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Inhaltsverzeichnis


Themen des Online-Lehrbuchs zur EU:

Einleitung

Bedeutung der EU

Was ist die EU?

EU-Entwicklung

 Einführung

 Etappe 1

 Etappe 2

 Etappe 3

 Etappe 4

 Etappe 5

 Etappe 6

EU-Institutionen

EU-Internetrecherche

 


EU-Entwicklung

Etappe 2: Von den Römischen Verträgen bis zur Einheitlichen Europäischen Akte (EEA)

Schon die kurze Spanne der Entwicklung, die wir in Etappe 1 analysiert haben (1951-58), hat uns ein zentrales Charakteristikum des Integrationsprozesses erkennen lassen, das diesen wie kein anderes prägt, nämlich die ständige Spannung zwischen einer supranationalen Ausgestaltung, wie wir sie in der EGKS finden, und eher zwischenstaatlichen Tendenzen, wie wir sie in den EWG-Verträgen finden, wo ja eine Verschiebung der Kompetenzen von den supranationalen Organen zu den Mitgliedstaaten festzustellen war.

Dieses Spannungsfeld lässt sich auch in der Zeitspanne finden, um die es jetzt gehen soll, nämlich von der Gründung der EWG bis zur ersten großen Vertragsveränderung, der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA), im Jahr 1987. Das zweite Spannungsfeld, das ebenfalls auch heute noch von größter Bedeutung ist, ist das zwischen Erweiterung und Vertiefung. Diese beiden sollen bei der weiteren Untersuchung der EU-Entwicklung den roten Faden bilden.


 


Supranationale Tendenzen


Beginnen wir mit den supranationalen Tendenzen dieser Zeitspanne, und da gibt es in der Tat eine ganze Reihe zu nennen:

  • Die Schaffung gemeinsamer Institutionen für die drei existierenden Gemeinschaften (EAG, EGKS und EWG) durch den Fusionsvertrag, der 1965 ratifiziert wurde und 1967 in Kraft trat.

  • Die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch die Ausstattung der Gemeinschaft mit Eigenmitteln durch einen Ratsbeschluss von 1970.

  • Die Einrichtung eines Europäischen Rechnungshofs sowie die Übertragung verstärkter Haushaltsbefugnisse an das Europäische Parlament (EP) durch den „Brüsseler Vertrag” von 1975.

  • Die Einführung von Direktwahlen für das EP, die 1976 beschlossen wurde. Die erste Direktwahl fand 1979 statt.

Das waren die formalen, klar erkennbaren Ereignisse, die auf eine supranationale Entwicklung hindeuten.




Rolle des EuGH


Einen noch bedeutenderen Einflussfaktor bildete die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). In einer Reihe von bahnbrechenden Urteilen wurde durch ihn der EWG-Vertrag gravierend verändert und ihm Elemente einer richtiggehenden Verfassung verliehen. So wurden unter anderem das Prinzip der unmittelbaren und direkten Wirkung des EG-Rechts durchgesetzt. Der EuGH setzte den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht durch, und die nationalen Gerichte wurden in die EG-Rechtsprechung einbezogen, indem sie ermuntert wurden, bei Unklarheiten in Fragen des EG-Rechts den EuGH anzurufen.

Auf diesem Weg wurde durch den EuGH eine Rechtsordnung geschaffen, die derjenigen nationaler Systeme ähnelte und weit über alles hinausging, was bislang aus dem Bereich zwischenstaatlicher Beziehungen bekannt war. Diese Rechtsordnung wurde zu dem herausragenden Kennzeichen der Einmaligkeit der EWG.

Und dann gilt es schließlich noch einen wichtigen Punkt zu erwähnen, nämlich die Tatsache, dass während unseres Untersuchungszeitraums nach und nach, besonders ab dem Beginn der 80er Jahre, immer mehr Politikfelder in die Zusammenarbeit im Rahmen der EG einbezogen wurden. Insofern hat die EEA im Grunde nur vertraglich nachvollzogen, was schon vorher Praxis geworden war.










"Luxemburger Kompromiss"



Intergouvernementale Tendenzen

Nun könnte man den Eindruck gewinnen, dass die EG sich klar und deutlich in Richtung mehr Supranationalität entwickelt habe. Dass dies keinesfalls so war, soll ein Blick auf ausgewählte, in Richtung Zwischenstaatlichkeit weisende Entwicklungen belegen.

Beginnen wir mit dem so genannten "Luxemburger Kompromiss" von Anfang 1966. Worum geht es da? Ursprünglich hätte der Ministerrat, das zentrale Organ der EWG, laut Vertrag zum 1. Januar 1966 von einstimmigen zu Mehrheitsentscheidungen übergehen sollen. Die französische Regierung unter De Gaulle aber lehnte dies entschieden ab. Als dann Mitte 1965 keine Einigung über die umstrittene Agrarfinanzierung gelang, zog sie, um Entscheidungen zu verhindern, ihren Vertreter aus dem Rat zurück. Diese so genannte „Politik des leeren Stuhls” war die erste große Krise der EWG.

Sie wurde im Januar 1966 durch den „Luxemburger Kompromiss” beigelegt. Darin verständigten sich die Mitgliedstaaten darauf, auf die eigentlich vorgesehenen Mehrheitsentscheidungen zu verzichten, wenn vitale Interessen eines Landes berührt werden. De facto galt deshalb weiterhin das Einstimmigkeitsprinzip, wie es auch für die traditionellen Formen zwischenstaatlicher Kooperation charakteristisch ist. Das bedeutete einen klaren Einschnitt in der Geschichte der Integration.

In zwischenstaatliche Richtung wies außerdem die Einrichtung einer außenpolitischen Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten – der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) - im Jahr 1969. Sie stellte unter anderem eine Reaktion auf die Erweiterung um Dänemark, Irland und Großbritannien dar, mit der die EG auch eine immer wichtigere internationale Größe darzustellen begann. Bedeutsam für unseren Zusammenhang ist, dass die EPZ außerhalb des EG-Rahmens und zunächst ganz bewusst ohne Beziehung zu ihm stattfand und das Entscheidungsprinzip der Einstimmigkeit – wie in normalen internationalen Beziehungen üblich – bestand.






Verdoppelung des Mitgliederbestands



Erweiterung und Vertiefung

Kommen wir zum zweiten Spannungsfeld – Erweiterung versus Vertiefung - und hier zunächst zur Abfolge der Ereignisse. Die Erweiterung der Gemeinschaft im Zeitraum zwischen EWG und EEA vollzog sich in drei Schritten:

  • Norderweiterung um Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich (1973)

  • Süderweiterung (I) um Griechenland (1981)

  • Süderweiterung (II) um Spanien und Portugal (1986)

Die Gemeinschaft konnte also in weniger als 30 Jahren ihren ursprünglichen Mitgliederbestand exakt verdoppeln. Das hatte eine ganze Reihe von Folgen, über die gleich zu berichten sein wird. Zunächst ist aber festzustellen, dass die Erweiterungsrunden immer auch mit einer Ausdehnung und Vertiefung der Zusammenarbeit verbunden waren. So hat die Erweiterungsrunde von 1973 wesentliche Anstöße zur Einrichtung der EPZ, die Süderweiterungen haben wesentliche Impulse für die Einrichtung und den Ausbau der Regionalpolitik gegeben.

Die andere, problematische Auswirkung: die größere Zahl von Mitgliedstaaten brachte eine zunehmende Heterogenität von Interessen und Grundeinstellungen zu der Frage mit sich, wozu diese EG dienen und wie sie weiter entwickelt werden sollte, und sie beeinträchtigte gravierend die Entscheidungsfähigkeit. Denken Sie daran, dass zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Luxemburger Kompromisses nach wie vor einstimmig entschieden werden musste.

Damit kommen wir zum Endpunkt der fast 30 Jahre währenden Etappe, der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) als erste große Vertragsänderung. Die erste Frage, die sich hier stellt, ist zweifellos, wie es nach drei Jahrzehnten Stillstand in der formalen Entwicklung der EG dazu kommen konnte, woher die Anstöße dafür kamen, welche Faktoren dies möglich machten. Hier sind vor allem drei zu nennen:

  • Erstens die zunehmende Entscheidungsunfähigkeit vor dem Hintergrund von Einstimmigkeitserfordernis (Luxemburger Kompromiss) und heterogenen Interessen (Erweiterung).

  • Zweitens ernsthafte, zu Beginn der 80er Jahre immer wieder von Spitzenpolitikern geäußerte Befürchtungen, vor diesem Hintergrund der Blockade und dem Fehlen eines wirklich gemeinsamen Binnenmarkts technologisch gegenüber den USA und Japan zurückzufallen.

  • Drittens die Tatsache, dass sich entweder bedingt durch Regierungswechsel (in Großbritannien 1979 Margaret Thatcher, in Deutschland 1982 Kohl) oder durch Umdenkungsprozesse (Frankreich: Mitterand rückt von der bisherigen sozialistischen Wirtschaftspolitik ab) die Vorstellungen der Regierungen in einigen der großen Mitgliedstaaten angenähert hatten.

Vor diesem Hintergrund wurden von einzelnen Mitgliedstaaten und v.a. der Kommission eine ganze Reihe von Initiativen ergriffen, die zum Ziel hatten, die Gemeinschaft wieder handlungsfähiger zu machen. Sie mündeten ein in das Binnenmarktprogramm "EUROPA 1992", mit dem bis Ende 1992 alle noch bestehenden Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedstaaten, vor allem nicht-tarifäre Handelshemmnisse, beseitigt werden sollten, um einen wirklich gemeinsamen Markt zu schaffen, und in den Beschluss des Europäischen Rats von 1985, eine Regierungskonferenz zur Änderung der Römischen Verträge nach Artikel 235 EWG-Vertrag einzuberufen, die dann schließlich zur EEA führte.








Ziel: Verwirklichung des Binnenmarkts



Neuerungen der EEA

Die mit der EEA verbundenen Neuerungen beinhalteten, kurz zusammengefasst:

  • Die Aufnahme einer Reihe von neuen Politikfeldern in den Rahmen vertragsgestützter Politik. Dazu gehören etwa Umweltpolitik, Forschungs- und Technologiepolitik sowie Regionalpolitik.

  • Die Aufnahme der Verwirklichung des Binnenmarkts als Ziel in den Vertrag.

  • Die Modifikation und Ergänzung der bestehenden Entscheidungsmodi. Dazu gehörte unter anderem die Einführung eines neuen Entscheidungsverfahrens, das Abstimmungen im Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit sowie wesentlich weiterreichende Einflussmöglichkeiten für das bis zu diesem Zeitpunkt ja nur beratende Funktionen wahrnehmende Europäische Parlament vorsah.

  • Vertragliche Regelungen für die außenpolitische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, allerdings außerhalb des EWG-Vertrags.

Verfassungspolitisch ein deutlicher Schritt in Richtung Supranationalisierung und im Bereich materieller Politik eine beeindruckende Ausdehnung des Integrationsbestands, also der in die vertragsgestützte EG-Zusammenarbeit einbezogenen Politikfelder — so lassen sich die mit der EEA verbundenen Veränderungen wohl am besten in einem Satz zusammenfassen. Dabei ist es wichtig zu sehen, dass diese Veränderungen ohne die zahlreichen kleinen Schritte in den Jahren seit Gründung der EWG und die während dieses Zeitraums gemachten Erfahrungen mit der Zusammenarbeit durch die und in den Mitgliedstaaten zweifellos nicht möglich gewesen wären. Genauso verdient hervorgehoben zu werden, dass diese Veränderungen nun ihrerseits wieder als gewichtige Einflussfaktoren die zukünftige Entwicklung beeinflussen sollten.

... weiter zu Etappe 3 der EU-Entwicklung


[© Text und Grafiken: Gesellschaft Agora]
 

 

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