass der Demos (also die Gesamtheit der zu politischer Mitwirkung berechtigten Vollbürger, nicht jedoch die Metoiken und Sklaven) im Prinzip die Kontrolle über das gesamte öffentliche Leben erhielt.

Nach der Ermordung des Ephialtes (461) scheint Perikles (495/90-429) an die Spitze der Demokraten vorgerückt zu sein. Um möglichst viele Bürger am politischen Leben zu beteiligen, wurden den Amtsträgern, den Richtern sowie den Anwesenden bei der Ekklesia Diäten (Tagegelder) gezahlt. Dies war eine notwendige Maßnahme zum Ausgleich von Verdienstausfällen, die besonders Angehörige des vierten Standes trafen. Diese ärmere Bevölkerungsgruppe der Theten bekam sodann durch die Gewährung des "Schaugelds" (Theorikon) Gelegenheit zum Besuch der oft mehrere Tage dauernden Festlichkeiten und Theateraufführungen."

[aus: Helmut M. Müller u.a., Schlaglichter der Weltgeschichte, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992]


[Dioysos-Theater in Athen, Wikimedia Commons]



Athen als Wiege der Demokratie





zentrale Bedeutung der Agora









Öffentlichkeit

rationale Begründung

Demokratie



Bei allen Einschränkungen (vor allem natürlich die Beschränkung der Rechte auf die Vollbürger) haben die bisherigen Texte doch gezeigt, dass in Athen die Wiege der Demokratie steht. Vor etwa 2500 Jahren wurde dort nach und nach eine Verfassungsordnung geschaffen, die zum Vorbild aller demokratischen Verfassungen wurde. Der folgende Textauszug stellt die antike Polis in den Mittelpunkt und zeichnet die wichtigsten Schritte dieser Entwicklung nochmals aus einer anderen Perspektive nach:

"Das Wort "Politik" kommt von polis (Stadt), womit in erster Linie die Gemeinschaft der Bürger gemeint ist und erst in zweiter Linie das Staatsgebiet, auf dem die Anlage der Stadt errichtet ist. Im archaischen Königtum bildet die Königsburg den Kern der Stadt, um den herum sich alles übrige gruppiert. In der Polis dagegen steht die agora, der Markt als Versammlungsplatz der Bürger, im Mittelpunkt. Die politische Entscheidung verlagert sich vom König auf die Versammlung; Beschlüsse werden öffentlich gefasst; sie müssen gegenüber den Bürgern gerechtfertigt werden und bedürfen deren Zustimmung. Damit setzt ein Prozess der Rationalisierung politischer Entscheidung ein:

"Das System der Polis beruht vor allem auf einer ungewöhnlichen Vorherrschaft des gesprochenen Wortes über alle anderen Instrumente der Macht. Es wird zum politischen Mittel par excellence, zum Schlüssel zu jeglicher Autorität im Staat, zum Werkzeug, um Herrschaft und Befehlsgewalt über andere zu erlangen ... Das Wort, von dem hier die Rede ist, ist nicht mehr das Wort des Rituals, die richtige Formel, sondern das der kontroversen Debatte, der Diskussion, der Argumentation. Es verlangt ein Publikum, an das es sich als einen Richter wendet und das letzten Endes durch das Heben der Hände die Entscheidung zwischen den Parteien fällt, die vor ihm aufgetreten sind; dieses rein menschliche Urteil bemisst die jeweilige Überzeugungskraft der beiden Reden und teilt dem einen der Redner den Sieg über seine Gegner zu.

Alle jene die Allgemeinheit betreffenden Fragen, deren Regelung ursprünglich die Aufgabe des souveränen Herrschers war und die in den Bereich der arche (der Herrschaft) fallen, sind nun der Gegenstand der Redekunst und müssen im Rahmen einer Debatte entschieden werden. Sie müssen sich daher in diskursiver Weise formulieren lassen und die Form antithetischer Beweisführungen, einander entgegengesetzter Argumentationen, annehmen. Zwischen Politik und logos (vernünftiger Rede) entsteht so ein enger wechselseitiger Bezug. Die Kunst des Politischen ist wesentlich die der Handhabung der Sprache, und der logos erlangt zuerst über seine politische Funktion ein Bewusstsein seiner selbst, seiner Regeln und seiner Wirksamkeit" (Jean-Pierre Vernant, Die Entstehung des griechischen Denkens, Frankfurt/Main 1982, 44f.).

Vernant macht hier die Entstehung des Politischen in Athen an zwei Kriterien fest, die beide aufs engste zusammenhängen: an der Öffentlichkeit politischer Entscheidungen und an dem wachsenden Druck zur rationalen Begründung. Ein Drittes kommt hinzu: die Demokratisierung. "Dieser doppelte Prozess der Demokratisierung und des Öffentlichmachens wird auf dem Gebiet des Denkens einschneidende Konsequenzen haben" (Vernant 1982, 46).

Die homerische Welt der Heroen und das perikleische Zeitalter attischer Demokratie sind in ihren Grundlagen geschieden. Wie konnte die eine aus der anderen entstehen? Die ursprüngliche soziale Schlichtung sah ungefähr so aus: An der Spitze der sozialen Hierarchie standen die eupatridai, die Wohl- und Edelgeborenen, die alteingesessenen, über großen Grundbesitz verfügenden Adelsgeschlechter, die ihre Vorrechte aus ihrer vornehmen Geburt herleiteten. Es folgten die georgoi, die Ackerbauern mit erheblich geringerem Besitz, und die demiurgoi, Gewerbetreibende und Handwerker. Dazu existierten noch die theten, Saisonarbeiter ohne eigenen Grund und Boden und Familie, und die Sklaven.

In Griechenland konnten die Adligen sehr bald die Vorherrschaft des Königs (basileus) zurückdrängen; das Amt des Königs wurde nicht abgeschafft, sondern in seinen Funktionen entscheidend beschnitten, auf die Sphäre des Kultisch-Religiösen und einige richterliche Entscheidungen reduziert. Das Sagen hatten fortan die großen Adelsgeschlechter. Aus ihrer Mitte bestimmten sie die Archonten, die Regierenden, die nach Ablauf ihrer Amtszeit auf Lebenszeit Mitglied des Rats, des Areopags, wurden. Die Archonten und der Areopag leiteten die Geschicke der Stadt. Diese aristokratische Herrschaft geriet bald in eine tiefe Krise. Der Druck wachsender Überbevölkerung leitete im achten Jahrhundert eine Kolonisationsbewegung ein; Griechen besiedelten die Küstengebiete des Mittelmeers in Kleinasien, Nordafrika, Sizilien, Unteritalien, Südfrankreich bis hin nach Spanien und gründeten neue Gemeinwesen, die von der Mutterstadt entweder ganz unabhängig waren oder mit ihr nur in loser Verbindung standen. Die kleinen Bauern gerieten in immer größere Abhängigkeit von den großen Grundbesitzern; sie verschuldeten sich, ein Teil wurde in die Sklaverei verkauft. Die Handelsbeziehungen intensivierten sich. Es entstand eine neue Form des Reichtums: Vermögen, das durch Handel mit Metallen, Töpferwaren, Getreide, Öl und Wein erworben wurde. Der Warentausch breitete sich immer mehr aus; die ersten Münzen wurden geschlagen. Kurz: die sozialen Spannungen in Athen wuchsen ungeheuer. Damit war ein Prozess eingeleitet, dessen Resultat die Entmachtung des Erbadels war. Es entstand ein öffentliches Leben, an dem die Bürger teilnehmen konnten.



Solon als der erste große Gesetzgeber Athens





[Solon, Wikimedia Commons]






Reformen des Kleisthenes


Dies war die Stunde des ersten großen Gesetzgebers der Athener, die Stunde Solons (um 640-560 v.Chr.). Solon stammt aus einem sehr vornehmen Adelsgeschlecht, hatte aber sein Vermögen als Kaufmann erworben. 594/3 v.Chr. wurde er archon, höchster Regierender, in Athen und mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet, um als Schiedsrichter, als ein Mann der Mitte, der sich nicht auf die Seite einer Interessengruppe schlägt, das Gemeinwesen neu zu ordnen. Solon hob die Schuldknechtschaft auf, versagte indes einer Neuverteilung des Bodens die Zustimmung. Er führte neue Maße und Gewichte ein, eine unerlässliche Grundlage des Warenverkehrs, und gestaltete das Münzwesen neu, so dass das Recht, Münzen zu prägen, zum Monopol der öffentlichen Hand wurde. Die geltenden Gesetze ließ er auf öffentlich aufgestellten Säulen schriftlich festhalten. Die gesamte Bürgerschaft teilte er neu ein. Bestimmender Gesichtspunkt war nicht mehr die Herkunft, sondern die Größe des Vermögens, die Höhe des Ernteertrags oder des Geldeinkommens. Aus der Zugehörigkeit zu einer der vier Klassen — der pentakosiomedimnoi (derjenigen, die mindestens fünfhundert Maßeinheiten Weizen im Jahr besaßen), der hippei (Ritter, derjenigen, die sich ein Pferd leisten konnten), der Zeugiten (derjenigen, die eine Hoplitenausrüstung, die Ausstattung eines schwerbewaffneten Infanteriesoldaten, besaßen) und der Theten (der Besitzlosen) — leiteten sich die politischen Beteiligungsrechte und der Beitrag zum Kriegswesen her. In seiner Verfassungsreform schuf Solon zwei neue Organe: den Rat der Vierhundert (die bule) als Gegengewicht gegen den aristokratischen areopag und das Volksgericht, die heliaia, als Berufungsinstanz des Bürgers gegen Maßnahmen staatlicher Organe. Solon hat die althergebrachte Aristokratie des Erbadels ersetzt durch eine Timokratie, die Herrschaft der im Reichtum begründeten Ehre. Solon selbst nannte seine Verfassung eunomia ("Wohlordnung"), die Herrschaft des von Menschen hervorgebrachten guten Gesetzes.

Solon hatte den Raum des Politischen, der Öffentlichkeit, die in der Teilnahme der Bürger besteht, geschaffen. Die sozialen Probleme aber vermochte er auf Dauer nicht zu lösen. Bereits gut dreißig Jahre nach seinem Reformwerk schwang sich Peisistratos, auch er ein Adliger aus vornehmem Geschlecht (ca. 600-528 v.Chr.), 560 zum Tyrannen über Athen auf, wobei er sich vor allem auf den ärmeren Teil der attischen Bevölkerung stützte. Die tyrannis ist die Staatsform, die in Griechenland den mit Abstand schlechtesten Ruf hatte. Sie galt als Gewaltherrschaft ohne jegliche Legitimation, weil sie das Gesetz, den nomos, die Verfassungsordnung missachtet und damit den Raum des Öffentlichen, die substantielle Grundlage der Politik in der Polis, zertrümmert. Doch hat im Prozess der Demokratisierung die Tyrannis eine wichtige Rolle gespielt: durch die Mobilisierung des demos, des Volks, wurde die Macht des Adels weiter beschränkt.

Die politische Grundlage der attischen Polis hat Kleisthenes geschaffen. Seine Lebensdaten sind nicht näher bekannt. Seine Verfassungsreform scheint er bald nach 510 v.Chr. eingeleitet zu haben. Auch er stammt aus vornehmstem Geschlecht. Das Motiv seiner Reform ist wohl in der Auseinandersetzung mit einem anderen Adelsgeschlecht zu suchen. Er darf als der eigentliche Schöpfer einer Demokratie gelten, die auf gleichen Rechten für alle Staatsbürger beruht. Mit dieser Reform vollzog Kleisthenes die Entmachtung der aus Adels- und Standesinteressen hervorgegangenen Gruppierungen. Er gliederte das attische Territorium neu in drei Zonen (Stadt, Land und Küste) und die Bevölkerung in zehn Phylen, von denen jede fünfzig Abgeordnete in den "Rat der Fünfhundert" entsandte. Jede der Phylen führte für 36 Tage (d.i. ein Zehntel des Amtsjahres) die Geschäfte der Stadt und hatte den Vorsitz im Rat inne. Kleisthenes war es vermutlich auch, der mit dem Ostrakismus, dem Scherbengericht, eine Instanz einsetzte, die Bürger verbannen konnte, wenn sie durch allzu große Machtfülle der demokratischen Ordnung gefährlich zu werden drohten.



Vollendung der Demokratie in Athen durch Perikles




Vorbild aller demokratischen Verfassungen


Vierzig Jahre nach der Reform des Kleisthenes wurde durch Perikles die demokratische Ordnung Athens vollendet und zugleich der Adel endgültig entmachtet. Im Jahr 462 v.Chr. wurden auf Antrag des Perikles alle politischen Entscheidungen dem "Rat der Fünfhundert", dem Volksgericht und der Volksversammlung (ekklesia) übertragen. Ein Jahr später wurde die Zahlung von Tagegeldern für Mitglieder des Rates und des Gerichtes eingeführt, um den ärmeren Mitbürgern den Zugang zu politischen Ämtern zu ermöglichen, und schließlich wurden im Jahre 458 v.Chr. auch die Zeugiten, die dritte Klasse steuerpflichtiger Bürger, zu den höchsten Staatsämtern zugelassen.

Damit war die Verfassung der Polis und zugleich das Vorbild aller demokratischen Verfassungen vollendet. An ihr orientieren sich die politische Philosophie der Griechen, insbesondere die Werke von Platon und Aristoteles, der Schöpfer des europäischen politischen Denkens überhaupt. Beide wirkten (...) im vierten vorchristlichen Jahrhundert, zu einer Zeit, in der die klassische Ordnung des Perikles bereits im Verfall begriffen war. In dieser Krise der Demokratie setzte die philosophische Reflexion ein. Was in der Blütezeit der Demokratie als Selbstverständlichkeit weiterer Begründung weder fähig noch bedürftig schien, wurde nun zum Gegenstand des nachforschenden Denkens. Die Krise des Gemeinwesens zeitigte den bis in die Gegenwart wirkenden Versuch, mit den Mitteln vernünftiger Rede und der Suche nach den besseren Argumenten diesem Gemeinwesen sowohl eine Bestandsaufnahme als auch eine Entwicklung seiner Möglichkeiten aufzuzeigen."

[aus: Eberhard Braun/Felix Heine/Uwe Opolka, Politische Philosophie. Ein Lesebuch. Texte, Analysen, Kommentare, Reinbek 1984]





[Perikles, Wikimedia Commons]




Platon und Aristoteles als Begründer der politischen Philosophie



Mit Perikles wurde die attische Demokratie also vollendet und Athen erlebte eine Blütezeit. Bis heute dient die Ausgestaltung dieser Demokratie in der politischen Philosophie als Referenz. Die freien Bürger führten ein Doppelleben: neben dem Privatleben hatte sich das politische Leben entwickelt, in dem das Wohl der Stadt vertreten und die Interessen der Allgemeinhait berücksichtigt wurden. Die Einführung einer Begrenzung der Amtsdauer und das Losprinzip stellten sicher, dass die meisten Bürger in ihrem Leben ein Amt übernehmen konnten bzw. mussten.

Erst als es zum Bruderkrieg zwischen Athen und Sparta kam, wurde die Demokratie in Frage gestellt. Mit Perikles‘ Tod und den Epigonen, den neuen "Volksführern", die ihre eigenen Machtinteressen im Auge hatten, schwand das Vertrauen in das demokratisch herbeigeführte Gesetz. Die Bedeutung der Polis war erschüttert und eine allgemeine Politikverdrossenheit breitete sich aus. Innerhalb von nur acht Jahren wurde die athenische Verfassung vier Mal geändert und 411/10 v.Chr. wurde die Demokratie durch eine Oligarchie ersetzt, um 403 v.Chr. dann wieder restituiert zu werden.

Theoretische Reflexionen waren nötig geworden, die zu neuem Engagement aufriefen, die Notwendigkeit und den Sinn der Partizipation begründeten und nach festgefügten Formen suchten, die dem individuellen und sozialen Leben einen neuen Halt und Sinn vermitteln konnten. Platon und Aristoteles vor allem gehörten zu denjenigen, die versuchten, die erschütterte Polis wieder aufzurichten. Auf die Einzelheiten ihrer Lehre, die bis heute die Basis der politischen Philosophie bilden, kann hier nicht eingegangen werden. Wir verweisen als Einstieg auf die beiden Wikipedia-Artikel zu Platon und Aristoteles, die beide als "exzellente Artikel" ausgezeichnet sind, sowie auf die unter anderem bei Reclam erschienenen Übersetzungen der jeweiligen Hauptwerke zur politischen Philosophie:

   

Krieg und Verwüstung unter den Poleis dominierten die Folgezeit, bis etwa zwei Jahrzehnte später der König Makedoniens, Philipp, die Vorherrschaft in Griechenland erlangte und 338 v.Chr. mit dem Sieg auf dem Schlachtfeld von Chaironeia die alten Poleis ins spätere Alexanderreich eingliederte. Damit war die Demokratie zerfallen. An deren Stelle trat die Oligarchie der Honoratioren.

Die Volksherrschaft, die so bahnbrechende Erfolge erzielt hatte, war sich selbst zum Verhängnis geworden. Der ungezügelte Machtwille hatte die Athener in den mörderischen Krieg mit Sparta getrieben und so ihren Niedergang eingeleitet. Für zwei Jahrtausende verschwand die Demokratie von der Weltbühne, um dann im 18. Jahrhundert von Theoretikern im Kampf um die moderne Demokratie ins Gedächtnis gerufen zu werden.








interessanter Text zur Vertiefung



Empfehlung zum Weiterlesen

Das Online-Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung (www.bpb.de) stellt für praktische alle Themen rund um Politik und Gesellschaft eine wahre Fundgrube dar. Wir haben für Sie einen besonders interessanten Text zur antiken Demokratie ausgewählt:

Hans Vorländer: Grundzüge der athenischen Demokratie; aus: Informationen zur politischen Bildung, Heft 284: Demokratie, Bonn 2004.




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