Inhaltsverzeichnis
Online-Lehrbuch Demokratie:
Einleitung
Was ist Demokratie?
Entwicklung
Staat
Wahlen
Parlament
Regierung
Opposition
Gewaltenteilung
Rechtsstaat
Gesellschaft
Probleme
|
Kernelemente eines demokratischen Staats:
Parlament
[Autor: Dr. Ragnar Müller,
Mail an den Autor]
In einer Demokratie geht alle Gewalt vom Volk aus. Ausgeübt wird sie
in der Regel von gewählten Volksvertretern, die sich in einem
Parlament zusammenfinden. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, die
politische Richtung des Staates (mit) zu bestimmen, indem sie sie
durch Gesetze festlegen (Gesetzgebungsfunktion). Daher wird
das Parlament als gesetzgebende Gewalt (Legislative) bezeichnet.
Weil das Parlament aufgrund der Wahlen
durch das Volk direkt legitimiert ist, besitzt es eine zentrale
Stellung und kann bei der Besetzung von anderen Organen
mitentscheiden (Wahlfunktion). Das gilt vor allem für die
Regierung, die in parlamentarischen
Systemen aus dem Parlament hervorgeht und ihm verantwortlich ist. |
[Parlament in Wien; Foto:
Jorge Royan,
Wikimedia Commons]------- |
Zudem übt es über diese anderen Organe
eine Kontrolle aus (Kontrollfunktion), damit sie nicht
eigenmächtig gegen den Willen des Volkes handeln können. Wobei zuerst
festgestellt werden muss, welchen Willen das Volk hat. Dafür gibt es zum
einen regelmäßige Wahlen, zum anderen ist es die Aufgabe der
Parlamentarier verschiedener politischer Richtungen, in Gesprächen und
Debatten die Meinung ihrer Wähler zu vertreten (Artikulationsfunktion)
und herauszufinden, was die Mehrheit des Volkes (vertreten durch die
Mehrheit der Parlamentarier) will. Schließlich tragen die Abgeordneten
auch noch dafür Sorge, dass die politischen Probleme, die im Staat
entstehen, in der Bevölkerung auch wahrgenommen werden und eine
öffentliche Diskussion darüber stattfindet (Willensbildungsfunktion).
In den öffentlichen Sitzungen des Parlaments werden die Argumente
ausgetauscht, so dass sich die interessierte Bürgerin informieren kann. |
Schaubild: Funktionen des Parlaments im Überblick
|
|
Gesetzgebungsfunktion
Wahlfunktion
Kontrollfunktion
Artikulations- und Willensbildungsfunktion |
Das Parlament im demokratischen Staat
Im Rahmen der Gesetzgebungsfunktion kann das Parlament einen
Gesetzesvorschlag einbringen (Initiativrecht). Dazu können
unterschiedliche Organe berechtigt sein. In parlamentarischen
Demokratien wird dieses Recht jedoch zumeist von der Regierung
wahrgenommen. Das liegt daran, dass sie im Parlament mit einer Mehrheit
vertreten ist, und ihre Gesetzesvorschläge daher am meisten Aussicht auf
Erfolg haben.
Nach Eingabe des Gesetzesvorschlags wird er im Plenum des Parlaments
beraten. Hierbei werden häufig Verbesserungen an der Gesetzesvorlage
vorgenommen. Anschließend wird über die Gesetzesvorlage abgestimmt. Für
die Zustimmung zu einem Gesetz ist im Normalfall eine einfache Mehrheit
nötig. Betrifft das Gesetz wichtige Bereiche wie z.B. die Verfassung,
muss eine größere, qualifizierte Mehrheit zustimmen (z.B. zwei Drittel
der Abgeordneten). Ist das der Fall, wird die Gesetzesvorlage zu einem
gültigen Gesetz.
In einer parlamentarischen Demokratie wählen die Abgeordneten den
Regierungschef, manchmal auch die komplette Regierung. Dadurch wird die
Regierung abhängig von der Mehrheit des Parlaments und die Abgeordneten
können durch ihre Wahl einen großen Einfluss auf die politische Richtung
der Regierung nehmen. Zudem haben sie meistens auch die Möglichkeit, die
Regierung oder den Regierungschef abzuwählen.
Aber nicht nur die Regierung wird vom Parlament gewählt. Oft wählt das
Parlament auch die Mitglieder des obersten Gerichts. Durch die Wahl der
Mitglieder von Organen, die zu den anderen Gewalten gezählt werden,
werden diese Organe indirekt legitimiert. Das heißt, dass das Volk nicht
direkt die obersten Richter und den Regierungschef wählen kann. Dafür
entscheidet es aber indirekt über die Wahl zum Parlament mit. Und damit
sind Regierung und oberste Richter indirekt durch das Volk bestimmt
worden. Sie sind legitimiert worden, Entscheidungen für das Volk zu
treffen.
Im Rahmen der klassischen Lehre von der Gewaltenteilung kontrolliert das
Parlament (Legislative) die Ausführung der Gesetze durch die Regierung
(Exekutive). Um diese Kontrolle ausüben zu können, besitzt es
verschiedene Mittel, die in jedem Staat unterschiedlich ausgeprägt sind.
Es kann Untersuchungen anordnen, sich an das oberste Gericht — die
dritte Gewalt (Judikative) — wenden oder aber die Regierung abwählen.
Da in den modernen parlamentarischen Demokratien die Regierung aber
meistens mit einer Mehrheit im Parlament vertreten ist, findet die
Kontrolle in der Praxis nicht zwischen Parlament und Regierung, sondern
zwischen Regierung und Opposition, also
zwischen Mehrheit und Minderheit des Parlaments statt.
Die Parlamentarier haben die Aufgabe, die politischen Bestrebungen im
Volk, die Meinungen ihrer Wählerinnen zu artikulieren. Im Idealfall
fühlen sich alle Wähler von der einen oder anderen Fraktion im Parlament
vertreten und die Distanz zwischen Wählern und Gewählten ist gering.
Durch die Öffentlichkeit der Sitzungen, die Berichterstattung in den
Medien und durch gezielte Informationen über ihre Arbeit versuchen die
Parlamentarier, die Bevölkerung aufzuklären und den Prozess der
politischen Willensbildung in der Bevölkerung zu fördern. |
interessante Texte zur Vertiefung |
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den
Themen dieser Seite ausgewählt:
Parlamentarische Demokratie - Informationen zur politischen Bildung,
Heft 295, Bonn 2007.
Lexikonartikel: "Bundestag"; aus: Andersen,
Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der
Bundesrepublik Deutschland. 5., aktual. Aufl. Opladen: Leske+Budrich
2003. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2003.
Parlament; aus: Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5.
überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn: Bundeszentrale für
politische Bildung 2009, S. 54-55.
Heinrich Oberreuter: Substanzverluste des Parlamentarismus; aus: Aus
Politik und Zeitgeschichte 38-39/2012.
Hubert Kleinert: Krise der repräsentativen Demokratie?; aus: Aus
Politik und Zeitgeschichte 38-39/2012.
Stefan Marschall: Deutscher Bundestag und Parlamentsreform; aus: Aus
Politik und Zeitgeschichte 28/2000.
Sebastian Huhnholz / Mark T. Fliegauf: Parlamentarische Führung;
aus: Aus Politik und Zeitgeschichte 4/2011.
Knut Bergmann: Zum Verhältnis von Parlamentarismus und Protest; aus:
Aus Politik und Zeitgeschichte 25-26/2012. |
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Weitere Seiten in diesem Abschnitt zu den Kernelementen eines demokratischen
Staats:
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