Internationaler UNESCO Bildungsserver für Demokratie-, Friedens- und Menschenrechtserziehung
 
  D@dalos Startseite Deutsche Startseite Grafische Übersicht Kontakt  
 

 

Themen:

 Menschenrechte / Vorbilder / Demokratie / Parteien / EU / UNO / Nachhaltigkeit / Globalisierung / Web 2.0

     

 

Methoden:

 Politikdidaktik / Methoden der politischen Bildung / Friedenspädagogik     ///     Fragen, Kritik, Kommentare?

 
 

 Sie sind hier:

D@dalos > Deutsche Startseite > Web 2.0 > Lernen 2.0

 



Inhaltsverzeichnis


Themen des Online-Lehrbuchs Web 2.0:

Einleitung

Was ist das Web 2.0?

Lernen 2.0

 Wikipedia verstehen

Politik 2.0

Wirtschaft 2.0

Gesellschaft 2.0






Lernen 2.0

In diesem Abschnitt des Online-Lehrbuchs geht es um die Frage, welche Auswirkungen auf Lehren und Lernen mit dem Web 2.0 verbunden sind. Was bedeutet es für Lehren, Lernen und ganz allgemein für diejenigen, die mit Informationen und Wissen umgehen, die knowledge worker?

Was könnte Lernen 2.0 in einer Welt bedeuten, in der trotz immer längerer formaler Ausbildungszeiten die erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen schon lange nicht mehr für ein Berufsleben von 30 oder 40 Jahren ausreichen? Hartmut von Hentig weist darüber hinaus auf "das Problem aller Pädagogen der Neuzeit" hin, "dass sie auf ein Leben vorbereiten, das sie selbst nicht kennen."

[Hartmut von Hentig, Ach, die Werte! Über eine Erziehung für das 21. Jahrhundert, Beltz: Weinheim/Basel 2007, 4. Auflage, S. 22]

Spätestens seit dem UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert, einem zentralen Dokument der internationalen Bildungsdebatte, zählt die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen zu den wichtigsten Schlüsselqualifikationen. Es ruht nach Einschätzung der Autoren der Studie auf vier Säulen, wie das folgende Schaubild veranschaulicht:


 



"Der Gedanke vom lebenslangen Lernen ist einer der Schlüssel zum 21. Jahrhundert (...). Es handelt sich hier um keine neue Erkenntnis, denn frühere Untersuchungen zu Bildungsfragen haben auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass Erwachsene wieder die Schule besuchen. So lernen sie, sowohl im Privat- wie auch im Berufsleben, mit neuen Situationen fertig zu werden. Dieser Bildungsbedarf besteht noch immer, ja, er nimmt sogar zu. Der einzige Weg, ihn zu befriedigen, ist, dass jeder lernt, wie man lernt."

[Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. Hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission. Neuwied; Kriftel; Berlin: Luchterhand, 1997, S. 18]










Web (2.0) überwindet alte Probleme:

Verfügbarkeit von Wissen

geografische Distanz

Sprachbarriere



Lernen lernen stellt also eine zentrale Bildungsaufgabe dar. Was sich hierbei durch das Web (2.0) geändert hat, wird deutlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass der Alltag im Umgang mit Wissen, Forschung und Lernen jahrhundertelang durch drei zentrale Probleme geprägt war:

(1) Erstens die mangelnde Verfügbarkeit von Wissen, das nur einem kleinen Kreis zugänglich und weit über den Erdball verteilt war.

(2) Zweitens die Tatsache, dass die Experten zu den verschiedenen Themengebieten - und dazu gehören durchaus nicht nur Wissenschaftler - weit über den Globus verstreut waren. Kommunikation, von regelmäßigem intensiven Wissensaustausch ganz zu schweigen, war unmöglich oder doch zumindest außerordentlich schwierig.

(3) Drittens schließlich die Sprachbarriere.


Und nun vergleichen Sie das mit der heutigen Situation.

(ad 1) Das Web ist zum zentralen Repositorium menschlichen Wissens geworden, das jedem per Mausklick 24 Stunden am Tag zur Verfügung steht. Und in Zeiten des Web 2.0 stellt das Internet nicht mehr länger nur ein beeindruckendes Reservoir menschlichen Wissens dar, sondern wird zunehmend auch zu dem Ort, an dem Wissen generiert wird. Was Lernen angeht, hat somit das Web 2.0 das Internet zu einem noch bedeutsameren Instrument gemacht.

(ad 2) Eine weltweite Kommunikation und intensive Zusammenarbeit zwischen Menschen, die sich intensiv für eine Materie interessieren - und sei es auch in der kleinsten Nische und in einem noch so exotischen Fachgebiet - ist ohne Probleme möglich. Sie können heute in einem weltweit verstreuten Team so intensiv kooperieren, als ob sie im gleichen Gebäude säßen.

(ad 3) Diese enge weltweite Kooperation wird auch nicht mehr im gleichen Maß durch die Sprachbarriere behindert. Es ist möglich, in Sprachen zu recherchieren, deren Schrift man nicht einmal lesen kann. Ein Schriftwechsel mit einem japanischen oder russischen Kollegen wird möglich, ohne dass der eine die Sprache des anderen versteht. Während wir bei einem realen Treffen auf Zeichensprache angewiesen wären, können wir über das Web kommunizieren.


Die Rahmenbedingungen ändern sich also grundlegend. Der alte Menschheitstraum vom überall und jederzeit verfügbaren Wissen scheint Wirklichkeit werden zu können. Mit dem Web steht zumindest die entsprechende Plattform zur Verfügung. Allein schon dieser Aspekt stellt Lehrende und Lernende vor gänzlich neue Herausforderungen. Aber Lernen 2.0 ist mehr als Lernen im Zeitalter des überall verfügbaren Wissens.


 

 

 

Bildung 2.0

 

Wissen ist dank der informations- und kommunikationstechnologischen Revolution unserer Tage grenzenlos (und grenzübergreifend) reproduzierbar, aber gleichzeitig auch beliebiger, ungeordneter und fragwürdiger geworden.

Aus dieser Situation ergibt sich die Notwendigkeit eines neu gefassten Begriffs von Bildung, für den die Fähigkeit zur Bewertung und zum kritischen Hinterfragen von Informationen maßgeblich ist.

Die ‚reflexive Kompetenz’ (Peter Strohschneider), von Information zu Wissen und von Wissen zu Sinn zu gelangen, wird damit zu einer für den Bildungsbegriff zentralen Kulturtechnik, deren sachgerechte Entwicklung und Vermittlung für die mit Bildung befassten Einrichtungen unserer Gesellschaft eine nicht mehr zu umgehende Herausforderung bildet.

[Hans N. Weiler, Bildung im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit; in: Schlüter/Strohschneider (Hg.), Bildung? Bildung! 26 Thesen zur Bildung als Herausforderung im 21. Jh., Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 790, Bonn 2009, S. 100]

 

Die (...)  ‘lnformationsgesellschaft’ erhöht die Zugangsmöglichkeiten zu Daten und Fakten - Ausbildung sollte daher jeden in die Lage versetzen, Informationen zu sammeln und auszuwählen, zu ordnen, mit ihnen umzugehen und sie zu gebrauchen. Bildung sollte sich also ständig den Veränderungen der Gesellschaft anpassen; sie muss die Errungenschaften, die Grundlagen und den Reichtum menschlicher Erfahrung weitergeben.

[Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. Hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission. Neuwied; Kriftel; Berlin: Luchterhand, 1997, S. 19]

 

Es reicht nicht mehr, jedes Kind schon früh mit einer bestimmten Wissensmenge zu versorgen, von der es dann in Zukunft zehren kann. Jeder einzelne muss befähigt werden, sein ganzes Leben hindurch lernen zu können, um sein Wissen zu mehren, Fertigkeiten und Qualifikationen zu erwerben und sich einer wandelnden, komplexen und miteinander verknüpften Welt anpassen zu können.

[Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. Hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission. Neuwied; Kriftel; Berlin: Luchterhand, 1997, S. 73]

 

 



Teamarbeit

Kollaboration


Ein anderes charakteristisches Element des Web 2.0 besteht in der Möglichkeit, Informationen mit anderen zu teilen. Das eröffnet Optionen für Lehren und Lernen, wie sie noch vor wenigen Jahren undenkbar waren. Hinzu kommt, dass sich auch die früher allein am heimischen PC vollzogene Arbeit an Texten und Präsentationen, die Planung der Konzeption für ein Manuskript mit Hilfe einer Mind-Mapping-Software und vieles andere mehr ins Web verlagern lassen. Dort können die Dokumente und Mind-Maps gemeinsam mit Kollegen, Studierenden oder Schülerinnen bearbeitet werden.

Was bedeutet das bisher Gesagte für Lernen im 21. Jahrhundert? Es heißt nichts anderes, als dass das Web 2.0 dabei ist, die Art und Weise, wie wir lernen, grundlegend zu verändern. Wir lernen nicht mehr länger nur, indem wir Vorträge und Vorlesungen besuchen oder Bücher lesen, deren Inhalt oft schon beim Erscheinen veraltet ist. Lernen beschränkt sich nicht mehr darauf, Wissen aufzunehmen und Lernende sind nicht mehr nur Wissenskonsumenten.



Wissen teilen



web literacy als zentraler Bestandteil von Lernen lernen


Lernen heißt heutzutage, sich im Internet die aktuellen Informationen zu beschaffen, Wissen und Ideen mit anderen im Rahmen der sich herausbildenden, webgestützten sozialen Netzwerke zu teilen und zu diskutieren und selbst aktiv zu den in diesen Netzwerken verfügbaren Inhalten beizutragen. Diese Aspekte findet man in zahlreichen Publikationen detailliert beschrieben und erörtert, unter anderen in dem hervorragenden Buch von Will Richardson, "Blogs, Wikis, Podcasts and Other Powerful Web Tools for Classrooms" (Thousand Oaks 2006), das Anfang 2011 auch auf deutsch erschienen ist. Hinweise zu den Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Web 2.0-Anwendungen finden Sie auch auf der Seite "Elemente des Web 2.0".

Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Die entscheidende Erkenntnis besteht darin, dass (lebenslanges) Lernen auf der einen, PC und Internet - und hier vor allem das Web 2.0 - auf der anderen Seite untrennbar miteinander verbunden sind. Lernen lehren muss also heute die Vermittlung von web literacy, die notwendig ist, um die vielfältigen Möglichkeiten des Web (2.0) voll ausschöpfen und nutzen zu können, als einen zentralen Pfeiler einschließen. Hier stellt sich natürlich das Problem, dass (ausgerechnet) Digital Immigrants den Digital Natives diese Qualifikationen beibringen sollen (siehe Seite "Digital Natives").

Lernen basierte in der Vergangenheit und basiert auch noch heute vor allem auf Lehr- oder Schulbüchern. Vielleicht noch hier und da ein Zeitungsausschnitt oder auch einmal ein Film - das wars. Außerdem hatten Lernende außerhalb der Bildungsinstitutionen nur sehr begrenzt Zugang zu darüber hinausgehenden Informationen. Heute dagegen ist für alle das Wissen der Menschheit nur einen Mausklick entfernt, und die Informationen im Web sind weitaus aktueller und umfangreicher, als das ein Schulbuch je sein könnte. Die Fähigkeit, dieses Reservoir effektiv nutzen zu können, ist damit zu einer entscheidenden Schlüsselqualifikation geworden, die in der Schule vermittelt werden muss (siehe Seite "Wikipedia verstehen").

Web (2.0) literacy
als Schlüsselqualifikation wird noch bedeutsamer, wenn man bedenkt, dass das Web 2.0 neue und innovative Möglichkeiten anbietet, um den riesigen und stetig wachsenden Umfang an Informationen, dem wir ausgesetzt sind, zu bewältigen. Man denke etwa an die heute allgegenwärtigen RSS-Feeds, ein elektronisches Nachrichtenformat, das dem Nutzer ermöglicht, die Inhalte einer Website – oder Teile davon - zu abonnieren (siehe Seite "Elemente des Web 2.0").



Lernen als Prozess


Ein weiterer Aspekt: Von Generationen von SchülerInnen und Studierenden wurde vor allem eines erwartet, die Fähigkeit, alleine zu arbeiten und ihr Referat, ihre Präsentation oder ihr Seminarpapier für ihre Lehrerin oder ihren Dozenten zu erstellen. Und wenn die Arbeit daran beendet war, dann war sie genau das: endgültig fertig. Mit Web 2.0 beginnt sich das zu ändern. SchülerInnen können beispielsweise ein Wiki für ein kleines Publikum - und sei es nur für die anderen Schüler der Klasse und/oder ihre Eltern - erstellen. Die dort eingestellten Inhalte können kommentiert, verändert und ergänzt werden. Sie sind also eigentlich nie fertig. Sehen Sie sich bei Wikipedia einmal statt des Artikels die Diskussionsseite zum jeweiligen Artikel an, dann bekommen Sie einen Eindruck, wovon hier die Rede ist (siehe Seite "Wikipedia verstehen").

Das bedeutet einen Paradigmenwechsel. Wir müssen Schülern, Studierenden und ganz allgemein Lernenden klar machen, dass ihre Beiträge nicht (nur) Endprodukt sein sollen, sondern auch Ausgangspunkt für andere, die sich damit auseinandersetzen und Inhalte ergänzen, verfeinern oder aktualisieren. Beim Lernen unter den Vorzeichen von Web 2.0 geht es nicht mehr primär um das Speichern von Wissen, sondern um einen Prozess, in dessen Rahmen Ideen ausgetauscht und verbessert werden.



Informationen kritisch prüfen können


In der Zeit der Lehrbücher und der dicken mehrbändigen Enzyklopädien, die schon allein durch ihr beachtliches Gewicht Seriosität signalisierten, konnte man sicher sein, dass die dort angebotenen Inhalte, wenn auch häufig schnell veraltet, sorgfältig durch Experten geprüft worden waren.

Das allerdings ist heute nicht mehr gegeben. Da jede und jeder im Web publizieren kann, müssen wir viel mehr als früher kritische Wissenskonsumenten werden und selbst die Aufgabe der Überprüfung übernehmen, wie das früher Herausgeber oder Redakteure getan haben. Auch hierbei handelt es sich um eine Fähigkeit, die erlernt werden kann und muss - gerade auch von den Digital Natives, denen diesbezüglich häufig das Problembewusstsein fehlt (zum Begriff und der Debatte um Digital Natives versus Digital Immigrants siehe die Seite Digital Natives).

Die Fähigkeit zur kritischen Prüfung der überall und jederzeit verfügbaren Informationen - darüber scheint Einigkeit zu herrschen - stellt eine Schlüsselkompetenz im Rahmen des Lernens 2.0 dar. So schreibt etwa Hans N. Weiler in seinem lesenswerten Essay "Bildung im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit":

"Moderne Technologien machen Informationen unbegrenzt und überall verfügbar - allerdings weitgehend beliebig, ungeordnet und unbewertet. Damit aus solch grenzenloser Information sinnvolles Wissen werden kann, bedarf es der Vermittlung analytischer, kritischer und normativer Fähigkeiten, die in der zeitgenössischen Bildungslandschaft jedoch eine eher marginale Rolle spielen."

[in: Schlüter/Strohschneider (Hg.), Bildung? Bildung! 26 Thesen zur Bildung als Herausforderung im 21. Jh., Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 790, Bonn 2009, S. 93]

Weiler fordert deshalb, "Wissenskunde" als neues Pflichtfach in den Fächerkanon aufzunehmen. Winfried Schulze (siehe rechter Kastentext) weist in demselben Sammelband darüber hinaus auf eine häufig vernachlässigte Kompetenz hin: Neben den allgemein anerkannten Kompetenzen zum Erwerb und zur Prüfung von Wissen ergänzt er eine dritte Kompetenz, nämlich die Kompetenz, unbrauchbar gewordene Wissensbestände auszuscheiden.

 

 

 

Bildung 2.0

 

Angesichts der offenkundigen Unmöglichkeit, Bildung allein über fest definierte kognitive Kerne zu definieren, die auf verschiedenen Stufen der Ausbildung von Schülern und Studenten zu lernen wären, kann eine Neuorientierung von Bildung sich letztlich nur über ein Set von Kompetenzen definieren, die junge Menschen in die Lage versetzen, das beruflich und gesellschaftlich notwendige Wissen zu erwerben, es kritisch zu prüfen und gegebenenfalls unbrauchbare Wissensbestände auszuscheiden.

Die Kompetenz zum Erwerb dieses Wissens bedeutet die Fähigkeit, sich die relevanten Wissensbestände im jeweils notwendigen Grad von Spezialisierung zu verschaffen.

Die Kompetenz zur kritischen Prüfung zielt ab auf die Fähigkeit, den Richtigkeitsgehalt der so ermittelten Wissensbestände zu überprüfen und argumentative Strukturen und Grundregeln für den Beleg von wahren Behauptungen zu erkennen.

Schließlich muss die Kompetenz entwickelt werden, bestimmte Wissensbestände zu deaktivieren, was angesichts der (...) schnellen Wissensvermehrung besonders notwendig erscheint.

Insgesamt ließe sich aus diesen Anforderungen ein Set von Kompetenzen entwickeln, die sich vor allem auf die Entwicklung einer kritisch-rational argumentierenden und handelnden Persönlichkeit beziehen.

[Winfried Schulze, Kompetenz statt Bildung!; in: Schlüter/Strohschneider (Hg.), Bildung? Bildung! 26 Thesen zur Bildung als Herausforderung im 21. Jh., Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 790, Bonn 2009, S. 26f.]

 

 



nicht mehr nur Text


Ein weiteres Beispiel für die Auswirkungen des Web 2.0 auf Lehren und Lernen: „Schreiben“ im Sinne von seine Gedanken ausdrücken, mit anderen über Inhalte kommunizieren und Publizieren ist nicht mehr auf reinen Text begrenzt. Zunehmend kommen Audiodateien, digitale Fotos und Videos hinzu. Und das mit gutem Grund, bieten doch diese multimedialen Ausdrucksformen fantastische Möglichkeiten in allen Bildungszusammenhängen. Sehen Sie sich als ein Beispiel unter vielen das Video der Rede von Severn Suzuki beim Earth Summit in Rio de Janeiro 1992 an ("The girl who silenced the world for six minutes"):


 



Lehrerrolle


Angesichts der auf dieser Seite angesprochenen Änderungen kann es nicht überraschen, dass sich die Rolle des Lehrenden ändert. Ging es früher in der Hauptsache um die Vermittlung von Informationen, sind Lehrende im Zeitalter der überall und jederzeit verfügbaren Informationen vorrangig als Moderator und Lernbegleiter gefordert. Ehemals klare Grenzen wie die zwischen Lehrendem und Lernendem verschwimmen. Die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen wie web literacy erhält eine noch größere Bedeutung, Orientierungswissen verdrängt Faktenwissen, das immer schneller veraltet. Besonders augenfällig zeigt sich das an einem klassischen Bildungsformat, der universitären Vorlesung, die in ihrer ursprünglichen Form - dem Vorlesen des Buches, das nur in kleiner Auflage und sehr teuer zur Verfügung stand - natürlich schon vor dem Web ein Anachronismus war.



Universität 2.0





kollaboratives Lernen



Wie könnte demgegenüber die Universität 2.0 aussehen? Darüber haben sich die Autoren des einflussreichen Buchs "Wikinomics. How Mass Collaboration Changes Everything", Don Tapscott und Anthony D. Williams, Gedanken gemacht (zu Wikinomics siehe Wirtschaft 2.0). In einem Artikel für die Zeitschrift EDUCAUSE Review (vol. 45, no. 1, January/February 2010, 16-29) führen Sie aus, dass die Diskussion über die Zukunft der Universität bislang am Kern der Sache vorbeigehe. Die meisten Lösungsvorschläge...

"...don't address the fundamental problems with the university or show a way forward. Rather, change is required in two vast and interwoven domains that permeate the deep structures and operating model of the university: (1) the value created for the main customers of the university (the students); and (2) the model of production for how that value is created. First we need to toss out the old industrial model of pedagogy (how learning is accomplished) and replace it with a new model called collaborative learning. Second we need an entirely new modus operandi for how the subject matter, course materials, texts, written and spoken word, and other media (the content of higher education) are created. We believe that if the university opens up and embraces collaborative learning and collaborative knowledge production, it has a chance of surviving and even thriving in the networked, global economy."

[Online-Version des Artikels mit interessanter Diskussion]

Wer diese überaus interessante und wichtige Thematik vertiefen möchte, dem sei neben der Lektüre des zitierten Aufsatzes das neue Buch von Tapscott/Williams empfohlen: "Macrowikinomics. Rebooting Business and the World" (Portfolio Penguin, 2010). Teil IV des Buches - "Learning, Discovery, and Well-being" - beschäftigt sich u.a. mit den Themen "Rethinking the University: Collaborative Learning" und "Science 2.0: Igniting Knowledge Creation in a Networked World". Das folgende Video zeigt ein Interview mit Don Tapscott über das Buch:



Tapscott/Williams zählen im Rahmen der Debatte um die Auswirkungen des Web 2.0 zu denjenigen, die revolutionäre Änderungen in praktisch allen Bereichen erwarten. Am anderen Ende des Spektrums stehen diejenigen, die zwar anerkennen, dass es im Zusammenhang mit Web 2.0 zu Änderungen und Anpassungen kommen wird, die diesen aber keine grundlegende Qualität beimessen. Beispielhaft sei auf eine Handreichung der Hochschulrektorenkonferenz in Deutschland verwiesen. Diese kommt zu dem Fazit:

"Generell steht zu erwarten, dass sich die Hochschulen im Zuge der aktuellen und zukünftigen Entwicklungen des Internets und der Internetnutzung wenn schon nicht dramatisch, so doch sukzessiv verändern werden. Dies gilt besonders im Hinblick auf Infrastrukturen, Prozesse und Services im Bereich des Informations- und Kontaktmanagements. Dagegen wird der durch Web 2.0-Anwendungen ausgelöste Wandel in Lehre und Forschung eher graduell und inkrementell ausfallen."

[Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Herausforderung Web 2.0, Beiträge zur Hochschulpolitik 11/2010, Online-Version, pdf]



neue Lernkultur


Wie weitreichend die Auswirkungen des Web 2.0 auf Lehren und Lernen sein werden, ist also umstritten, nicht aber die Tatsache, dass sich etwas ändern wird. Hinzu kommt, dass sich die Debatte um die Auswirkungen des Web 2.0 mit anderen Debatten überschneidet, insbesondere mit der Diskussion um eine neue Lernkultur, die sich mit Begriffen wie selbstbestimmtes Lernen und konstruktivistischen Lerntheorien verbindet. Ohne diese Aspekte hier vertiefen zu können, sei darauf hingewiesen, dass das Web 2.0 den Übergang vom traditionellen zu einem konstruktivistischen Paradigma - wie ihn das folgende Schaubild zeigt - zu befördern prädestiniert ist.




In einem rund einstündigen Vortrag aus dem Jahr 2008 fasst Michael Wesch viele der hier genannten Aspekte zum Thema Lernen 2.0 auf eindrucksvolle Weise zusammen:


 



[Autoren: Dr. Ragnar Müller / Prof. Dr. Wolfgang Schumann]

 

 

Nach oben

D@dalos Startseite

Deutsche Startseite

Grafische Übersicht

Kontakt

1998-2011 D@dalos - politische Bildung, Demokratieerziehung, Menschenrechtsbildung, Friedenspädagogik (ein Projekt von Pharos e.V.), Web: Gesellschaft Agora