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Inhaltsverzeichnis


Themen des Online-Lehrbuchs Web 2.0:

Einleitung

Was ist das Web 2.0?

Lernen 2.0

Politik 2.0

Wirtschaft 2.0

Gesellschaft 2.0


 Gefahren des Web 2.0

 Soziale Netzwerke

 Weisheit der Vielen

 Digital Natives
 


Gesellschaft 2.0

Dass Computer und Digitalisierung die Gesellschaft tiefgreifend verändern, ist unumstritten. So geht etwa Dirk Baecker von der folgenden Abfolge aus: Die Einführung der Sprache konstituierte die Stammesgesellschaft, die Einführung der Schrift die antike Hochkultur, die Einführung des Buchdrucks die moderne Gesellschaft und die Einführung des Computers konstituiert nun - was? Baecker ist vorsichtig und spricht in Anlehnung an Peter F. Drucker von der "nächsten Gesellschaft".

[Dirk Baecker (2007), Studien zur nächsten Gesellschaft, Frankfurt/Main]


Manuel Castells legt sich fest und bezeichnet die im Entstehen begriffene Gesellschaft in seiner epochalen Trilogie zum Informationszeitalter als Netzwerkgesellschaft:

"Es lässt sich als historische Tendenz festhalten, dass die herrschenden Funktionen und Prozesse im Informationszeitalter zunehmend in Netzwerken organisiert sind. Netzwerke bilden die neue soziale Morphologie unserer Gesellschaften, und die Verbreitung der Vernetzungslogik verändert die Funktionsweise und die Ergebnisse von Prozessen der Produktion, Erfahrung, Macht und Kultur wesentlich. Zwar hat es Netzwerke als Form sozialer Organisation auch zu anderen Zeiten und in anderen Räumen gegeben, aber das neue informationstechnologische Paradigma schafft die materielle Basis dafür, dass diese Form auf die gesamte gesellschaftliche Struktur ausgreift und sie durchdringt."

[Manuel Castells (2004): Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Teil I der Trilogie "Das Informationszeitalter", Opladen: UTB 8259, S. 527]









Foto: USFWS Photo [taken from Wikimedia]-----



Unabhängigkeits-erklärung des Cyberspace


Als Castells seine Trilogie verfasste, gab es das Web 2.0 weder als Begriff noch in der Realität. Das Web (1.0) war noch nicht über das Stadium einer "besseren Litfaßsäule" (Stefan Münker) hinausgekommen, auch wenn seine Entwicklung von Anfang an von utopischen Gesellschaftsentwürfen begleitet wurde. Als schönes Beispiel hierfür wird von Stefan Münker "A Declaration of the Independence of Cyberspace" von John Perry Barlow aus dem Jahr 1996 angeführt:

"Der Cyberspace liegt nicht innerhalb Eurer Hoheitsgebiete. Glaubt nicht, Ihr könntet ihn gestalten, als wäre er ein öffentliches Projekt. Ihr könnt es nicht. Der Cyberspace ist ein natürliches Gebilde und wächst durch unsere kollektiven Handlungen. (...) Wir erschaffen eine Welt, in der jeder einzelne an jedem Ort seine oder ihre Überzeugungen ausdrücken darf, wie individuell sie auch sind, ohne Angst davor, im Schweigen der Konformität aufgehen zu müssen. Eure Rechtsvorstellungen von Eigentum, Redefreiheit, Persönlichkeit, Freizügigkeit und Kontext treffen auf uns nicht zu."

[John Perry Barlow; zitiert nach: Stefan Münker (2009): Emergenz digitaler Öffentlichkeiten. Die Sozialen Medien im Web 2.0, Frankfurt/Main, S. 52]





Umbruchsphase und Übergangszeit






"So if a new infrastructure comes along that allows us to connect with everyone else on the planet and to invent new types of connections, this is big news indeed."

[David Weinberger (2002), Small Pieces Loosely Joined,  New York, S. XI]



Weder diesen Aspekt alternativer Gesellschaftsentwürfe noch den Bereich großer Gesellschaftstheorien können und wollen wir im Rahmen dieses Abschnitts des Online-Lehrbuchs zum Web 2.0 vertiefen, zumal es sich hierbei um Themen handelt, die mehr mit der Digitalisierung als übergreifendem Prozess als mit dem Web 2.0 im engeren Sinn zu tun haben.

Unsere Ziele sind bescheiden angesichts der Tatsache, dass wir am Anfang eines Umbruchsprozesses stehen, der nach Meinung vieler Beobachter alle gesellschaftlichen Bereiche umkrempeln wird.

Wie in der Einleitung zu diesem Online-Lehrbuch ausgeführt, geht es uns um eine vorläufige Bestandsaufnahme. Dieselben Schwierigkeiten stellen sich auch in den anderen behandelten Bereichen (weniger bei Wirtschaft 2.0, besonders ausgeprägt bei Politik 2.0).
Was Gesellschaft 2.0 bedeuten könnte, weiß bisher außer der Piratenpartei Schweiz, die ihren nationalen Wahlkampf 2011 unter diesem Motto bestreitet, niemand genau.



Dieses Video enthält ein rund 20-minütiges Interview mit David Weinberger zu Grundfragen des Internet aus dem Jahr 2007 (mit deutschen Untertiteln).










Gliederung dieses
Abschnitts

 


Augenzwinkernd hat der Internet-Philosoph David Weinberger das Web "definiert" als "small pieces loosely joined" und das als "A Unified Theory of the Web" ausgegeben (in Anspielung auf die sagenumwobene "unified theory of physics", die es ebenfalls nicht gibt). Einen Hauptgrund dafür, dass sich das Web (2.0) nicht definieren lässt, nennt er im Vorwort:

"We are the true 'small pieces' of the Web, and we are loosely joining ourselves in ways that we're still inventing."

[David Weinberger (2002), Small Pieces Loosely Joined. A Unified Theory of the Web, New York, S. X, eigene Hervorhebung]

Alles ist im Fluss (oder besser: im reißenden Strom) - das gilt heute im Web 2.0-Zeitalter noch mehr als zum Zeitpunkt des Erscheinens von Weinbergers lesenswertem Buch. Jeden Tag entstehen neue Geschäfts- und andere Ideen rund um das Web 2.0 als Plattform, die zum ersten Mal in der Geschichte massenhafte Kooperation im Weltmaßstab ermöglicht. Beinahe täglich werden neue Nutzungsarten und -varianten erfunden. War MySpace bis vor kurzem noch das Maß der Dinge bei Online-Netzwerken, wurde Facebook in wenigen Monaten zum uneingeschränkten Platzhirsch (siehe Seite Soziale Netzwerke). Start-ups kommen und gehen schneller, als wir unsere Seminarunterlagen aktualisieren können. Was tun?

Wir möchten uns in diesem Abschnitt auf diejenigen Aspekte konzentrieren, die in der öffentlichen Diskussion eine wichtige Rolle spielen. Ob das (auch künftig) die wichtigsten Themen sind, lässt sich angesichts der dynamischen Entwicklung nicht sagen. Gerade hier wird deutlich, dass es sich bei diesem Online-Lehrbuch um eine vorläufige Bestandsaufnahme handelt. Auf den Unterseiten dieses Abschnitts behandeln wir folgende Themen:

Gefahren des Web 2.0: Cyber-Mobbing, Data-Mining, Datenschutz, Urheberrechtsverletzungen, gefährdende Inhalte und Kontakte - die Liste der Gefahren, denen v.a. Jugendliche im Web (2.0) ausgesetzt sind, ist lang. Diese Aspekte stehen im Mittelpunkt der Berichterstattung über das Web 2.0 und prägen das Bild des durchschnittlichen Mediennutzers von der neuen Netzwelt. Um den Gefahren begegnen zu können, bedarf es in erster Linie Medienkompetenz - seitens der Jugendlichen, aber auch seitens von Eltern und Lehrern. Die Vermittlung dieser Kompetenzen haben sich die Safer Internet Centres in den verschiedenen europäischen Staaten zum Ziel gesetzt. Sie werden auf der Seite zu den Gefahren des Web 2.0 vorgestellt ...mehr

Soziale Netzwerke: Facebook beherrscht die Schlagzeilen - im positiven wie im negativen: Den beeindruckenden Nutzerzahlen steht die Diskussion um den Schutz der Privatsphäre gegenüber, die sich auf den Marktführer fokussiert. Was sind die Ursachen für den Erfolg von Facebook und wie könnte Facebook das Web verändern? Außerdem stellt dieser Abschnitt die brillante Analyse "Here Comes Everybody" von Clay Shirky vor ...mehr

Weisheit der Vielen: James Surowiecki widerspricht in seinem Buch "The Wisdom of Crowds" der weit verbreiteten, scheinbar intuitiv richtigen Ansicht, die Masse sei dumm. Er analysiert die Bedingungen, unter denen (große) Gruppen kollektiv bessere Entscheidungen treffen als die besten Individuen in der Gruppe. Mit dem Web 2.0 steht eine Plattform zur Verfügung, die kollektive Entscheidungsfindung ermöglicht. Es ist also Zeit, unsere alten Vorurteile über Bord zu werfen ...mehr

Digital Natives: Marc Prensky hat die Methaphern "Digital Natives" und "Digital Immigrants" eingeführt, die sich als so eingängig erwiesen haben, dass sie weite Verbreitung gefunden haben. Umstritten ist, wie die Digital Natives zu bewerten sind und ob sie tatsächlich aufgrund der massiven Nutzung von Mobiltelefonen, Computerspielen und des Internets anders denken als die Generationen vor ihnen ...mehr




 



In ihrem mutigen Buch "Macrowikinomics" entwerfen Don Tapscott und Anthony D. Williams das Bild einer Gesellschaft im Zeitalter der vernetzten Intelligenz ("The Age of Networked Intelligence"). Dabei untersuchen sie die Auswirkungen des Web 2.0 auf so unterschiedliche Felder wie die globale Finanzindustrie, die Bekämpfung des Klimawandels, die Zukunft der Bildung, das Gesundheitswesen, die (traditionellen) Medien oder Politik und Regieren. Sie sehen uns an einem "turning point in history" (S. 9ff.) und fordern "renewal and transformation, not tinkering" (S. 15ff.):

"...mass collaboration provides an attractive alternative to the hierarchical, command-and-control management systems that are failing many of our key institutions. (...) So let's use the opportunity that the digital revolution presents to rethink and rebuild all of the old approaches and institutions that are failing. Many promising solutions to issues ranging from the current health care crisis to climate change already exist at the fringes of established institutions and in the collaborative spaces of the Web." (S. 19, 21)

Wer sich mit den Auswirkungen des Web 2.0 auf die Gesellschaft beschäftigt, kommt um die Lektüre dieses anregenden Buches nicht herum. Oben auf dieser Seite haben wir auf die Abfolge von Dirk Baecker verwiesen, nach der die Einführung des Buchdrucks die moderne Gesellschaft und die Einführung des Computers die "nächste Gesellschaft" konstituiert habe. Tapscott und Williams arbeiten die Unterschiede heraus:

"Printing gave humanity the written word. The Web makes everyone a publisher. Printing enabled the distribution of knowledge. The Web provides a platform for networking human minds. Printing allowed people to know. The Web enables people to collaborate and to learn collectively. Printing played a key role in the rise of the industrial revolution and the creation of capitalism. The Web is now enabling new models for creating wealth and prosperity on a global basis. However, the biggest difference between the printing press and the Internet is that what took four centuries to unfold then is occuring in as little as four decades today." (S. 24-25)

[alle Zitate aus: Don Tapscott/Anthony D. Williams (2010): Macrowikinomics. Rebooting Business and the World, New York]





 



Neben dem Buch "Here Comes Everybody" von Clay Shirky (siehe Soziale Netzwerke) zählt das bereits 2002 erschienene "Smart Mobs" von Howard Rheingold zu den Referenzpunkten der Debatte um die Auswirkungen des Web 2.0 auf die Gesellschaft. Der Autor fasst den Inhalt in seinem Smart Mobs Blog so zusammen:

"Smart mobs emerge when communication and computing technologies amplify human talents for cooperation. The impacts of smart mob technology already appear to be both beneficial and destructive, used by some of its earliest adopters to support democracy and by others to coordinate terrorist attacks (...).

Street demonstrators in the 1999 anti-WTO protests used dynamically updated websites, cell-phones, and 'swarming' tactics in the 'battle of Seattle.' A million Filipinos toppled President Estrada through public demonstrations organized through salvos of text messages.

The pieces of the puzzle are all around us now, but haven't joined together yet. The radio chips designed to replace barcodes on manufactured objects are part of it. Wireless Internet nodes in cafes, hotels, and neighborhoods are part of it. Millions of people who lend their computers to the search for extraterrestrial intelligence are part of it. The way buyers and sellers rate each other on Internet auction site eBay is part of it. Research by biologists, sociologists, and economists into the nature of cooperation offer explanatory frameworks (...)."

[http://www.smartmobs.com/book/book_summ.html, 17.03.11]


[Autor: Dr. Ragnar Müller]

 



In diesem TED Talk "Howard Rheingold on Collaboration" fasst der Autor die Geschichte menschlicher Kooperation zusammen, geht auf die klassischen Probleme jeder Kooperation ein (Gefangenendilemma, tragedy of the commons) und weist ausgehend von den Erkenntnissen des Ultimatumspiels darauf hin, dass die vorherrschende Sicht auf den Menschen als Kosten-Nutzen-Optimierer zu kurz greift - eine Erkenntnis, die mit dem Web 2.0 täglich an Durchschlagskraft gewinnt.

 

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