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Grundkurs 5: Vor welchen Problemen stehen die
Vereinten Nationen?
Nachdem in Grundkurs 1 die
Aufgaben und Ziele der Vereinten
Nationen skizziert wurden, nachdem Grundkurs 2 die
Entwicklung der Weltorganisation
nachgezeichnet hat und nachdem in den Grundkursen 3 und 4 die Instrumente
aufgezeigt wurden, die zur Umsetzung der Ziele zur Verfügung stehen - nämlich
die Hauptorgane auf der einen, die
Spezialorgane und Sonderorganisationen
auf der anderen Seite -, geht es in diesem Grundkurs 5 um eine
problemorientierte Bilanz: Konnten die Vereinten Nationen die in sie gesteckten
Erwartungen erfüllen? In welchen Bereichen blieben sie hinter den Erwartungen
zurück?
Einzelne Probleme
wurden in den verschiedenen Grundkurssequenzen bereits angesprochen: Die
Darstellung der UN-Geschichte in Grundkurs 2 hat gezeigt, dass es bei der
Erfüllung der zentralen Aufgabe, der Sicherung des Friedens, immer wieder zu
schwerwiegenden Krisen kam. Es hat sich auch gezeigt, dass die Vereinten
Nationen zwar seit den 1960er Jahren das wichtigste Forum zur Bearbeitung
des Nord-Süd-Konflikts bilden, dass aber die Fortschritte bei der
Entschärfung der Konflikte zwischen Industrie- und Entwicklungsländern
bescheiden blieben.
Gleich an mehreren Stellen kam ein häufig genannter Kritikpunkt am weit
verzweigten System der Vereinten Nationen zur Sprache, nämlich die mangelnde
Koordinierung der Aktivitäten und die daraus resultierende mangelnde
Effizienz der Arbeit. Nicht zuletzt deswegen haben die USA als größter
Beitragszahler immer wieder dadurch Druck auszuüben versucht, dass sie ihren
Beitragsverpflichtungen nicht nachkamen, was auf ein weiteres
schwerwiegendes Problem der Vereinten Nationen verweist, die notorische
Finanzknappheit. |
Beiträge zum ordentlichen UN-Haushalt (in Prozent) |
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1998 |
2000 |
USA |
25,00 |
25,00 |
Japan |
17,98 |
20,57 |
Deutschland |
9,63 |
9,86 |
Frankreich |
6,49 |
6,55 |
Italien |
5,39 |
5,44 |
Großbritannien |
5,08 |
5,09 |
Russland |
2,87 |
1,08 |
Kanada |
2,83 |
2,73 |
Spanien |
2,57 |
2,59 |
Niederlande |
1,62 |
1,63 |
Brasilien |
1,51 |
1,47 |
Australien |
1,47 |
1,48 |
Schweden |
1,10 |
1,08 |
Belgien |
1,10 |
1,10 |
Übrige Staaten |
15,36 |
14,33 |
|
Insgesamt klafft eine Lücke zwischen den Zielen
und Grundsätzen der UN-Charta und
der politischen Realität, wie die pointierte Gegenüberstellung von Gareis und
Varwick in der folgenden Tabelle aufzeigt. Diese Defizite allerdings allein der
Organisation der Vereinten Nationen anzulasten, ginge an der Realität vorbei.
Die Vereinten Nationen sind eine klassische internationale Organisation, Staaten
sind ihre Mitglieder. Wie jede internationale Organisation sind die Vereinten
Nationen nur so stark, wie es ihre Mitglieder zulassen. Der Wille zur
multilateralen Problemlösung seitens der Mitgliedstaaten - inbesondere der
mächtigsten Staaten - entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg der Arbeit.
Das gilt es zu bedenken, wenn ein angemessenes Bild der Vereinten Nationen
gezeichnet werden soll. Ein Teil der Kritik an der Weltorganisation gebührt
eigentlich den sie tragenden Staaten. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der
ebenfalls überzogene Kritik zu relativieren geeignet ist, nämlich die
unrealistischen Erwartungen an die Vereinten Nationen. Manch eine Kritik an der
Arbeit der Organisation scheint von der irrigen Annahme auszugehen, dass es sich
bei den Vereinten Nationen um eine Art Weltregierung handelt.
Ziele und Grundsätze
der Charta |
Politische Realität |
souveräne Gleichheit
aller Mitgliedstaaten |
ausgeprägtes
Machtgefälle zwischen Staaten und Regionen |
Erfüllung der mit der
VN-Charta übernommenen Verpflichtungen |
Verweigerungen von
Beiträgen und Leistungen je nach nationaler Interessenlage |
Verpflichtung zur
friedlichen Streitbeilegung |
allgegenwärtige Gewalt
im internationalen System |
allgemeines
Gewaltverbot |
praktiziertes Recht
einzelner Staaten auf unilaterale Gewaltanwendung |
Weltfrieden und
internationale Sicherheit als kollektive Aufgabe aller Mitgliedstaaten |
Interessendominanz der
Industriestaaten und vergessene Konflikte in Entwicklungsländern |
Verbot der Einmischung
in innere Angelegenheiten der Mitgliedstaaten |
Globalisierung
grundlegender Probleme erzwingt Erosion staatlicher Souveränität |
[aus: Sven Gareis/Johannes
Varwick, Die Vereinten Nationen. Aufgaben, Instrumente und Reformen;
Bundeszentrale für politische Bildung Schriftenreihe Band 403, Bonn 2003, S.
302]
Nach einer kurzen Abhandlung über die Geschichte der Weltorganisation
kommt Volger zu dem Schluss: "Wenn die Vereinten Nationen Schwierigkeiten in der
Friedenssicherung und der Lösung der anderen globalen Probleme hatten und haben,
lag und liegt das nicht an den Strukturen der Vereinten Nationen - sie haben
sich als flexibel und effektiv genug erwiesen -, sondern an der Uneinigkeit der
Mitgliedstaaten und an ihrer mangelnden Bereitschaft, die entsprechenden
politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen durchzuführen."
[aus: Helmut Volger, Zur Geschichte der
Vereinten Nationen; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 42/1995, Bundeszentrale
für politische Bildung Bonn, S. 12]
Trotzdem - und dies ist ein weiteres Problem, vor denen die Vereinten Nationen
stehen - muss festgehalten werden, dass die Weltorganisation ihre Mitgliederzahl seit
der Gründung fast vervierfacht und ihre Aufgabenbereiche erheblich
ausgedehnt hat, ohne dass grundlegende Änderungen an der
Charta vorgenommen worden wären. Sie
spiegelt nach wie vor die weltpolitische (Ausnahme-) Situation gegen Ende des
Zweiten Weltkriegs wider und wirkt zunehmend anachronistisch.
Die UNO ist "von einer Organisation, die in erster Linie den Krieg als Mittel
der Politik ächten sollte, ... zu einem globalen Forum geworden, in dem alle
grundlegenden Weltprobleme diskutiert und zum Teil einer Lösung näher gebracht
werden. In der internationalen Politik besteht ... weitgehender Konsens darüber,
dass die Vereinten Nationen reformiert werden müssen, weil Strukturen und
Verfahren nicht mehr den weltpolitischen Realitäten des 21. Jahrhunderts
entsprechen. Gleichzeitig wird von den Vereinten Nationen zunehmend das Füllen
einer ordnungspolitischen Lücke in der globalisierten Welt verlangt, und dieser
Widerspruch zwischen den realen Möglichkeiten und den hochgesteckten Erwartungen
erzeugt ein Klima der Überforderung und bewirkt oft ungerechte Bewertungen
der wichtigen Arbeit der Vereinten Nationen."
[aus: Johannes
Varwick, Vereinte Nationen;
in: Wichard Woyke (Hg.), Handwörterbuch Internationale Politik, 8. Auflage,
Bundeszentrale für politische Bildung Schriftenreihe Band 404,
Bonn 2000, S.
496]
Weitere Abschnitte im Rahmen von Grundkurs 5
Natürlich können nicht alle im Text angesprochenen Probleme und Reformvorhaben
vertieft werden. Wir wollen uns auf Anmerkungen zu folgenden wichtigen Aspekten
beschränken, die eng miteinander zusammenhängen:
|
FINANZEN: Die Finanzkrise der Vereinten
Nationen
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|
FRIEDEN: Die Krise der Friedenssicherung
durch die Vereinten Nationen
|
|
EFFIZIENZ: Die Probleme mit Koordinierung
und Effizienz der Arbeit
|
|
REFORM: Grundlegende Reformvorhaben und die
Probleme der Umsetzung |
[Autor: Ragnar Müller]
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