"Die ersten Zoologen klassifizierten Säugetiere als solche, die ihre
Jungen säugen, und Reptilien als solche, die Eier legen. Dann wurde
in Australien das Schnabeltier entdeckt, das wie ein Reptil Eier
legt und seine Jungen nach dem Ausschlüpfen wie ein Säugetier säugt.
Die Entdeckung schlug ein wie
eine Bombe. Was für ein Rätsel! rief man. Was für ein Geheimnis. Was
für ein Naturwunder. Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die ersten
ausgestopften Exemplare aus Australien in England eintrafen, hielt
man sie für eine Fälschung und glaubte, Teile verschiedener Tiere
seien zu einem zusammengefügt worden. Selbst heute noch findet man
gelegentlich Artikel in naturkundlichen Zeitschriften, die fragen: »Wieso
gibt es dieses Paradox der Natur?«
Die Antwort lautet: Es gibt
dieses Paradox gar nicht. Das Schnabeltier benimmt sich keineswegs
paradox. Es hat keine Probleme. Schnabeltiere haben seit
Jahrmillionen Eier gelegt und ihre Jungen gesäugt, lange bevor
einige Zoologen daherkamen und es für illegitim erklärten.
Das
eigentliche Rätsel, das eigentliche Geheimnis liegt darin, dass
erwachsene, objektive, wissenschaftlich ausgebildete Beobachter dem
armen, unschuldigen Schnabeltier die Schuld für ihre eigene
Fehlleistung geben."
[aus: Robert M. Pirsig, Lila
oder ein Versuch über Moral, Frankfurt/Main 1992, S. 118]
Wissenschaft
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Naturwissenschaft
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Flora und Fauna
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Monotremata
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Schnabeltier
Herkömmliche Klassifikationen sind hierarchische "entweder-oder"-Ordnungssysteme.
Entweder legt ein Tier Eier und wird deshalb der Kategorie "Reptilien"
zugeordnet oder es säugt die Jungen und wird deshalb der
Kategorie "Säugetiere" zugeordnet. Das Schnabeltier stellt diese Art
der Klassifikation vor unüberwindliche Probleme und muss deshalb in
eine Restkategorie "Verschiedenes" (engl. miscellaneous)
eingeordnet werden. 2007 hat der Internetphilosoph David Weinberger
ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: "Everything is
Miscellaneous", das 2008 auch auf deutsch erschienen ist ("Das
Ende der Schublade") und auf das wir weiter unten näher eingehen werden.
Doch zunächst wollen wir uns ansehen, wie es dem Schnabeltier in
einem Ordnungssystem ergehen würde, das auf tags aufbaut.
Hier hätte es tatsächlich keine Probleme. Dem Schnabeltier würde
sowohl der tag "legt_Eier" als auch der tag
"säugt_Junge" angeheftet. Das Problem. das den Zoologen schlaflose
Nächte bereitet hatte, würde erst gar nicht auftauchen.
tag / tagging
"tag" ist ein
englisches Wort und bezeichnet ein kleines Schild, das man an
etwas heftet oder auf etwas klebt; "price tag" ist z.B. das
Preisschild.
Das Verb "to tag"
heißt "etwas mit einem Anhängeschildchen versehen" oder
einfach "bezeichnen" bzw. "etikettieren".
Blogs, Wikis,
Social Bookmarking-Dienste etc. (siehe
Elemente des Web 2.0) bieten
tagging-Systeme zur freien, individuellen
Verschlagwortung der Inhalte an (Fotos, Videos, Blog-Posts,
Links etc.), die man als Nutzer generiert.
Bei einer großen
Anzahl von Nutzern entsteht aus den individuellen tags
ein nicht-hierarchisches System aus Schlagworten. Diese durch
gemeinschaftliches tagging erstellten Sammlungen heißen
Folksonomy (folk + taxonomy).
Beispiel:
digitale Fotos
Die grundlegenden Vorzüge von tagging als dem der digitalen Welt
(im Gegensatz zur physikalischen Welt) angemessenen Ordnungskonzept kann
man etwa am Beispiel von Fotos verdeutlichen. Früher bewahrte man Abzüge
der Fotos, die man 1991 beim 50. Geburtstag von Tante Inge in Barcelona
gemacht hatte, in einem Fotoalbum (oder einfach in einem Schuhkarton)
auf. Die Bilder vom 70. Geburtstag im Jahr 2011 hat man dagegen mit
einer Digitalkamera gemacht, auf Flickr hochgeladen und mit tags
versehen.
Während die Bilder des Jahres 1991 nur im Kontext des 50.
Geburtstags und nur an einer einzigen Stelle im Fotoalbum
aufgefunden werden können, können die Digitalfotos des Jahres 2011
in all den Kontexten aufgefunden werden, die man selbst mit den
tags geschaffen hat.
Man hat natürlich während des Barcelona-Aufenthalts nicht nur Fotos
der Familienfeier gemacht, sondern auch die Sehenswürdigkeiten der
Stadt besucht. Die tags für dieses Foto von der Sagrada
Família - der von Antoni Gaudí entworfenen Kirche - könnten z.B so
aussehen:
Wenn nun in ein paar Jahren die Tochter Architektur-Fotos für ihr
Studium benötigt, ist es hochgradig unwahrscheinlich, dass man sich
an die Geburtstagsfeier des Jahres 1991 erinnert. Es ist aber völlig
problemlos, in der eigenen Fotosammlung auf Flickr den tag "Architektur" anzuklicken, der
einem dann auch dieses Foto liefert, das zwar in einem gänzlich
anderen Kontext entstanden ist, trotzdem aber das Bauwerk eines
bedeutenden Architekten zeigt.
physikalische versus digitale Welt
Bildlich gesprochen legt man das Foto der Sagrada Família
gleichzeitig in 11 Fotoalben ab: In das Album "Alle Fotos des Jahres
2011", in das Album "Alle Fotos von Geburtstagen", in das Album "Alle
Fotos von Inge" usw. - und eben auch in das Album "Alle Fotos von
architektonischem Interesse". Das lässt sich natürlich sinnvoll nur mit
einem digitalen Foto machen, bei einem analogen Foto würde man 11 Abzüge
und 11 Fotoalben benötigen.
Tatsächlich legt man das Foto der Sagrada Família aber gar nicht
ab. Man wirft es auf den digitalen Haufen zu all den anderen Fotos - und
trotzdem lässt es sich später besser, schneller und in allen möglichen
Kontexten wiederfinden. Hier spricht David Weinberger von der "Macht der
neuen digitalen Unordnung" (so der Untertitel seines Buches).
Den grundlegenden Unterschied zwischen der digitalen und der
physikalischen Welt veranschaulicht er anhand des Labors der
amerikanischen Büromarktkette Staples. Dieses Labor stellt einen
kompletten Staples-Markt nach. Die Mitarbeiter versuchen, die Anordnung
der Produkte und die Informationssysteme so kundenfreundlich wie möglich
zu gestalten. Sie kämpfen also mit den Beschränkungen der physikalischen
Welt, die
"so sehr zu unserer Alltagswelt [gehören], dass wir sie gar nicht mehr
erkennen. Zum Beispiel: Im physischen Raum sind manche Dinge näher als andere. (...)
Physische Objekte können zu jeder Zeit immer nur an einem Ort sein.
(...) Im physischen Raum kann es immer nur eine Anordnung geben.
(...) Die physischen Fähigkeiten der Menschen sind begrenzt.
(...) Der Markt muss systematisch und ordentlich organisiert sein.
(...) Aufgrund dieser Beschränkungen wird das meiste im Staples-Markt
den Kunden schlicht im Weg sein (...). Wenn ich mit einer Liste von 15
Dingen komme, sind die restlichen 7185 Artikel im Angebot von Staples
für mich nicht nur uninteressant, sie verstellen mir sogar den Blick auf
das, wonach ich suche." (S. 5-6)
Die digitale Welt dagegen überwindet diese
Beschränkungen, da sie nicht aus Atomen besteht, die Raum einnehmen,
sondern aus Bits:
"In ihr müssen wir nicht an langen
Regalreihen entlangwandern, denn alles ist nur ein paar Klicks entfernt.
Sie braucht nicht für alle Menschen gleich zu sein, sie kann sich für
jeden von uns und für unsere aktuellen Aufgaben in Sekundenschnelle
umarrangieren. Sie ist nicht durch den Raum und den Imperativ der
Einfachheit bei den Abläufen beschränkt, sondern kann alle Artikel und
alle Variationen enthalten, die die Kunden sich wünschen könnten. Dort
können die Artikel nicht nur in einem oder vielleicht auch in zwei
Bereichen platziert werden, sondern gemäß den Erwartungen der Kunden in
einer Vielzahl von Kategorien klassifiziert werden. Statt in den
ordentlichen Regalen zu liegen (...), können die Artikel digital auf
einen großen Haufen geworfen werden und müssen nur sortiert werden, wenn
ein Benutzer nach ihnen sucht." (S. 7)
Weinbergers Beispiel - ein Büromarkt und
dessen Beschränkungen im Vergleich mit einem Online-Shop für Büroartikel
- führt bereits zu interessanten Erkenntnissen, bildet aber erst den
Ausgangspunkt für sein Buch, in dem er versucht, die Bedeutung der
Unterschiede in verschiedenen Bereichen zu vermessen:
"Hier geht es nämlich um etwas viel
Größeres als die Frage, wie wir unsere Märkte gestalten sollen. Die
physischen Beschränkungen, denen die Organisation eines Büromarktes
unterworfen ist, bestimmen auch, wie wir unsere Unternehmen, unsere
Verwaltungen und unsere Schulen organisieren - und das Wissen selbst.
Von den Managementstrukturen über die Enzyklopädien bis zu der Bildung,
die wir unseren Kindern angedeihen lassen (...), haben wir unsere Ideen
anhand von Prinzipien organisiert, die auf eine durch die Gesetze der
Physik beschränkte Welt ausgerichtet sind. Jetzt sind wir zum ersten Mal
in unserer Geschichte in der Lage, unsere Konzepte ohne die
Beschränkungen des Physischen zu ordnen. Das wird zu fundamentalen
Veränderungen bei unseren Ideen und Organisationen und beim Wissen
selbst führen. (...) Was wir dabei entdecken werden? Wenn wir neue
Organisationsprinzipien erfinden, die in einer Welt ohne physische
Beschränkungen sinnvoll sind, wollen die Informationen nicht nur frei
sein, sondern ungeordnet." (S. 7-8)
Was es heißt, dass unsere Ordnungssysteme "auf eine durch die Gesetze
der Physik beschränkte Welt ausgerichtet sind", kann man sich wiederum
am Schnabeltier verdeutlichen. Der Bibliothekar muss ein neu
erschienenes Buch zum Schnabeltier an eine bestimmte Stelle im Regal
einordnen.
Hat er nur die Kategorien "Säugetier" und "Reptil", kann das
nicht gelingen. Deshalb wurde eine neue Kategorie auf der gleichen
hierarchischen Stufe geschaffen, die Monotremata, zu denen neben dem
Schnabeltier noch der Ameisenigel gehört (viele weitere, sehr
unterhaltsame Beispiele führt Weinberger in dem Vortrag an, den das
Video zeigt).
Diese Kategorisierung steht in
Wechselwirkung mit unserem Verständnis der Welt, obwohl sie nichts mit
Wissen zu tun hat, sondern eine Reaktion auf die Beschränkungen der
physikalischen Welt darstellt.
Entweder-oder-Ordnungssysteme
"Der Preis für die Anordnung des Wissens in der physischen Welt ist
(...), dass man Entweder-oder-Entscheidungen treffen muss. (...) Das
Buch über die Militärmusik wird bei den Militärbüchern oder bei den
Musikbüchern platziert, kann aber nicht an beiden Stellen stehen. Die
Geografie des Wissens in einer Bibliothek kann nur eine Form
haben, aber keine andere. Das ist kein Gesetz des Wissens, sondern ein
Gesetz der räumlichen Geografie." (S. 68)
Und es gibt noch viele weitere Einflussfaktoren auf die Art und Weise,
wie wir unser Wissen von der Welt organisieren. Im Zusammenhang mit der
Diskussion um die Kategorie "Planet" (und der Frage, ob Pluto ein Planet
ist) kommt Weinberger zu dem Schluss:
"Um unsere Sonne kreisen Millionen von Objekten. Die neun bisher als
Planeten bezeichneten sind für uns interessant, weil wir ein
jahrtausendealtes Wissen über sie haben. Die Beibehaltung der Kategorie
'Planeten' sagt weniger über die Natur unseres Universums aus als über
unser Bedürfnis, uns vorzustellen, dass wir über andere Himmelskörper
als unseren eigenen blauen wandeln. (...) Dass wir so hartnäckig an
dieser Kategorie festhalten, obwohl es keinen zwingenden
wissenschaftlichen Grund dafür gibt, enthüllt eine tiefere Bedeutung,
die umso wichtiger wird, je mehr Bereiche die Fesseln der
Kategorisierung abwerfen und in den Wirbel der ungeordneten Vielfalt
eintauchen: Wie wir unsere Welt organisieren, reflektiert nicht nur die
Welt, sondern auch unsere Interessen, Leidenschaften, Bedürfnisse und
Träume." (S. 47)
Ende traditioneller Autoritäten
Ein wichtiger Aspekt des Übergangs von der physikalischen in die
digitale Welt besteht darin, dass traditionelle Autoritäten - Türsteher
vor den Eingängen zu Wissensbeständen - ihre Funktion einbüßen. Und
genau dieser Aspekt sorgt für interessante Diskussionen ("Weisheit der
Vielen" versus "Kult des Amateurs", siehe "The
Good, the Bad, and the Web 2.0"), an denen auch David Weinberger prominent
beteiligt ist.
"Dass die Papierordnung die Organisationsmöglichkeiten stark einschränkt,
hat ganze Branchen und zahllose Institutionen hervorgebracht. Museen,
Lehrpläne, Zeitungen, die Tourismusbranche und die Programme der
Fernsehsender beruhen sämtlich auf der Annahme, dass wir in der Welt der
zweiten Ordnung Spezialisten brauchen, die die Informationen, die Ideen
und das Wissen durchgehen und übersichtlich für uns ordnen. Doch jetzt
können wir - die Kunden, die Beschäftigten, einfach jeder - die zweite
Ordnung umgehen. Wir können uns dem ungeordneten Haufen direkt stellen.
(...) Wir können uns selbst - und, was noch wichtiger ist, gemeinsam -
überlegen, welche Anordnungen für uns im Augenblick sinnvoll sind und
welche neuen Anordnungen eine Minute später. So können wir schneller
finden, was wir brauchen, und die traditionellen Autoritäten einfach
ignorieren. Die dritte Ordnung der Ordnung revolutioniert nicht nur die
Wirtschaft - sie verändert auch unsere Vorstellung davon, wie die Welt
selbst organisiert ist und (was von noch größerer Bedeutung sein könnte)
wer die Autorität hat, uns das zu sagen." (S. 26-27)
Defizite hierarchischer Klassifizierung
Alle herkömmlichen Klassifizierungsversuche (der Zoologen, die Tiere
kategorisieren, oder Deweys Dezimalsystem, nach dem viele Bibliotheken
weltweit ihre Bestände sortieren) sind implizit hierarchisch. Ein
Vergleich von Deweys System mit der Art und Weise, wie man beim Online-Buchhändler
Amazon auf Bücher stößt und nach Büchern suchen kann, bringt Weinberger
zu folgendem Fazit:
"Das (...) Problem liegt (...) darin, dass jede Karte des Wissens von
der Voraussetzung ausgeht, dass es eine Geografie des Wissens gibt, dass
das Wissen eine Gestalt besitzt, dass man es von oben nach unten
betrachten kann. Bei der ersten und zweiten Ordnung der Ordnung ist
diese Annahme sinnvoll. Sie hemmt aber die nützliche Unordnung der
dritten Ordnung, ohne dass das nötig wäre." (S. 75)
[alle Zitate aus: David Weinberger
(2008), Das Ende der Schublade: Die Macht der neuen digitalen Unordnung,
München]
Tagging und Folksonomies
Tagging ist ein Ordnungssystem, das der "digitalen Unordnung"
angemessen ist. Es benötigt keine Hierarchie, keine festen Zu- oder
Einordnungen und damit keine Entweder-oder-Klassifizierung. Systeme, die
auf tagging beruhen, sind flexibel und personalisierbar. Man
benötigt keine "Karte des Wissens", bevor man mit dem Ordnen anfängt.
Vielmehr entsteht diese Ordnung dadurch, dass viele Nutzer (wie bei
Flickr) tags verwenden. Das stets vorläufig bleibende Resultat
der Ordnungsbemühungen ist die Folksonomy, die spontan entstehende
Taxonomie der Vielen. Individueller und gemeinschaftlicher Nutzen
verschwimmen - ein Phänomen, das sich bei allen Web 2.0-Elementen findet.
Um die möglichen Ordnungen, die durch tags entstehen, anschaulich
darzustellen, hat sich die Aggregierung als tag cloud
eingebürgert. Die cloud besteht aus den (beispielsweise in diesem
Blog oder jener Bookmarksammlung) verwendeten tags. Je häufiger
ein tag vergeben wurde, desto prominenter erscheint er in der
tag cloud. Ein bekanntes Beispiel stellt die folgende, eher
technisch orientierte tag cloud zum Web 2.0 dar:
tag cloud
Quelle:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Web_2.0_Map.svg (By Original
by Markus Angermeier Vectorised and linked version by Luca Cremonini
[CC-BY-SA-2.5 (www.creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via
Wikimedia Commons)
neuer Wissensbegriff
"Wissen bedeutet nicht mehr, das Einfache zu sehen, sondern im
Komplexen zu schwimmen."
[David Weinberger (2008), Das Ende der Schublade, München, S. 237]
Jeff Howe sieht im Tagging und den daraus resultierenden
Folksonomies eine weitere mächtige Anwendung von "Crowdsourcing" (so der
Titel seines lesenswerten Buches):
"The advantage folksonomies offer is no different than that of many
other crowdsourcing applications: it makes an overwhelming task
manageable." (S. 240)
Wie Weinberger misst er dieser Entwicklung hin zum Denken 2.0 eine große
Bedeutung zu:
"This all amounts to a sea change in how we experience the world around
us. If ever there was a realm in which the expert once reigned
uncontested, it was in the selection and organization of the world's
knowledge. Yet in a few short years, this function has been largely
democratized." (S. 241)
[beide Zitate aus: Jeff Howe (2009), Crowdsourcing. Why the Power of the
Crowd is Driving the Future of Business, New York]
Exemplarisch für diesen Wandel steht das
Online-Lexikon Wikipedia, das in den Erörterungen von Weinberger, Howe
wie auch all der anderen Autoren, die sich mit dem Web 2.0 beschäftigen,
breiten Raum einnimmt. Stefan Münker führt aus:
"Der Wissensbegriff (...), für den
Wikipedia steht, hat mit dem Wissensbegriff, den wir alle als Kinder der
wissenschaftlichen Neuzeit und der Aufklärung gelernt haben, wenig zu
tun. Wenn der durch die veränderte Mediennutzung angeregte Trend stabil
bleibt (...), dann stellen wir unsere Wissensfragen in Zukunft eben
zunehmend weniger, wenn überhaupt, an die enzyklopädischen Elitemedien
der Buchdruckkultur, sondern überantworten sie vielmehr der
Schwarmintelligenz der digitalen Netzkultur und ihrer Effekte. Unser
Begriff des Wissens aber ist dann nicht länger durch den Bezug auf eine
relativ kleine Klasse von ausgewiesenen Experten geprägt; Wissen ist
dann vielmehr zu verstehen als Resultat der vernetzten Kollaboration
eines zunehmend großen Kreises von engagierten Amateuren, deren
weitgehende Anonymität jegliche Rückschlüsse auf ihre Kompetenzen
verbietet. (...) Wer zwischen der kollaborativen Wissensproduktion im
Netz und dem Expertenwissen der Bücher einen klaren Gegensatz sieht, für
den gilt: Die Weisheit der vielen triumphiert im Web 2.0 über das
Wissen der Eliten."
[Stefan Münker (2009), Emergenz
digitaler Öffentlichkeiten. Die Sozialen Medien im Web 2.0,
Frankfurt/Main, S. 99-100]
Die Debatte um die Weisheit der Vielen, wie sie u.a. James Surowiecki in
einem vielbeachteten Buch untersucht hat, fassen wir auf der Seite "Weisheit
der Vielen" im Abschnitt
Gesellschaft 2.0 zusammen. Die
Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem, die sich mit dem Begriff Wikinomics verbinden, stellen wir im Abschnitt
Wirtschaft 2.0 dar. Die Seite
Digital Natives widmet sich u.a. dem
Problem, dass Lehrer und Schüler nicht mehr die gleiche "Sprache"
sprechen.
Wer sich intensiver
mit den Auswirkungen des Web (2.0) auf unser Denken beschäftigen möchte,
dem sei als Ausgangspunkt neben den Büchern von David Weinberger das
2010 erschienene webkritische Buch von Nicholas Carr "The Shallows. What the Internet
Is Doing to Our Brains" empfohlen (Titel der deutschen Übersetzung:
"Wer bin ich, wenn ich online bin... Und was macht mein Gehirn solange?
Wie das Internet unser Denken verändert"). Alle unsere Literaturempfehlungen zum
Thema Web 2.0 finden Sie
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Menschenrechtsbildung, Friedenspädagogik (ein Projekt von
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