Inhaltsverzeichnis
Themen des
Online-Lehrbuchs zur EU:
Einleitung
Bedeutung der EU
Was ist die EU?
EU-Entwicklung
EU-Institutionen
Rat der EU
Europäische Kommission
Europäisches Parlament
Gerichtshof
der EU
Europäischer
Rat
Nationale
Ebene
Zusammenspiel
EU-Internetrecherche
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EU-Institutionen
Europäischer Rat
Beim Europäischen Rat handelt es sich um diejenige Institution der
EU, die in ganz besonderer Weise das zwischenstaatliche Element
repräsentiert. Seine Zusammensetzung und Aufgaben sind in Artikel 15
EUV geregelt:
"(1) Der Europäische Rat gibt der Union die für ihre Entwicklung
erforderlichen Impulse und legt die allgemeinen politischen
Zielvorstellungen und Prioritäten hierfür fest. Er wird nicht
gesetzgeberisch tätig.
(2) Der Europäische Rat setzt sich
zusammen aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten
sowie dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten der
Kommission. Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und
Sicherheitspolitik nimmt an seinen Arbeiten teil." |
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Aufgaben des Europäischen Rats |
Worin liegen Einfluss und Bedeutung dieser Institution begründet, wenn
sie doch nicht selbst gesetzgeberisch tätig wird? Sie finden ihren
Ursprung einmal in der Tatsache, dass die Staats- und Regierungschefs
als die führenden Politiker der beteiligten Mitgliedstaaten wesentlich
die politische Agenda der Union mitbestimmen, das heißt, die politischen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leitlinien für sämtliche
Tätigkeitsbereiche der EU festlegen.
Hinzu kommt zweitens, dass der Europäische Rat immer dann als
Streitschlichter ins Spiel kommt, wenn es nicht gelingt, bestehende
Konflikte auf unteren Ebenen, also beispielsweise auf der Ebene der für
einzelne Ressorts zuständigen Minister, zu lösen. Dann wird versucht, im
Rahmen des Europäischen Rats, beispielsweise mit Hilfe von package
deals, eine für alle akzeptable Lösung zu finden.
Des Weiteren kommt ihm eine führende Rolle in der Außenpolitik zu und er
ist zentraler Akteur in Fragen wie Erweiterung, Vertragsänderungen etc.,
also immer dann, wenn es um grundlegende Weichenstellungen in der EU
geht. Darüber hinaus fällt er wichtige Personalentscheidungen, indem er
seinen eigenen Präsidenten, den Präsidenten der Europäischen Kommission
und den Hohen Repräsentanten ernennt.
Ihn allerdings deswegen als "Motor der europäischen Integration" und "höchste
politische Autorität" der EU zu bezeichnen, wie es in der
englischsprachigen Wikipedia geschieht, hieße unseres Erachtens,
über das Ziel hinauszuschießen, weil dabei die beachtlichen Kompetenzen
der anderen Institutionen ebenso unterschätzt werden wie das hohe Maß
ihrer wechselseitigen Abhängigkeit in dem komplexen Entscheidungsgefüge
der Union. |
Zusammensetzung und Arbeit in der Praxis |
Der Europäische Rat wird von seinem Präsidenten einberufen und kommt
mindestens viermal im Jahr zusammen. Falls erforderlich, können sich die
Staats- und Regierungschefs von einem Minister, im Falle des
Kommissionspräsidenten von einem Kommissar, unterstützen lassen. Eine
regelmäßige Teilnahme der Außenminister, wie sie vor dem Inkrafttreten
des Lissaboner Vertrags üblich war, findet nicht mehr statt.
Natürlich sind bei den Beratungen im Kreis der Staats- und
Regierungschefs viele weitere Akteure involviert. Das reicht vom
Generalsekretär des Rats, der eine bedeutsame Rolle bei der
organisatorischen Vorbereitung der Treffen spielt, über den Präsidenten
des Europäischen Parlaments, der traditionell in einer Eröffnungsrede
die Positionen dieses Organs erläutert, die sogenannte "Antici
Gruppe", deren Mitglieder aus dem Kreis der Ständigen Vertreter (COREPER)
in einem Nebenzimmer sitzen und ständig bereit sind, fachliche Expertise
zur Verfügung zu stellen, bis hin zu den unvermeidlichen Übersetzern.
Im Anschluss an die Beratungen kann der Europäische Rat im Konsens:
-
Leitlinien festlegen, mit denen dem Rat der Europäischen Union und der
Europäischen Kommission die Prioritäten des Europäischen Rats bei der
Verwaltung der Union und ihrer gemeinsamen Politiken mitgeteilt wird.
Dies erfolgt häufig in Form allgemeiner politischer Leitlinien, eines
Zeitplans und konkreter Ziele;
-
Erklärungen oder Entschließungen verabschieden, in denen die Position
der Staats- oder Regierungschefs zu einem bestimmten Punkt feierlich zum
Ausdruck gebracht wird.
Außerdem werden zu jedem Treffen Schlussfolgerungen veröffentlicht, die
die wesentlichen Ergebnisse der Gespräche zusammenfassen. |
Der Präsident des Europäischen Rats |
Zu den wesentlichen Neuerungen, die der Lissaboner Vertrag für die
Arbeit des Europäischen Rats mit sich gebracht hat, gehört die
Einsetzung eines ständigen Präsidenten, mit dem die Defizite der
bisherigen Konstruktion eines halbjährlich wechselnden Vorsitzes (mangelnde
Kontinuität, Überlastung, insbesondere für kleinere Mitgliedstaaten
etc.) beseitigt werden sollen.
Wie sehen die Aufgaben dieses vom Europäischen Rat mit qualifizierter
Mehrheit für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahre gewählten Präsidenten —
der derzeitige Amtsinhaber ist Herman Van Rompuy— aus? Das ist Artikel
15 EUV, Absatz 6 zu entnehmen. Danach
-
führt er den Vorsitz bei den Arbeiten des Europäischen Rats und gibt
ihnen Impulse;
-
sorgt er in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Kommission auf der
Grundlage der Arbeiten des Rats "Allgemeine Angelegenheiten" für die
Vorbereitung und Kontinuität der Arbeiten des Europäischen Rats;
-
wirkt er darauf hin, dass Zusammenhalt und Konsens im Europäischen Rat
gefördert werden;
-
legt er dem Europäischen Parlament im Anschluss an jede Tagung des
Europäischen Rats einen Bericht vor.
Außerdem nimmt er — unbeschadet der Befugnisse des Hohen Vertreters der
Union für Außen- und Sicherheitspolitik, wie es im Vertrag heißt — die
Außenvertretung der Union in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik wahr. Der Präsident des Europäischen Rats, so eine
weitere wichtige Bestimmung, darf kein einzelstaatliches Amt ausüben und
kann einmal wiedergewählt werden. |
Bewertung |
Der Europäische Rat als dezidiert die zwischenstaatliche Komponente der
EU widerspiegelnde Institution hat mit dem Vertrag von Lissabon
zweifellos noch einmal an Bedeutung gewonnen. Daraus allerdings auf
einen generell zwischenstaatlichen Trend in der EU zu schließen, wäre
falsch. Die Ausführungen zum
Gerichtshof der EU sowie zum
Europäischen Parlament verdeutlichen vielmehr, dass es gleichzeitig
deutliche Tendenzen in Richtung Supranationalität gegeben hat. |
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zur nationalen Ebene im EU-System
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