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Inhaltsverzeichnis


Themen des Online-Lehrbuchs zur EU:

Einleitung

Bedeutung der EU

Was ist die EU?

EU-Entwicklung

 Einführung

 Etappe 1

 Etappe 2

 Etappe 3

 Etappe 4

 Etappe 5

 Etappe 6

EU-Institutionen

EU-Internetrecherche

 


EU-Entwicklung

Etappe 4: Vom Maastrichter Vertrag bis zum Vertrag von Nizza

Neben einer erneuten Ausdehnung des Mitgliederbestands um Finnland, Österreich und Schweden zum 1. Januar 1995 — in Norwegen hatte sich die Bevölkerung in einem Referendum im November 1994 mit rund 52 Prozent der Stimmen gegen den Beitritt entschieden — war die interne Entwicklung der Union in dieser Phase zunächst vor allem geprägt durch den Umgang mit den durch den Maastrichter Vertrag geschaffenen neuen Instrumenten und die Umsetzung der dort getroffenen Beschlüsse sowie durch die Vorbereitung der für 1996 angesetzten Regierungskonferenz, für die ja nur zwei Jahre Zeit blieb.

Bereits im Juni 1994, also nur ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Maastrichter Vertrags, wurde eine so genannte Reflexionsgruppe zur Vorbereitung der Regierungskonferenz von 1996 eingesetzt. Auf der Grundlage ihres Berichts legte der Europäische Rat im März 1996 das Arbeitsprogramm für die Konferenz fest.


 


Amsterdamer Vertrag


Der Reformprozess mit Reflexionsgruppe und Regierungskonferenz mündete in den Amsterdamer Vertrag als dritte große Vertragsrevision nach Einheitlicher Europäischer Akte und Maastrichter Vertrag. Er wurde 1997 unterzeichnet und trat am 1. Mai 1999 in Kraft. Fassen wir die wesentlichen Neuerungen zusammen:




Neuerungen durch den Amsterdamer Vertrag


Was die EG-Säule betrifft, so war die geplante Ausdehnung des Entscheidungsmodus der qualifizierten Mehrheit im Ministerrat auf zahlreiche Politikfelder nicht zu realisieren. Dagegen galt jetzt, zur Überraschung selbst des Europäischen Parlaments, in vielen Bereichen das Mitentscheidungsverfahren, so zum Beispiel in der Beschäftigungspolitik, der Verkehrspolitik oder der Entwicklungspolitik.

Entscheidend für unseren Zusammenhang ist, dass eine Einigung über die zentralen und drängenden institutionellen Fragen, die Zusammensetzung der Europäischen Kommission und die Stimmengewichtung im Rat, nicht möglich war. Hier handelt es sich um einen ganz wesentlichen Punkt, der die gesamte weitere Entwicklung prägen sollte.

Zur dritten Säule lässt sich sagen, dass Teile davon, die den Binnenmarkt unmittelbar berühren, in das Gemeinschaftsrecht übernommen wurden. Bevor wir zur zweiten Säule, der GASP kommen, sollen ergänzend noch zwei andere wichtige Beschlüsse erwähnt werden, die etwas außerhalb der Drei-Säulen-Systematik liegen.



abgestufte Integration


Einmal die Entscheidung, dass einzelnen Mitgliedstaaten eine engere Zusammenarbeit möglich sein soll, ohne dass sich alle daran beteiligen müssen. Nach dem Kompromiss von Amsterdam soll die Entscheidung, ob eine solche Kooperation zulässig ist, mit Mehrheit getroffen werden. Dabei handelt es sich zwar um die Eröffnung der Option abgestufter Integration, allerdings mit relativ hohen Hürden: Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten muss teilnehmen, die Institutionen der EU müssen beteiligt und die Funktionsfähigkeit der EU darf nicht gefährdet werden.



Pakt für Stabilität und Beschäftigung


Zum zweiten ist der Stabilitäts- und Beschäftigungspakt zu nennen. Hier wurde ein Verfahren beschlossen, das mit einer Bilanz der Lage in den Mitgliedstaaten beginnt. Der Ministerrat legt jährlich Leitlinien fest, an die sich die Regierungen halten sollen. Jeder Mitgliedstaat berichtet einmal jährlich nach Brüssel; der Rat prüft diese Berichte und kann anschließend — mit qualifizierter Mehrheit — Empfehlungen an einzelne Regierungen richten.




2. Säule / GASP


Ein ambivalentes Bild ergibt sich bei der GASP. Einerseits wurden Modifikationen beim Entscheidungsmodus vorgenommen — insbesondere Möglichkeiten für Mehrheitsentscheidungen eröffnet und festgelegt, dass Stimmenthaltungen einzelner Länder nicht mehr wie bisher Entscheidungen verhindern —, auf der anderen Seite aber doch wieder jedem einzelnen Mitgliedstaat ein Veto-Recht eingeräumt.

Die Kapazitäten für eine vorausschauende Außenpolitik sollten mit der Einrichtung einer Strategieplanungs- und Frühwarneinheit, bestehend aus Vertretern des Rats, der Kommission und der WEU, ebenso verbessert werden wie die Zusammenarbeit mit der WEU ganz allgemein. Auf eine vollständige Integration dieser Organisation in die EU — eine seit langem in der Diskussion befindliche Option — konnte man sich aber nicht verständigen.




Bewertung des Amsterdamer Vertrags


Eine Bewertung des Amsterdamer Vertrags fällt zwiespältig aus. Da ist einmal das Bemühen erkennbar, den bei der Umsetzung der Maastrichter Beschlüsse deutlich gewordenen Defiziten Rechnung zu tragen. Das lässt sich nicht zuletzt an dem Arbeitsprogramm ablesen, das die Reflexionsgruppe in ihrem Bericht an den Europäischen Rat vorgeschlagen hat. Zumindest teilweise ist dies auch tatsächlich gelungen, wobei hier besonders — trotz aller vorgesehenen Übergangsfristen und Vorbehalte im Vertragstext — die Fortschritte in der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres hervorzuheben sind.

Auf der anderen Seite ist unübersehbar, dass der Amsterdamer Vertrag eines seiner Hauptziele, die Vorbereitung der EU auf die Osterweiterung, nicht erfüllt hat. Weder wurden die mit Blick auf diese Erweiterung so zentrale Stimmengewichtung im Rat noch die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Kommission angepasst, und auch eine angesichts immer mehr potenzieller Mitglieder notwendige Ausweitung der Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit im Rat war nicht zu erreichen.

Damit — so viele Kritiker — wurde der Vertrag von Amsterdam dem immensen Problemdruck nicht gerecht und eine weitere Gelegenheit zur nachhaltigen Vertiefung der Integration vertan, was umso schwerer wiege, als es gelte, die nach den epochalen Umbrüchen von 1989/90 sich bietende historische Chance zur Schaffung eines Gesamteuropas nicht verstreichen zu lassen.

Schließlich bleibt festzuhalten, dass die EU seit der Verabschiedung der EEA in einen immer schneller und intensiver sich vollziehenden Prozess der Diskussion über ihre „Spielregeln“ und die Anpassung an veränderte interne und insbesondere externe Rahmenbedingungen eingetreten ist. Während von der EEA bis zur Aufnahme der Diskussionen über eine erneute Vertragsänderung, die dann in den Maastrichter Vertrag mündete, doch noch ein zumindest kurzer Zeitraum verstrich, begann mit dem Inkrafttreten des Maastrichter Vertrags bereits die Debatte über weitere Anpassungen und Änderungen der vertraglichen Grundlagen, die dann in den Amsterdamer Vertrag mündete.











"left-overs" von Amsterdam



Der Vertrag von Nizza

Der Beschluss zur Einberufung einer erneuten Regierungskonferenz fiel bereits Anfang Juni 1999, also nur rund einen Monat nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags. Die Dynamik der Entwicklung verstärkte sich also noch einmal. Die Konferenz sollte nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs im Jahr 2000 stattfinden und sich mit den Fragen befassen, die in Amsterdam nicht hatten gelöst werden können.

  • Größe und Zusammensetzung der Kommission;

  • Stimmengewichtung im Rat;

  • mögliche Ausweitung der Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit;

  • weitere Fragen zu denjenigen Vertragsänderungen, die sich durch die sogenannten „left-overs“ oder durch die Umsetzung des Amsterdamer Vertrags ergeben;

  • Mitte des Jahres kam als weitere Thematik noch die verstärkte Zusammenarbeit, also Möglichkeiten der abgestuften Integration hinzu.

Die Verhandlungen auf der Regierungskonferenz wurden vor dem Hintergrund laufender Beitrittsverhandlungen mit insgesamt zwölf Staaten und mit dem Ziel geführt, durch institutionelle Veränderungen sicherzustellen, dass auch eine Union mit der nahezu doppelten Anzahl von Mitgliedern handlungsfähig bleiben würde. Dabei ging es vor allem um die in der obigen Aufzählung aufgelisteten fünf Punkte. Wie sehen die Ergebnisse der Regierungskonferenz, wie sehen die zentralen Bestimmungen des Vertrags von Nizza aus, welche Veränderungen bringt er mit sich?




Neuerungen durch den Vertrag von Nizza


Was die Größe und Zusammensetzung der Kommission angeht, sieht der Vertrag vor, dass jeder Mitgliedstaat ab dem Jahr 2005 nur noch ein Kommissionsmitglied stellt. Mit dem Beitritt des 27. Mitgliedstaats (Bulgarien und Rumänien) wird die Zahl der Kommissare begrenzt (sie muss unter 27 liegen). Zur Gewährleistung der Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten soll ein Rotationssystem eingeführt werden.

Was die beiden eng zusammenhängenden Fragen der Stimmengewichtung im Rat und der Ausweitung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit angeht, so sieht der Vertrag vor, dass bei rund 30 Vertragsbestimmungen das Einstimmigkeitsprinzip durch eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit ersetzt wird, wobei allerdings zentrale Bereiche ausgespart bleiben. Ferner werden mit dem Amtsantritt der Barroso-Kommission die Stimmen im Rat neu gewichtet. Die qualifizierte Mehrheit ist erreicht

  • wenn der Beschluss eine bestimmte Anzahl von Stimmen erhält, wobei diese Stimmenzahl nach jedem Beitritt neu geprüft wird,

  • wenn die Mehrheit der Mitgliedstaaten dem Beschluss zustimmt und

  • diese Mehrheit mindestens 62 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmacht (wird auf Antrag eines Mitgliedstaats geprüft).

Für das Europäische Parlament wurde im Nizzaer Vertrag eine neue Sitzverteilung vorgenommen, die bestehende Ungleichgewichte in der Repräsentativität der Abgeordneten aus den einzelnen Ländern etwas abmildert und die mit Blick auf die Handlungsfähigkeit des Parlaments die Zahl der Abgeordneten auf 732 begrenzt.

Kommen wir zum letzten der fünf zentralen Punkte von Nizza, der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit. Die Ergebnisse dazu lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Hindernisse für eine verstärkte Zusammenarbeit werden zwar in Zukunft erheblich geringer sein, was zweifellos zum Umgehen bestehender Blockaden in einzelnen Feldern beitragen kann. Was nicht möglich sein wird, ist dagegen ihr Einsatz als Vertiefungsinstrument zur Erschließung neuer Politikfelder. Dazu sind die Einschränkungen, denen sie unterworfen bleiben, über alle drei Säulen hinweg weiterhin zu rigide.




Bewertung des Vertrags von Nizza


Wie lassen sich die Ergebnisse von Nizza in den Rahmen der von uns bisher betrachteten Entwicklung der EU einordnen und bewerten? Hier muss man zu dem Schluss kommen, dass es nur vordergründig und formal betrachtet gelungen ist, die Voraussetzungen für die Erweiterung zu schaffen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich vielmehr, dass mit und durch Nizza die Zukunft der Union eher belastet wurde.

Das hängt einmal damit zusammen, dass sich in einem Ausmaß wie nie zuvor Konfliktlinien zwischen den Mitgliedstaaten gezeigt haben und in einer Art und Weise um „nationale Interessen“ gefeilscht wurde, die ebenfalls ohne Vorbild ist. Das hat sich auch erkennbar in den Ergebnissen von Nizza niedergeschlagen. Denken Sie beispielsweise an die Beschlüsse zur Kommission, die deutlich hinter die Amsterdamer Regelungen zurückfallen, oder die Erschwerung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit. Das heißt auch, dass – so das Urteil der meisten Beobachter – keinesfalls ausreichende institutionelle und prozedurale Voraussetzungen für die anstehende Erweiterung geschaffen wurden.

Alles in allem muss man damit den Eindruck gewinnen, dass Nizza nicht dazu genutzt wurde, um die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der EU zu verbessern, sondern um die „Verhinderungsmacht“ einzelner Mitgliedstaaten auszubauen. Eine zweifellos gerade auch für unsere Leitfragen nach Bestimmungsfaktoren und Entwicklungsmustern des Integrationsprozesses bedeutsame Feststellung.

Diese Defizite waren so offensichtlich, dass man sich praktisch direkt (!) anschließend an Nizza entschloss, einen neuen Versuch zu unternehmen, die drängenden Probleme noch vor einer möglichen Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) zu lösen.

... weiter zu Etappe 5 der EU-Entwicklung


[© Text und Grafiken: Gesellschaft Agora]
 

 

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